Wie ich den „Franz“ eroberte und meine Angst verlor
„Mein erster Klettersteig“: Wolfgang Wieser, Journalist aus dem Red Bull Media House, über die Erfahrungen, die er im Rahmen des Bergwelten-Events in Ramsau gemacht hat.
Walter steht auf einem schmalen Sims. Links geht es steil bergab. Rechts steil bergauf. Nach unten blicke ich nur für Sekundenbruchteile oder lieber gar nicht. Um nichts zu beschönigen: Ich bin jemand, der dem möglicherweise harmlosen Sprung vom Drei-Meter-Brett eine inwendige Abkühlung vorzieht. Schau ich nach oben, läuft mir der Schweiß direkt in die Augen, und ja, das brennt.
Warum also stehe ich hier, fürchte mich und schwitze?
Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.
Vielleicht wegen der Erfahrung fürs Abenteuersammelalbum, vielleicht, weil ich mich seit Jahren mehr und mehr zu den Bergen hingezogen fühle, vielleicht auch aus einem Grund, der kaum wahrnehmbar in meinem Inneren rumort, und deshalb mehr Ahnung ist als Wissen.
Jedenfalls stehe ich hier auf dem Klettersteig „Franz“.
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Er ist knapp 300 Meter lang und führt über 122 Höhenmeter auf den Stoderzinken (2.048 m) bei Gröbming in der Steiermark. Mit B/C ist sein Schwierigkeitsgrad moderat.
Für mich reicht das aber auch. Schließlich habe ich erst gestern meine ersten Klettersteig-Erfahrungen gesammelt. Weshalb ich den etwas längeren Steig „Peter“ links liegen gelassen und mich Walters Gruppe angeschlossen habe, mit der ich mich jetzt auf den „Franz“ wage.
Ich bin übrigens einer von 50 Teilnehmern des Bergwelten-Events „Mein erster Klettersteig“. Insgesamt neun Bergführer stehen uns zur Seite, und wir lernen mit Hans Prugger auch jenen Mann kennen, der viele der Klettersteige am Dachstein gebaut hat.
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Die Bergführer sind lustige Herren. Auf den ersten Blick sehen sie nicht wie Sportskanonen aus. Das täuscht aber. Sobald sie mit dem Fels in Berührung kommen, verwandeln sie sich in bewundernswerte Wesen, die Gämsen gleich die Wände hochsteigen.
Gestern haben wir eine Reihe kürzerer Steige rund um Ramsau probiert. Mal bin ich zu hoch geklettert, mal habe ich nicht mehr weitergewusst (bin vom Bergführer aber wieder auf den rechten Weg geleitet worden), mal bin ich zweifelnd vor einer Hängebrücke gestanden, habe an Indiana Jones gedacht (aber mich nicht annähernd so gefühlt), und sie schließlich trotzdem bewältigt, diese verdammt wackelige Angelegenheit.
Der „Franz“ ist der letzte Steig, keine Prüfung, keine Offenbarung, eher irgendwas dazwischen.
Und doch änderte sich etwas mit jedem Schritt. Ich nehme schmale Felsvorsprünge nicht mehr als mögliche Absturzursachen, sondern als Chance wahr. Ich merke, dass ich grinse, als ich mit kleinen Schritten über eine glatte Fläche tänzle und als ich oben angekommen bin, lasse ich mich mit einem Seufzer ins Gras fallen und denke erst einmal an gar nichts. In meinem Kopf ist es so gnadenlos blau wie der Himmel über mir. Und dann denke ich: Die Berge verwandeln Angst in Respekt. Und das ist gut so.
Infos
„Mein erster Klettersteig“ findet im Herbst noch einmal statt. Termin: 17.-19. September 2021, Informationen:
Für Neueinsteiger: Die notwendige Ausrüstung wird kostenfrei zur Verfügung gestellt. Mit dabei: Petzl (Helme, Klettersteigset, Klettergurte), Stubai (Helme, Klettersteigset, Klettergurte), Lowa (Schuhe), Scarpa (Schuhe), La Sportiva (Schuhe), Skylotec (Helme, Klettersteigset, Klettergurte), Karpos (Fuktionskleidung).