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Krater, Canyons und Kokablätter im Süden Perus

Reise

5 Min.

01.02.2021

Foto: mauritius images/ Thomas Schenker

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von Frank Eberhard

Für Abenteurer gibt es einige Gründe, nach Arequipa, die „weiße Stadt“ im Süden Perus, zu reisen: rings um die koloniale Metropole finden sich die tiefsten Schluchten der Welt, bis zu 6.000 Meter hohe Berge und ein Vulkan, der so schön wie bedrohlich ist. Frank Eberhard hat die Region erkundet.


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Eine bessere Aussicht auf Arequipa – die Hauptstadt der gleichnamigen Region – gibt es nicht. Zwar fällt das Atmen auf rund 5.600 Metern Höhe schon schwer, der Kopf schmerzt und der Gipfel ist noch nicht erreicht. Doch dann das: Mit dem Aufgehen der Sonne wirft der El Misti, der perfekt geformte 5.822 m hohe Vulkan am Rande der Stadt, seinen kegelförmigen Schatten bis zum Horizont und verdunkelt große Teile der Metropole Südperus. Obwohl fotografieren auf dieser Höhe einem Kraftakt gleichkommt, kramen einige Bergsteiger unserer kleinen Gruppe ihre Kameras heraus.  Ignacio, einen Bergführer aus der Stadt, beeindruckt der Anblick hingegen nicht mehr. Er achtet darauf, dass an den vereisten Felsen jeder seine Steigeisen anlegt. „Wenn ihr hier ausrutscht, macht ihr euch auf eine Reise bis nach Arequipa“, sagt er.

Die Peruaner nennen das über 3.000 Meter tiefer liegende Arequipa „La Ciudad Blanca“ – „die weiße Stadt“. Es waren die weißen Eroberer aus Spanien, die sie im Jahr 1540 gründeten. Die Kathedrale und die Arkaden rund um die zentrale „Plaza de Armas“ bauten sie aus weißem Tuffstein. Wer das Zentrum erforscht, erblickt hinter den kolonialen Prachtbauten drei Berge mit ebenfalls weißen Spitzen: Im Norden präsentiert der 6.075 Meter hohe Nevado Chachani seine drei tief verschneiten Gipfel. Im Osten wirkt der 5.571 Meter hohe Pichu Pichu mit seinen sieben Gipfeln wie eine breite Mauer. Archeologen fanden dort Reste von Inka-Opferstätten.

Zwischen diesen beiden Bergen thront der El Misti – das Wahrzeichen der Stadt und ein Vulkan, wie ihn ein Kind malen würde: Ähnlich einem gleichschenkligen Dreieck laufen die Bergflanken aus getrockneter Lava und Asche zusammen und kulminieren in einem qualmenden Krater, dessen höchster Punkt auf 5.822 Metern liegt. Der Vulkan ist aktiv und könnte im Fall eines Ausbruchs die Stadt zerstören.

Doch diese allgegenwärtige Bedrohung ist in Arequipa nicht zu spüren. „Unten“, auf 2.300 Metern Höhe, herrschen angehnemes Klima und das übliche Chaos einer südamerikanischen Großstadt. Alte Autos schieben und hupen sich zäh durch die im Schachbrettmuster angelegten Straßen und verpesten die Luft mit Abgasen. Ob die Ampeln rot oder grün leuchten, interessiert weder Autofahrer noch Fußgänger – auch dann nicht, wenn die Polizei an der Kreuzug steht.

Doch wer mit heißblütigen Latinos und hartnäckigen Bettlern rechnet, liegt falsch. Fast die Hälfte der gut 28 Millionen Einwohner Perus sind Indianer. Mestizen, also Mischlinge aus Weißen und Indios, machen rund 37 Prozent der Bevölkerung aus. 15 Prozent stammen von weißen Europäern ab, vor allem von den spanischen Conquistadores. In den Anden dominiert die indigene Bevölkerung – ein zurückhaltender und stolzer Menschenschlag. Zwar will an jeder Ecke jemand seine selbstgestrickte Wollkleidung, Snacks oder Souveniers verkaufen. Doch sogar die vielen Armen bitten in der Regel nur einmal um eine Spende. Dabei kann die saubere Altstadt nicht darüber hinwegtäuschen, dass Peru zu den ärmsten Ländern Südamerikas zählt. Wie um jede größere Stadt hat sich um Arequipa längst ein Armutsgürtel gebildet, der ständig wächst.


Colca Canyon: Klapprige Busse und Kokablätter

Noch ist Arequipa und seine Umgebung weit weniger bekannt als andere peruanische Reiseziele wie Cuzco, Machu Picchu oder der Titicacasee. Dennoch bauen immer mehr Touristen die Region in ihre Rundreise ein. Fast alle wollen dabei den Colca Canyon sehen, so auch wir. Die stundenlange Fahrt dorthin erfolgt in einem der klapprigen Busse und führt zuerst durch die Armutsviertel. Den ersten Stop baut Paola, eine junge indianische Fremdenführerin, daher noch nahe der Innenstadt ein. Sie  rät ihren Gästen, sich – völlig legal – mit Kokablättern einzudecken. „Das hilft gegen die Höhenkrankheit“, sagt sie. Schließlich liegen weite Teile der Strecke auf über 4.000 Metern. Umgerechnet 80 Cent kostet eine Tüte des Stoffs aus dem Kokain bsteht. Paola beschwichtigt alle Bedenken. „Ihr müsstet zwölf Kilo davon essen, um die Wirkung von Kokain zu haben“, versichert sie. Und diese Menge halte kein Magen aus.

Die Fahrt endet im kleinen Chivay. Der Hauptort des Colcatals dient als Eingang zum Canyon, der oft als tiefster der Welt bezeichnet wird. Doch dieser Superlativ ist – wie so oft – mit Vorsicht zu genießen. Zwar trennen rund 3.200 Meter in der Vertikalen den höchsten Berggipfel in der Nähe vom Grund der Schlucht – womit der Colca Canyon fast doppelt so tief wie der Grand Canyon wäre. Doch von der Straße, dem Schluchtrand und Standpunkt der Besucher, bis ins Tal des Rio Colca sind es „nur“ 1.200 Meter.

Wanderfreunden muss Paola an diesem Tag einen Dämpfer verpassen – in die Schlucht abzusteigen ist nicht möglich. Ein Erdbeben hat drei Tage zuvor den Weg zerstört. Große Felsbrocken auf der Schotterpiste zeugen noch davon. Der Hauptattraktion, neben dem Canyon selbst, tut das keinen Abbruch: Am Cruz de Condor sind die größten Vögel der Welt aus der Nähe zu betrachten. Die bis zu drei Meter Spannweite messenden Geier lassen sich dort am Vormittag von Aufwinden emportragen und kreisen majestätisch über der Schlucht.


Dünne Luft, atemberaubende Aussicht

Wer ein paar Tage im Colca Canyon verbringt, gewöhnt sich an die Höhe – ein Vorteil für weitere Abenteuer. Schließlich liegen auch touristische Pflichtpunkte wie der Titicacasee (3.800 Meter Höhe) und Cuzco (3.400 Meter) mitten in den Anden.

Wer noch höher hinaus will, etwa auf den Misti, sollte sich richtig gut akklimatisieren. Denn nicht jeder Bergführer führt seine Gruppe so umsichtig auf den Berg wie Ignacio. Eine Gruppe Franzosen erliegt während unseres Aufstiegs kollektiv der Höhenkrankheit. Nach einer qualvollen Nacht im Basislager auf 4.500 Meter Höhe müssen sie alle umkehren.

Mit Ignacio hingegen steigen wir langsamer auf und errichten unser Zeltlager 100 Meter höher. Alle bleiben trotz minus 15 Grad und Atemnot mehr oder weniger gesund. „Ungefähr 40 Prozent schaffen es auf den Gipfel“, sagt Ignacio. Dabei gehört der Misti, obwohl er schon fast an der 6000-Meter-Marke kratzt, zu den leichtesten 5000ern.

Der Berg liegt in einem Naturschutzgebiet und darf nur mit Führer bestiegen werden. Manche Agenturen bringen ihre Klienten um jeden Preis nach oben – notfalls sogar mit künstlichem Sauerstoff. Ignacios Gruppen dagegen tragen ihre fünf Liter Wasser pro Person, Zelte, Schlafsäcke und Ausrüstung selbst. Bereits das Basislager zu erreichen ist ein Kraftakt.

Diejenigen, die am nächsten Tag den riesigen Schatten über Arequipa sehen, haben sich diesen Anblick aus eigener Kraft verdient. Wer sich im Schleichtempo und mit Schnappatmung noch gute 200 Meter höher schleift, blickt in den weit aufgerissenen Krater und hat noch mehr Schwierigkeiten zu atmen – der Kombination aus hohem Schwefelgehalt und dünner Luft sei dank. Doch eine bessere Aussicht auf Arequipa gibt es nicht.


Infos und Adressen: Arequipa, Peru

  • Anreise: Flüge von Zentraleuropa nach Peru kosten zwischen 1.200 und 1.500 Euro. Internationale Flughäfen gibt es in der Haupstadt Lima und in Cuzco. Inlandsflüge kann man für etwa 100 Euro buchen. Von Lima fahren gut ausgestattete und bewachte Fernbusse für rund 50 Euro in zwölf bis 13 Stunden nach Arequipa.
  • Beste Reisezeit: Hauptreisezeit ist der peruanische Winter, also die Trockenzeit von Mai bis September. In dieser Zeit sind die Tage in den Anden sonnig und die Nächte kalt.
  • Unterkunft: In jeder größeren Stadt und in der Nähe von Touristenattraktionen gibt es vom Luxushotel bis zur Jugendherberge alles. Bei der Wahl der Unterkunft ist der Sicherheitsaspekt zu berücksichtigen – Camping ist daher an den meisten Orten unüblich.
  • Permit: Für den Besuch von Naturschutzgebieten wie dem Colca Canyon oder dem El Misti werden Gebühren erhoben. Diese sind in der Regel in den Preisen der örtlichen Reiseanbieter inbegriffen. Das Preisniveau ist für europäische Verhältnisse niedrig.

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