Glowacz: Wo wilde Hunde weich werden
Foto: Klaus Fengler
Seit fast 30 Jahren zieht die Schlucht von Verdon in der Provence Stefan Glowacz magisch an. Vom Wunsch einer Erstbegehung angetrieben, legte er 2004 zusammen mit Christian Schlesener die spektakuläre Mehrseilkletterroute Golden Shower an. Aber erst 2012 glückte Stefan der Durchstieg. Bergwelten erzählte er anlässlich seines 50. Geburtstags 2015 vom besonderen Reiz des „Yosemite Europas“ und von den Tücken seiner Felswände.
Bergwelten: Stefan, herzlichen Glückwunsch zum 50. Geburtstag! Im neuen Lebensjahr kommt ein emotionaler Film von Dir heraus – im Mittelpunkt die mystische Verdon-Schlucht, die Dich schon seit jungen Jahren fesselt. Seit mehr als 10 Jahren kehrst Du zusammen mit Christian Schlesener immer wieder zurück, um die spektakuläre Mehrseilkletterroute Golden Shower zu durchsteigen. Worin liegt die Herausforderung dieser Tour? Welche Schwierigkeiten waren zu meistern?
Stefan Glowacz: Die Route liegt zunächst einmal nicht im Hauptsektor. Man muss erst ein langes Stück gehen, um zum Ausgangspunkt zu gelangen. Dann muss man sich auf den Schluchtgrund abseilen.
Die Route zeichnet sich durch drei sehr intensive und schwierige Seillängen aus: Zwei davon sind Schlüsselseillängen. Die erste Seillänge ist leicht, super, um sich einzuklettern. Dann folgen die 2. und 3. Seillänge, die beide 8b+ sind.
Die Route ist steil und überhängend, die Logistik ist herausfordernd: Man kommt mit einem Seil nicht hinunter, man muss also zuerst eines fixieren, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen.
Der Durchstieg der Golden Shower-Route scheiterte unzählige Male. Trägt man, ähnlich einem Künstler, die „Unvollendete“ immer im Herzen mit? Und wie fühlt es sich an, wenn die Vollendung gelungen ist?
Ja klar trägt man den Gedanken an die Golden Shower mit. Wenn man so ein schönes Projekt hat, will man es zum Abschluss bringen. In diesem Fall hatte das Projekt auch noch eine besonders hohe Wertigkeit, weil es eine außergewöhnliche Tour ist. Zudem war es immer schon ein Jugendtraum von mir, in Verdon eine schwere Route erstzubegehen.
„Es war immer schon ein Jugendtraum von mir, in Verdon eine schwere Route erstzubegehen.“
Was macht das Klettern in dieser Schlucht so besonders?
Die ganzen Umstände dort: das Abseilen in die Schlucht, die Wahnsinnskulisse und auch die anspruchsvolle Sportkletterei. Man muss als Kletterer wissen, worauf man sich einlässt. Man muss sich selbst einschätzen können, denn man ist in allen Routen extrem ausgesetzt unterwegs.
Klettern in der Schlucht ist wesentlich anspruchsvoller als in einem Klettergarten und auch anders als im Gebirge.
Die Schlucht selbst ist ebenfalls sehr gewöhnungsbedürftig: Man muss sich mehrere hundert Meter abseilen, dann das Seil abziehen und die Wand wieder rauf klettern. Jemand ohne Verdon-Erfahrung muss da schon umdenken.
Hat man als Hobbykletterer in der Schlucht überhaupt eine Chance, eine Route zu klettern? Oder, andersrum: Ist die Schlucht nur ein Spielplatz für wilde Hunde?
Es gibt dort schon verschiedene Schwierigkeitsgrade, und man kann sich langsam, Tour für Tour, an die Ausgesetztheit gewöhnen.
Verrätst du uns deinen ganz persönlichen Verdon-Tipp?
Die Route Defilof gehört zu den schönsten, die ich jemals geklettert bin. Und das Örtchen La Palud hat zwei nette Bars. Da landet man aber eh zwangsläufig, weil einem nichts anderes übrig bleibt (lacht).
Welche Abenteuer erwarten dich in der Zukunft? Hast du schon wieder eine neue Tour ins Auge gefasst bzw. eine Reise geplant?
Ich möchte dieses Jahr meine Route an der Schwarzen Wand (Anm.: im Wettersteingebirge, Stefans Heimat) klettern. Für das nächste Jahr ist natürlich auch schon eine Reise geplant. Es ist noch nicht spruchreif, aber es geht wieder in eine kalte Region.
„Die Schlucht ist sehr gewöhnungsbedürftig: Man muss sich mehrere hundert Meter abseilen, dann das Seil abziehen und die Wand wieder rauf klettern. Jemand ohne Verdon-Erfahrung muss da schon umdenken.“
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