Was ist eigentlich ein Bergsee?
Foto: mauritius images/ Hans Lippert
von Martin Foszczynski
Gebirgsseen sind die Diamanten in unseren Bergketten – doch wie viel wissen wir über diese besonderen Gewässer? Und wo darf man eigentlich baden bzw. fischen? Hier einige Fakten.
Von Bergseen schwärmte schon so mancher Dichter. Adalbert Stifter beispielsweise sah in ihnen ein „unheimliches Naturauge“, das in seinem „jungfräulichen Schweigen“ eine tiefe Ehrfurcht vor der Natur auslöse.
Mysteriös und verschwiegen sind auch gute Stichworte, wenn es um die genaue Definition eines Bergsees geht. Hier präsentieren sich die mitunter klarsten und reinsten Gewässer unserer Erde nämlich ziemlich undurchdringlich und die Experten halten sich bedeckt. Limnologen, die das Ökosystem von Binnengewässern erforschen, sind sich allenfalls einig, dass es keine scharfe wissenschaftliche Definition des „Bergsees“ gibt. Anders als vom „Hochgebirgssee“, der oberhalb der Waldgrenze angesetzt wird. Mit gutem Grund, wie Karin Koinig, Limnologin an der Universität Innsbruck, erklärt. Denn ob ein See sich im Wald oder außerhalb befindet, habe gewichtige Auswirkungen auf seinen Nährstoffgehalt. Die Waldgrenze wiederum variiert ja nach Breitengrad und Gebirge – im Alpenraum ist aber ab 2.000 Meter im Schnitt ein guter Anhaltspunkt.
Bergseen vs. Hochgebirgsseen
Was sich unterhalb der Waldgrenze in einem gebirgigen Terrain befindet, wäre demnach ein einfacher „Bergsee“ (mit Ausnahme von künstlichen Stauseen und Moorseen, die nicht dazugezählt werden). In Österreich hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft dafür sogar eine exakte Höhengrenze definiert, die bei 800 bis 1.800 Meter über Adria liegt. Wissenschaftlich begründet ist die aber nicht. „Egal“, meint Karin Koinig – letztlich wird man beim Wandern jeden See, der halbwegs in den Bergen liegt, als Bergsee empfinden. Ein malerisches Naturjuwel, das uns ob seiner natürlichen Schönheit und als Spiegel der Landschaft ins Schwärmen versetzt – und darum geht es ja eigentlich.
Bergseen und Gletscher
Klar ist: Die allermeisten Bergseen sind durch Gletscher entstanden. Hier unterscheidet man unterschiedliche Prozesse, wie Seen-Forscher Jan-Christoph Otto von der Uni Salzburg erklärt. Ein Gletscher erodiert den Fels und formt Eintiefungen (Kare), in denen sich dann Wasser ansammelt (Karseen). Oder es staut sich nach dem Gletscherrückzug das Wasser hinter einer Endmoräne auf (Moränenseen). Viele Seen bilden sich auch im Gletschervorfeld durch isolierte Eisreste, um die herum sich Sediment ablagert (Toteisseen). Und schließlich ist es auch möglich, dass Seen durch Bergstürze und Hangrutschungen entstehen, die den Abfluss des Wassers behindern. Ein Beispiel dafür wäre der wunderschöne Obernberger See in den Stubaier Alpen in Tirol, der sich durch einen prähistorischen Bergsturz des Triblaun bildete.
Klassische Karseen stammen aus dem Eiszeitalter und sind somit tausende von Jahren alt, viele Bergseen sind aber auch erst nach dem Ende der „Kleinen Eiszeit“ ab 1850 entstanden. Und: In Folge des massiven Gletscherschwunds, den wir gegenwärtig beobachten, werden es immer mehr. Alfred Gruber von der Geologischen Bundesanstalt in Wien schätzt die Gesamtzahl der Seen im Alpenraum auf über 4.000, wobei jährlich neue Gletscherseen entstehen. Freilich sind viele der neuen Seen nur temporär und verschwinden wieder bzw. trocknet das warme Klima diverse Gewässer – vorwiegend Tümpeln – aus. Bergseen reagieren in jedem Fall sensibelst auf den Klimawandel. Die Benennung neu entstandener Bergseen obliegt übrigens dem jeweiligen Grundbesitzer, in einigen Fällen ist das der Alpenverein.
Die höchsten Bergseen – extreme Lebensräume
Und die höchsten? Jan-Christoph Otto führt einen noch unbenannten See unterhalb der Hohen Geige im Pitztal auf 3.226 m als höchsten in Österreich an. Der Matscherjochsee nahe der Weißkugel in den Ötztaler Alpen ist mit 3.188 m der wahrscheinlich höchste Bergsee Südtirols. In Deutschland gilt der Kleine Rappensee in den Allgäuer Alpen auf 2.070 m als heißester Anwärter auf den Titel. Auch etliche neu entstandene Seen in den Hohen Tauern dürften auf rund 3.000 m liegen. Bergseen sind jedenfalls außergewöhnliche Lebensräume, kalt, oft sehr nährstoffarm, was in vielen Fällen auch die besondere Klarheit des Wassers erklärt. Die UV-Strahlung ist in solchen Gewässern weitaus höher als im Tal. Dadurch und weil sie darin wenig Futter finden, sind Fische in Hochgebirgsseen über 1.100 m selten anzutreffen.
Außer der Mensch hat der Natur etwas nachgeholfen: So ließ der österreichische Kaiser Maximilian I vor 500 Jahren Osttiroler Hochgebirgsseen bis 2.500 m Seehöhe mit Bachforellen besetzen – einige werden bis heute nachbesetzt. Seesaiblinge kommen mit den extremen Bedingungen in den kalten Bergseen grundsätzlich noch am besten zurecht. Wer in den Alpen abtauchen möchte, tut das am besten in Bergseen zwischen 800 und 1.100 Höhenmetern – dort sind oft noch mehrere Fischarten und üppig wachsende Algen zu beobachten.
Baden und Fischen
In Bergseen fischen darf freilich nur, wer über eine Fischereiberechtigung verfügt – alles andere fällt zumindest in Österreich unter Wilderei, sagt Klaus Auffinger, Schutzgebietsbetreuer der Stubaier Alpen. Was das Baden angeht, schätzt er die rechtliche Situation entspannter ein. Wo es nicht explizit verboten ist, dürfe man in den Bergen auch baden. Einige Seen, wie der schon erwähnte Obernberger See, haben den Status von Naturdenkmälern – hier gälte es auf besondere Bestimmungen zu achten.
Freilich: Bei Temperaturen von circa 10 bis 12 Grad, die sommerliche Bergseen auf 1.000 m im Schnitt haben, ist fraglich, ob es vielen Naturfreunden nach einem Kopfsprung gelüstet, oder sie nicht doch lieber vom Ufer aus ihre Schönheit bewundern.
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