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Romantik oder harte Arbeit? 7 Irrtümer übers Hüttenleben

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7 Min.

08.08.2021

Foto: Verena Helminger // @ verena.hlmgr

Die Tage auf der Hütte sind idyllisch, ruhig und erholsam – zumindest aus Sicht des Hüttenbesuchers. Dass der Alltag für die Hüttenwirtsleute etwas anders aussieht, ist auch klar. Aber was die Bewirtschaftung einer Berghütte tatsächlich bedeutet, welche Arbeiten täglich bewerkstelligt werden müssen und mit welch oft unerwarteten Problemen das Hüttenteam mitunter konfrontiert wird, hat Verena, Salewa Hüttenpraktikantin, im Rahmen ihrer viertätigen Mitarbeit auf der Warnsdorfer Hütte auf 2.324 m in der Salzburger Venedigergruppe selbst erlebt.
Für uns deckt sie einige Irrtümer in Sachen Hüttenbewirtschaftung auf und gibt Einblicke in wenig bekannte Tatsachen.


Irrtum 1: Ein Hüttenjob ist romantisch und gemütlich

Im Gegensatz zu manch anderen Jobs dauert ein Hüttenarbeitstag von Sonnenaufgang bis weit nach Sonnenuntergang und verlangt dem Hüttenteam schon alleine dadurch sehr viel ab.

Verena konnte in ihren vier Tagen auf der Warnsdorfer Hütte miterleben, wie ein Arbeitstag auf einer alpinen Schutzhütte aussieht: Der Frühdienst startet meist um 6.30 Uhr, die zweite Runde um 7.30 Uhr. Wollen die Gäste am nächsten Tag eine ausgedehnte Tour unternehmen und noch früher frühstücken, wird ihnen dieses in Thermobehältern bereits am Vortag vorbereitet.

Während die erste Gruppe ihr Frühstück beendet, ist die Küchencrew bereits mit dem Backen von Kuchen für die ersten Tagesgäste und Rückkehrer beschäftigt. Parallel wird mit den Vorbereitungen für das Abendessen begonnen und der Transport neuer Lebensmittel mittels Materialseilbahn zur Hütte sowie der Abtransport des Mülls wird organisiert. Hinter der Bestellung neuer Lebensmittel steht unglaublich viel Planung, Logistik und Erfahrung.

Für das eingespielte Team der Warnsdorfer Hütte stellt dies aber kein großes Problem mehr dar. Nach einer kurzen Duschpause beginnt um 18.30 Uhr der Abendservice. Bewirtet wird auf der Hütte gemäß Hüttenordnung (siehe weiter unten) bis 22.00 Uhr. Meist sind die Gäste aber gut gelaunt und wollen um diese Zeit noch nicht ins Bett gehen, wodurch sich der Arbeitstag des Hüttenteams weiter in die Länge zieht.

An einem der vier Tage darf Verena „Gast“ sein und um vier Uhr Richtung Gamsspitze und Simonyspitze aufbrechen. „Eine wahnsinnig schöne, beeindruckende Tour!“, wie sie beschreibt. Für die Betreiber einer Hütte bleiben in der Saison aber meist nur die Schlechtwettertage für einen freien Tag.

Verenas Tipp: Wer dachte, Hüttenwirt wäre der Traumjob, in dem man Auszeit und Erholung in den Bergen findet, irrt sich gewaltig. Wer Ruhe und Entspannung sucht, sollte lieber als Gast auf die Hütte kommen, denn als Hüttenwirt ist man während der Saison von 6.00 Uhr bis weit nach 22.00 Uhr voll eingespannt.


Irrtum 2: Frisches Wasser kommt direkt aus dem Berg

Nicht selten ist ein Hüttenbesucher erstaunt, dass im Waschraum nur eine Dusche zur Verfügung steht, die Duschzeit begrenzt und diese mitunter auch noch kostenpflichtig ist. Völlig verwundert sind viele, wenn sogar Trinkwasser – oder heißes Teewasser – etwas kostet. Tatsächlich stehen viele hochgelegene Hütten in karstigem Felsgelände, in dem Regenwasser sofort verschwindet und unterirdisch abrinnt. Selbst wenn eine Hütte am Rande eines Gletschers oder neben einem Bach steht, ist das keine Garantie für trinkbares Wasser.

So gut wie alle Hütten investieren viel Technik in die Bereitstellung von Trinkwasser. Im besten Falle können Quellen genutzt werden, die über eine gute Wasserqualität verfügen. Meistens muss vorhandenes Wasser aber aufbereitet werden – etwa durch UV-Filter – um den strengen Richtlinien für Trinkwasser zu entsprechen. Brauchwasser für den Abwasch, die Toilettenspülung oder zum Putzen kann teilweise durch das Auffangen von Regenwasser gewonnen werden. Bei Hütten in Extremlage ohne Materialseilbahn kann es sogar vorkommen, dass in trockenen Sommern Trinkwasser per Hubschrauber auf die Hütte geflogen werden muss.

Verenas Tipp: Wasser ist an sich ein kostbares Gut, das gilt auf der Hütte umso mehr. Daher sollte man sparsam damit umgehen und sich nicht wundern, wenn mal keines da ist. Viele Toiletten auf Hütten sind übrigens Trockentoiletten, die völlig ohne Wasser auskommen.


Irrtum 3: Strom kommt aus der Steckdose

Abgelegene Hütten ohne Anschluss an das öffentliche Stromnetz – im Hochgebirge praktisch alle Hütten – sind energieautark.
Das klingt stark, ist aber für jede Hütte eine besondere Herausforderung. Der Strom wird dabei in der Regel mittels hybrider Systeme wie Sonnenergie, Wasserkraft oder rapsölbetriebener Blockheizkraftwerke gewonnen. In fast allen Fällen ist der Strom aber nur begrenzt verfügbar. Prioritär werden damit Kühlgeräte, Gläserspüler und eine Brandmeldeanlage sowie LED-Leuchtmittel versorgt. Gekocht wird so gut wie immer auf Holz- oder Gasherden, da dafür die elektrische Energie nicht ausreichen würde.

Verenas Tipp: Es kann vorkommen, dass in der Zeit des Abendessens die Steckdosen (wenn überhaupt vorhanden) in den Lagerräumen nicht funktionieren, da die Küche stromtechnisch Vorrang hat. Hier hat man die Wahl: Ein warmes Essen oder ein Handy mit vollem Akku. Man könnte sich aber Powerpacks oder eine eigene Akku-Ladestation mitnehmen, um auf Nummer sicher zu gehen. Oder aber man schränkt die Nutzungszeiten des Handys auf ein Minimum ein, was auch mal gut tut.


Irrtum 4: Meinen Müll kann ich auf der Hütte loswerden

Für Verena stand gleich an ihrem ersten Tag auf der Hütte neben dem Putzen der Sanitäreinrichtungen auch das Sortieren des Mülls am Programm. Müll fällt selbstverständlich auf jeder Hütte an, wird vorsortiert, verpackt und ins Tal gebracht – auf der Warnsdorfer Hütte mit der Materialseilbahn, mancherorts mit dem Hubschrauber.
Die Müllentsorgung ist immer mit Kosten verbunden, die bereits beim Einkauf berücksichtigt werden müssen. Jeglicher Müll, der von Gästen selbst mitgebracht wurde und auf der Hütte bleibt, muss vom Hüttenteam kostenpflichtig entsorgt werden.
Aus diesem Grund gibt es verschiedene Initiativen, um Gäste zu animieren, ihren eigenen Müll wieder selbst mit ins Tal zu nehmen, z.B. Säcke aus Maisstärke im Rahmen der Aktion „Saubere Berge“ des Alpenvereins, in die man seinen Müll packen kann.

Verenas Tipp: Wenn jeder Gast zumindest jenen Müll wieder mit ins Tal nimmt, den er zuvor selbst heraufgetragen hat, dann ist der Hütte und dem Hüttenteam schon sehr geholfen und es werden unnötige Kosten gespart.


Irrtum 5: Essen gibt es ausreichend, daher immer nachholen und gegebenenfalls stehenlassen

Die Kalkulation des Einkaufes von Lebensmitteln setzt viel Erfahrung voraus, nicht zuletzt, weil der Verbrauch stark vom Wetter abhängig ist. Zudem müssen die Lebensmittel zur Hütte kommen, im Idealfall mit der Materialseilbahn, die dem Hüttenwirt viel Flexibilität bei frischen Lebensmitteln ermöglicht. In einigen wenigen Fällen muss die Hütte in regelmäßigen Abständen per Hubschrauber beliefert werden – frischen Salat sollte man dort nicht erwarten.
Dennoch wird auf den meisten Hütten hervorragende gekocht, viele verwenden wo immer es geht regionale Produkte und haben sich der Initiative „So schmecken die Berge“ des Alpenvereins angeschlossen. Große Buffets – außer eventuell beim Frühstück – werden auf so gut wie allen Berghütten vermieden.
Die Devise lautet: Es wird genauso viel gekocht, wie gebraucht wird, damit möglichst wenig Essensreste anfallen, da diese – wie der restliche Müll auch – verpackt und ins Tal gebracht werden müssen.

Verenas Tipp: Das Essen auf einer Hütte sollte man genießen, schließlich hat man es sich meist redlich verdient. Ist der Hunger groß, bekommt man selbstverständlich immer Nachschlag. Essensverschwendung ist aber eigentlich immer eine Schande – umso mehr auf Hütten mit ihrer aufwendigen Lebensmittelversorgung. Daher: Immer nur so viel bestellen, wie man auch wirklich essen kann.


Irrtum 6: Die Hüttenordnung ist veraltet

Hört man von der Hüttenordnung, so scheint dies im ersten Moment ein veraltete Notwendigkeit zu sein. Aber im Detail macht sie heute genauso viel Sinn wie anno dazumal und trägt zu einem geordneten Miteinander auf der Hütte sowohl unter den Gästen als auch zwischen Gästen und Hüttenteam bei.
Ein Punkt ist Verena besonders aufgefallen: Schuhe, Pickel, Steigeisen und Stöcke sind im Schuhraum zu verstauen und dürfen nicht in die Zimmer mitgenommen werden. Dies macht aus vielerlei Hinsicht Sinn: Erstens geht der große Aufbruch in der Früh ruhiger vonstatten, wenn erst im Schuhraum gepackt wird. Das freut jene, die länger schlafen wollen. Zweitens ist der Platz in den Zimmern und Lagern beschränkt und drittens ist es äußerst unangenehm, wenn man aus dem Bett direkt auf einen Pickel steigt.

Verenas Tipp: In Zeiten von Corona gehört zur Hüttenordnung auch, dass auf den Hütten keine Decken ausgegeben werden dürfen. Jeder Gast muss seinen eigenen Schlafsack – keinen Hüttenschlafsack – mitbringen.


Irrtum 7: Der Hüttenwirt weiß alles

Manche sehen in ihm den Koch, die Servicekraft, den Techniker, den Bergführer oder den Wetterexperten. In der Tat müssen Hüttenwirte viel können und sollten alles wissen. Hier im Hochgebirge sind sie mit ihrem Team oft auf sich allein gestellt. Sie müssen die Hütte in Schuss halten können, sprich sich mit der Technik in Sachen Stromversorgung, Wasser und Heizung auskennen. Sie sollten Kenntnisse über Betriebswirtschaft mitbringen, vielleicht sogar selber kochen können und vor allem, gerne mit Menschen arbeiten.

Wer sich dann auch noch in den Bergen auskennt, Bescheid weiß über Schneelage, Zustand der Wege, Entwicklung des Wetters und vieles mehr, der wird von seinen Gästen hoch geschätzt werden.

Der Job „Hüttenwirt“ ist somit nicht nur eine Passion, sondern setzt umfassende Expertise in vielen Bereichen und weit mehr als 100% Arbeitsleistung während der Saison voraus. Aber alles kann selbst der beste Hüttenwirt nicht wissen oder können.

Verenas Tipp: Immer freundlich sein. Ist die Hütte voll belegt, kann es vorkommen, dass man etwas länger warten muss, obwohl das Hüttenteam auf Hochdruck arbeitet. Oder es kommt vor, dass etwas nicht so funktioniert wie es sein sollte – dafür gibt es meist einen Grund und der Fehler wird so schnell als möglich behoben. Man sollte im Hinterkopf behalten, dass eine Berghütte kein Hotel ist und wir außerdem gerne in den Bergen sind und dort die Dinge ruhig ein wenig langsamer angehen lassen können.


Die Salewa-Hüttenpraktikanten

Von Hütte zu Hütte wandern, die schönsten Touren und interessantesten Bergmenschen kennenlernen: Das klingt nach dem perfekten Sommer-Vorhaben. Verena Helminger und Pascal Schumacher sind die diesjährigen Salewa-Hüttenpraktikanten, werden genau das tun und uns ihre spannenden Geschichten von den Hütten Österreichs und der Schweiz mitbringen.