So mancher wäre am liebsten 24 Stunden am Berg – auch die Finsternis hat ihren Reiz. Die Nacht ist allerdings für Fauna und Flora besonders wichtig und sensibel, für den Menschen sind nächtliche Touren mit größerem Risiko verbunden.
Wann und wie man sich in der Dunkelheit am Berg bewegen kann und dabei der
Natur und sich selbst möglichst wenig schadet, erklären die Nationalparkmitarbeiter Christian Raffetseder und Andreas Hollinger sowie Bergretter Gregor Franke.
Guide
4.00 Uhr. Guide: Natur- und Selbstschutz zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens
Text: Lena Öller, Illustration: Romina Birzer
„Die intensive künstliche nächtliche Beleuchtung ist das Hauptproblem für die Natur im dicht besiedelten Alpenraum“, ist man sich bei den Nationalparks Austria einig. Der Biologe Christian Raffetseder widmet sich dem Thema Nacht im Nationalpark Donau-Auen. Andreas Hollinger referiert vor Gästen im dunkelsten Gebiet Österreichs, dem Gesäuse in der Steiermark. In beiden Nationalparks bieten sie geführte Nachtwanderungen an, die zumeist gänzlich ohne künstliches Licht auskommen. Dabei bewegt man sich in zuvor definierten und abgegrenzten Gebieten, um möglichst wenig in den Lebensraum Nacht einzugreifen.
Hier wird durchgemacht
Bei den Touren wird klar: Die Nacht ist im Wald und am Berg vielleicht sogar spannender als der Tag. Es kommen Tiere und Pflanzen zum Vorschein, die man untertags nicht bemerkt. Beispielsweise Eulen, Fledermäuse, Glühwürmchen und viele wirbellose Tierarten, die tagsüber versteckt bleiben. Nachtaktive Säugetiere wie Füchse oder Wildschweine gehen im Dunkeln auf Nahrungssuche. Einige Pflanzen, wie etwa die Nachtkerze, öffnen ihre Blüten, um für Nachtfalter attraktiv zu sein. Die Biolumineszenz lässt manche Pilzarten magisch leuchten. Für den Menschen werden die Geräusche und Gerüche intensiver, der Sehsinn rückt in den Hintergrund. Klingt zunächst sehr vielversprechend.
Nächtliche Touren sind nicht bei allen beliebt
Nachtwanderungen auf eigene Faust sind nicht verboten. Erwünscht sind sie jedoch nicht, am allerwenigsten in Schutzgebieten. Die Nationalparkmitarbeiter plädieren dafür, der Natur ihre Ruhezeiten zu lassen. „Es ist eine Illusion, zu denken, dass man nachts niemanden stört – egal wie gut man aufpasst“, stellt Andreas Hollinger fest. Vor allem zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens bräuchten die Tiere ihren Raum: nachtaktive zur Futteraufnahme und Jagd, die restlichen für ihren ungestörten Schlaf. Wenn nun auch mitten in der Nacht keine Ruhe herrscht, hat das allgemeinen Stress bei den Tieren zur Folge und kann in den harten Wintermonaten sogar zu einer erhöhten Selektion in den Populationen führen.
Risikofaktor Dunkelheit
Dabei ist die Beliebtheit nächtlicher Touren in den letzten Jahren deutlich gestiegen, weil sich abendliche Berg-, Ski- und Biketouren sowie Trailruns eben gut mit dem Arbeitsalltag verbinden lassen. Aber „praktisch“ für den Menschen heißt nicht immer vorteilhaft für die Natur. Die Bergrettung verweist außerdem auf das erhöhte Risiko. Bei Dunkelheit lassen sich Gefahren, im Winter etwa die Schneebeschaffenheit und Lawinengefahr, kaum beurteilen. Im Sommer ist es schwerer, das Gelände einzuschätzen und beispielsweise Felsstürze rechtzeitig zu erkennen. „Tritt ein Notfall ein, kommt man nachts schwieriger zum Einsatzort. Der Hubschrauber kann nicht eingesetzt werden, somit müssen die Bergrettungstrupps zu Fuß aufsteigen. Personen zu finden ist um einiges komplizierter, vor allem dann, wenn sie keine Lichtquelle dabeihaben oder diese nicht erreichen können“, sagt Gregor Franke von der Bergrettung Tirol.
Nachtruhe und Abenteuer schließen einander nicht aus
Im Winter sollen Skitourengeher abends zum Schutz der Natur und wegen des geringeren Risikos daher auf den bereits erschlossenen Flächen bleiben. Damit sind Skipisten gemeint, die auch explizit für Tourengeher geöffnet sind. „In Tirol haben sich die Skigebiete dahingehend abgesprochen. Es gibt jeden Tag eine Piste, die bis 22 oder 24 Uhr für Skitouren geöffnet ist“, so Gregor Franke.
Sich im Sommer in der absoluten Finsternis zu bewegen sei in der Regel nicht notwendig, meint Andreas Hollinger: „Zumindest im Gesäuse ist kein Gipfel so hoch, dass man ihn nicht in der Tageslichtzeit besteigen kann.“ Schutzhütten seien im gesamten Alpenraum dafür da, die Dunkelzeiten sicher zu überbrücken. Für längere Touren kann man sich merken, dass es etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang und eine Stunde nach Sonnenuntergang noch hell genug ist, um im Gelände unterwegs zu sein. „In den Dämmerungszeiten ist es aber ebenso wichtig, dass man langsam und behutsam unterwegs ist“, fügt Christian Raffetseder hinzu. Auch jahreszeitlich gibt es Phasen, wo man vorsichtiger sein sollte, etwa wenn Wildschweine mit ihren Frischlingen unterwegs sind oder während der Hirschbrunft. Zudem sind Jagdgebiete zu meiden, weil es im Dämmerungslicht zu Verwechslungen kommen kann.
Man muss nicht nach den Sternen greifen, um sie sehen zu können
Die geführten Touren in den Nationalparks werden am späten Abend angeboten. Dabei werden lediglich Gebiete ausgewählt, wo die Störung vergleichbar gering ist, und das Wegegebot wird streng verfolgt. Das Wild weiß, wo die Wanderwege verlaufen, und meidet diese Gegenden für gewöhnlich. Die Direttissima ist aber ohnehin weder bei Tag noch bei Nacht umweltfreundlich. Wenn es einem mehr um den glitzernden Nachthimmel geht, hat Andreas Hollinger gute Nachrichten: Denn dafür muss man im Gesäuse gar nicht hoch hinaus. Wer zum Sterneschauen anreist, kann dies auch von den Straßen und Schutzhütten aus uneingeschränkt tun, wie diese Aufnahme zeigt.
Du willst zum Sonnenauf- oder Sonnenuntergang am Berg unterwegs sein? Im folgenden Guide sind die wichtigsten Infos zusammengefasst. Das Alpine Notsignal findest du übrigens auch hier.
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Passe die Strecke deinem eigenen Können an +
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Treuer Begleiter +
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In Kontakt bleiben +
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Dein Licht im Dunkeln +
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Für den Notfall +
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Hilfe rufen +
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Warm und satt bleiben +
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Sicher und rücksichtsvoll unterwegs +
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Einzigartige Beobachtungen und Erinnerungen +