Ein erster Akt am Drahtseil
Foto: Robert Maruna
von Robert Maruna
Wo der Wanderer oft umdreht, beginnt für den Kletterer das eigentliche Erlebnis. Beim Bergwelten-Event „Mein erster Kelttersteig“ konnte beides kombiniert werden: Via Drahtseil, Eisenleiter und Steigbügel ging es steil bergauf.
Strahlender Sonnenschein und milde Temperaturen begrüßen uns in Ramsau am Dachstein. 52 Teilnehmer haben sich bei traumhaftem Herbstwetter im Hotel Matschner eingefunden, um ihre ersten Schritte am Klettersteig zu wagen. Und wo könnte man besser in die luftige Welt der Viae-Ferratae einsteigen, als dort wo der erste Klettersteig der Welt errichtet worden ist? 1843 wurde unter der Aufsicht des Alpen-Forschers Friedrich Simony die erste alpine Steiganlage auf den Gipfel des Hohen Dachstein errichtet. Seitdem hat sich natürlich einiges getan in der Ramsau und am Dachstein, heute finden sich zahlreiche Klettersteige in der Region – nicht nur auf über 2.000 Meter, sondern auch rund um das Hochplateau am Sattelberg oder in der Silberkarklamm. Noch mehr gute Gründe sind wohl kaum zu finden für ein Klettersteig-Event.
Sattelberg und Silberkarklamm
Der Startschuss zum Event fiel Samstagfrüh. Die Teilnehmer wurden in zwei Großgruppen aufgeteilt: Fortgeschrittene Klettersteig-Fans machten sich auf in die Silberkarklamm, während es für alle Klettersteig-Neulinge in Richtung Sattelberg ging. Dort trafen sie auf Kali, Kalu, Kala und Heidi – vier moderate und kurze Klettersteige, gerade richtig für den ersten Tanz am Drahtseil. „Egal ob man sich für einen A oder E-Klettersteig entscheidet – die Technik und Regeln sind immer dieselben“, klärt Chef-Bergführer Herbert Raffalt im Einstieg des „Hias“-Klettersteigs auf. Hans Prugger, Bergführer-Kollege und ebenso gebürtiger Ramsauer folgt mit seinen Schützlingen nach, während der Rest des Teilnehmerfelds bereits in Kleingruppen am Sattleberg im Stahlseil hängt.
Karabiner einhängen, Karabiner aushängen, mit den Füßen hochsteigen, am Seil anhalten, Karabiner nachziehen, zuerst aus- und dann wieder einhängen. „Immer einen Karabiner nach dem anderen, so ist man nie ungesichert“, ruft Herbert seiner Gruppe zu. Mittlerweile haben die Teilnehmer die Stahlseilbrücke über den Silberkarbach überwunden und klettern von Trittstift zu Trittstift und über Eisenleitern zügig nach oben. Das steilste Stück des „Hias“-Klettersteigs liegt jedoch noch vor ihnen, die Anspannung ist manchen ins Gesicht geschrieben. Doch Herbert und Hans führen beide Gruppen mit lockeren Sprüchen und professioneller Betreuung im Handumdrehen zum Ausstieg. „Mir fällt echt grad eine Last von den Schultern“, meint eine junge Dame aus Berlin. Also auf zur Jausenstation Silberkarhütte, dort wartet Hüttenwirt Herwig bereits mit Kaffee und Kuchen auf uns.
Ausgeruht und gestärkt steht man nun am Fuße des Sattelberg. Klettersteig „Heidi“ steht am Nachmittags-Programm. Ein kurzer und knackiger Akt am Drahtseil, der in einer fulminanten Seilbrücke gipfelt, bevor man unterhalb des Gipfels den Ausstieg erreicht. Voller Vorfreude klinken sich die Gruppen nacheinander ins Stahlseil ein und überwinden leichtfüßig die ersten Problemstellen. „Ist man einmal im Modus, dann geht’s dahin“, meint Hans freudig zu seiner Gruppe. Und er sollte recht behalten, keine 30 Minuten später stehen alle wohlbehalten am Ende des Steigs und man tritt den Abstieg zur Sattelberghütte an. Dort lässt man den spätsommerlichen und erfolgreichen ersten Klettersteig-Tag im Sonnenschein ausklingen.
Westgrat am Kopenkarstein
Der nächste Morgen startet so wie der Abend zuvor geendet hat: wolkenlos und mild. Doch im Gegensatz zum vorhergehenden Tag wird der Zustieg zum heutigen Klettersteig nicht zu Fuß sondern per Gondelbahn zurückgelegt. Bevor es aber in höhere Gefilde geht, wird nochmals die Ausrüstung überprüft, die Tourenplanung besprochen und natürlich Sonnencreme aufgetragen – die Strahlung am Gletscher darf selbst im Herbst nicht unterschätzt werden. Oben angekommen, lassen wir die höchste Erhebung im Dachsteingebirge links liegen, denn unsere Tour führt auf den Gipfel des Koppenkarstein. Über die Piste des Hunerkogellifts geht es hinab zum Einstieg. Am Fuße des Westgrat heißt es einhängen und los klettern.
Nach wenigen Höhenmetern im leichten Gelände wartet der Steig auch schon mit dem ersten Highlight auf: eine wackelige Seilbrücke oberhalb der Austriascharte. Wer schwindelfrei ist, hat mit Sicherheit einen Vorteil, hängt die Schwebebrücke doch auf einer Höhe von über 2.500 m. Rechts sieht man hinab ins Tal, linkerhand der Schladmingergletscher und schroffe Gipfel des Gjaidstein. Gekonnt klettern die Gruppen weiter und erreichen wenig später das Gipfelkreuz am Koppenkartstein. Nun wird gratuliert, eingeschlagen und gelacht. Das Ziel ist vorerst erreicht, der Abstieg zurück eine Leichtigkeit.
Zurück im Tal und beim Hotel Matschner zieht Herbert vor versammelter Mannschaft Resümee: „Großartige Verantstaltung, feinstes Wetter, motivierte Gäste und beste Stimmung!“ Feierlich werden die Klettersteig-Scheine an die Teilnehmer überreicht, die nun innerhalb von 48 Stunden eine neue Sportart in der Theorie und Praxis erlernt und erlebt haben. Dabei steht allen die Begeisterung ins Gesicht geschrieben, denn da wo die Teilnehmer als Wanderer zu Fuß früher umgedreht hätten, hat sich nun eine neue Welt eröffnet: die des Klettersteigs.
Zum Event
Der nächste Klettersteig in Ramsau am Dachstein kommt bestimmt, die Termine für 2020 werden mit Ende November im Magazin, auf Bergwelten.com und im Newsletter bekannt gegeben.
- Alpinwissen
5 Dinge für den Klettersteig
- Berg & Freizeit
Was muss ich für einen Klettersteig beachten?
- Berg & Freizeit
Der kleine Klettersteigführer
- Berg & Freizeit
Das waren die Bergwelten-Events 2021
- Alpinwissen
Kinder ans Seil nehmen
- Berg & Freizeit
König Dachstein: Mythen, Menschen, Möglichkeiten