Zu Fuß von Wien nach Marokko: Träume gilt es zu leben
Ernst Merkinger hat es geschafft! Nach rund 3.000 Kilometern zu Fuß, unzählichen Abenteuern und Begegnungen ist er an seinem selbstgewählten Ziel – Marrakesch – angekommen. Uns schildert er, wie sich das anfühlt.
Ich sitze auf dem Bett eines luxuriösen marokkanischen Riads, tippe in die Tasten und blicke innerlich auf eine Zeit zurück, die einem Sommernachts(alb)traum ähnelt. Insbesondere erinnere ich mich an die Herbergen mit Schimmel an den Wänden oder an die Geruchs- und Schnarchspektakel der Pilger zurück. Ich bin dankbar, dass ich heute ein Doppelbett mit Dusche für mich ALLEIN habe, mich ausbreiten und in aller Ruhe das tun kann, was ich am liebsten tue – Schreiben.
Die Seele kann wieder atmen
Die Zeit ist nicht wie im Flug und gleichzeitig wie im Flug vergangen – ich habe das Zeitgefühl komplett verloren, weil ich Zeit keine herausragende Bedeutung in meinem Vorhaben gegeben habe. Für mich war der Tag dann zu Ende, wenn die Sonne untergegangen ist und der Tag begann dann, wenn die Sonne aufging. Aus dem Takt wurde ein Rhythmus und somit aus der Maschine ein Mensch. Das Meditieren mit den Füßen in der Stille der Natur stellt einen vor die große Herausforderung seine Gedanken zu beobachten, mit ihnen tanzen zu lernen und somit Klarheit einkehren zu lassen. Die Seele kann wieder frei atmen, was in der Komplexitätsmaschine Großstadt beziehungsweise dem alltäglichen Wirrwarr eine stete Herausforderung darstellt. Das einfache Pilgerleben ist gewiss einfacher, weil wir wieder erkennen, was wirklich wesentlich für einen ist. Und durch dieses Wesentliche erkennen wir wieder unser Wesen, das uns auszeichnet.
Wir müssen allerdings auch die Stifte in die Hand nehmen und zu malen beginnen, um ein reiches Leben zu erleben. Und ich hatte schon immer diesen anormalen „Defekt“, nämlich dass ich das tat, was mir entsprach. Dass diese Eigenart zu einem Pilgerprojekt werden und solche Dimensionen annehmen würde, verblüfft mich und lässt Demut in mir einkehren. Diese Reise verwurzelt und beflügelt mich zugleich. Das schreibe ich nicht nur so dahin, sondern verspüre es auch wirklich innigst. Da gibt es so viele Puzzle-Menschen, die mir nicht „nur“ in finanzieller Form geholfen haben, sondern mir auch mit einer Liebe begegnet sind, wie ich es noch nie zuvor in dieser Qualität und über einen so langen Zeitraum erlebt hatte.
Beliebt auf Bergwelten
Ein Traum nach 3.000 km
Wie anfangs erwähnt: hier anzukommen fühlt sich wie ein Traum an, doch meine Sinne sagen mir auch, dass dies tatsächlich mein neues Leben ist. Und dass ich mich als privilegierten Mitteleuropäer ansehen muss, weil ich dieses Abenteuer so erleben hab´ dürfen. Vielleicht könnt ihr erahnen welche Gefühle in mir frei geworden sind als ich nach über 3.000 km den edlen Boden des Anima Gartens – André Hellers selbstgestaltetes Paradies in Marokko – betreten habe. Aber mal ganz ehrlich und unter uns: ich wünsche mir für Euch, dass ihr das nicht nur erahnt, sondern auch selbst einmal erlebt, weil das Leben so ein geniales Geschenk ist, dass man es nicht schwänzen sollte. Keine Idee ist zu verrückt.
Auch beliebt
Verrückt ist übrigens auch jener Zufallstreffer, den ich am letzten Tag vor meiner Ankunft in Marrakesch gelandet habe: Immer wieder stoppen Einheimische entlang der Autobahn, um mir eine Fahrt in die Stadt anzubieten, aber ich lehne jedes Mal mit einem Griff ans Herz dankend ab. Doch gegen 19 Uhr, als die Sonne schon untergegangen ist, Hunde mich anbellen und skeptische Blicke auf mich geworfen werden, wird die Verführung immer größer. Da macht der Franzose Stéphane mit seinen Kids Halt. Ich frage ihn, ob die Gegend denn sicher sei und wie weit es noch zum nächsten Hotel ist. Er antwortet: „It´s not safe, but it´s also not that bad. I guess in 5 km there is a hotel. I give you my business card... just in case you need my help. And by the way, you can stay at our place tomorrow. We live in the center next to the Majorelle garden – in a villa.“ Dieser Mann hat mir dann nicht nur eine Übernachtungsmöglichkeit in seinem eigenen Poolhaus organisiert, sondern auch in einigen anderen Riads rund um Marrakesch!
Tja, so läuft das auf marokkanischem Boden. Ich glaube das nennt man: „G-A-S-T-F-R-E-U-N-D-S-C-H-A-F-T.“ Das ist eine der vielen Geschichten, die ich im Laufe der letzten 4,5 Monate niedergeschrieben habe und das wird auch nicht die letzte gewesen sein - so viel sei schon mal verraten. Keine Idee ist zu verrückt. Viel verrückter ist es der eigenen Idee einen Laufpass zu geben und somit ein Abenteuer auszulassen.
Auf ein Wiedersehen liebe Bergwelten-Leserinnen und Leser,
Euer Ernst
Ernst Merkinger plant seine Pilger-Erlebnisse in einem Buch zu verarbeiten – wir halten euch auf dem Laufenden!
Auf seinem Blog und auf seinem Instagram-Account wird uns Ernst weiterhin von seinen Abenteuern berichten.