Wandern und Wellness vor den Toren Wiens
Foto: Martin Weber
von Martin Weber
Martin Weber wandert vom Mödlinger Aquädukt zur Badener Therme - und erzählt, weshalb er die Gegend mit Dalmatien verbindet.
„Meraner Klima“ pflegte meine Großmutter zu sagen, wenn sie über die Thermenregion rund um Perchtoldsdorf, Mödling und Baden sprach. In diesem bin ich aufgewachsen, damals, als mir die Sommer noch endlos lang erschienen. Schon als Kind haben die mächtigen dalmatinisch anmutenden Föhrenwälder auf mich eine magische Anziehungskraft ausgeübt.
Wanderer mit Gespür für eine Landschaft, die auch heute noch lebendig von der sehnsuchtsvollen Romantik einer längst vergangenen Zeit erzählt, können rund um den Anninger südlich von Wien aus dem Vollen schöpfen. Das Verirrungspotential ist vernachlässigbar gering, die Aussichten von den Warten aus großartig. Das oft in letzter Minute noch stressige Schnüren von Jausenpackerln für Groß und Klein entfällt – am Weg warten genug Einkehrmöglichkeiten. Und am Ende locken die wohlig warmen Thermalquellen Badens zur Entspannung.
Von der Mödlinger Klause zur Krausten Linde
Die Einstiegspunkte auf den Anniger sind vielfältig. Ich wähle bevorzugt den verträumten stillen Steig gleich neben dem Mödlinger Aquädukt. Über kleine steinerne Terrassen mit Blick auf die Babenbergerstadt Mödling geht es durch den Föhrenwald bergauf. An heißen Sommertagen fühle ich mich mitunter vom betörenden Duft der dominierenden Schwarzföhren und den immer wieder hervorblitzenden verkarsteten Kalkfelsen an die dalmatinische Küste versetzt. An den Hängen des Frauensteins wächst übrigens eine endemische botanische Besonderheit, die Mödlinger Federnelke. Sie kommt nur hier vor!
Der weitere Weg in Richtung Anningerhaus ist dank guter Beschilderung nicht zu verfehlen. Die markante Wegkreuzung „Breite Föhre“ verbreitet einen Hauch von Wehmut – hier stand bis 1997 ein mächtiger Baum, der mehr als 450 Jahre alt wurde. Heute hat die Föhre ihre letzte Ruhestätte im Niederösterreichischen Landesmuseum in St. Pölten gefunden.
Nach ungefähr 30 Minuten zeigt sich mitten im Wald ein verträumt gelegener erster kulinarischer Höhepunkt. Der gemütliche Gastgarten der „Krauste Linde“ ist wunderbar für eine zünftige Vormittagsjause.
Danach geht’s immer geradeaus weiter die Anningerstrasse hinauf. Vom Frühjahr bis in den Spätherbst hinein radeln hier auch gerne Mountainbiker bergauf und bergab. In den Kurven etwas weiter oben kann man übrigens abseits der Forststraße die Reste der ehemaligen Rodelbahn erkennen. Hier wurden in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts Weltmeisterschaften im Rodeln angehalten. Bei guter Schneelage ist die Strecke auch heute noch ein Klassiker für flotten Spaß auf zwei Kufen.
Der Anninger – Gipfelrücken ohne Kreuz
Ein Gipfelkreuz sucht man am Anninger vergebens. Dafür stehen hier gleich zwei Aussichtswarten: Die Jubiläumswarte bietet gewaltige Ausblicke auf das dichte Baumdach des UNESCO-Biosphärenparks. Etwas abseits des Hauptweges thront die steinerne Wilhelmswarte wie ein Wachposten hoch über den Niederungen des Wiener Beckens.
Bis hierher genießen besonders am Wochenende viele Familien den einfachen Aufstieg und die gute gastronomische Infrastruktur. Das Anningerhaus selbst lockt mit bodenständiger und variantenreicher Hausmannkost. Seit 2014 wird auch der gleich neben dem Anningerhaus gewonnene Honig verkauft.
Danach wird es einsam und ruhig. Mich fasziniert das Anninger Tieftal, in dem die Kernzone des Biosphärenparks Wienerwald betreten wird. Seit 2005 gibt es hier keine land- und forstwirtschaftliche Nutzung mehr. Die Natur erobert sich langsam Platz zurück. Und mir kommt vor, aufmerksame Wanderinnen und Wanderer können genau das in der Stille des Anninger Tieftals auch hören.
Von den Gaumenfreuden zur Wellness
Wer den kulinarischen Verlockungen bis hierher widerstanden hat, muss spätestens bei der Rudolf-Proksch-Hütte einkehren. Die Wirtsleute sind zu Recht stolz auf eine besonders liebevolle Speisekarte, 18 verschiedene Fruchtsäfte und spezielle Bier-Raritäten. Allzu lange sollte man trotzdem nicht verweilen, sind es doch über die Einöde bis zum Kurpark Baden noch gute 1,5 Stunden. Dafür lässt es sich dann in warmem Schwefelwasser und zitronigen Aromadämpfen der Therme bis 22 Uhr noch herrlich entspannen.
Rudolf-Proksch-Hütte
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