Naturmaterialien oder Kunstfasern: Was solltest du am Berg tragen?
Foto: Susanne Einzenberger
Bergbekleidung soll angenehm zu tragen sein, wärmen, schützen und obendrein noch lange halten. Ob ein Kleidungsstück diese Eigenschaften erfüllt, hängt stark davon ab, aus welchem Material es besteht. Hier bekommst du einen Überblick über die wichtigsten Fasern und erfährst, ob du am Berg besser Natur- oder Kunstfasern tragen solltest.
Die wichtigsten Materialien für Bergbekleidung
1. Polyester
Egal, welches Kleidungsstück man sich anschaut – die Wahrscheinlichkeit, dass Polyester darin verarbeitet ist, ist sehr hoch. Das Kunstmaterial, das aus Erdöl gewonnen wird, ist die in Textilien am häufigsten verwendete Faser der Welt. Auch aus der Sport- und Bergbekleidung ist Polyester kaum wegzudenken.
Vorteile: Das Material ist sehr leicht, strapazierfähig und trocknet schnell.
Nachteile: Polyester nimmt zwar wenig Feuchtigkeit auf, zieht aber gleichzeitig Öl der menschlichen Haut an, weshalb wir in Polyester-Kleidung schnell stinken. Bei jedem Waschgang lösen sich außerdem winzige Kunstfaserpartikel aus dem Stoff und landen als Mikroplastik im Meer. Außerdem verrottet Polyester nur sehr langsam.
2. Elasthan
Elasthan (auch Lycra oder Spandex genannt) ist ebenfalls eine Kunstfaser, die meist aus Erdöl hergestellt wird. Ihr Superkraft: Sie ist extrem flexibel und lässt sich auf das Siebenfache ihrer regulären Länge ausdehnen, ohne auszuleiern. Das macht Elasthan zu einem beliebten Bestandteil von Sportkleidung.
Vorteile: Ähnlich wie Polyester trocknet Elasthan schnell, ist leicht und strapazierfähig. Außerdem ist es stark dehnbar.
Nachteile: Elasthan lässt sich kaum recyceln und durch die Abnutzung gelangen winzige Kunstfaserpartikel als Mikroplastik in die Umwelt.
3. Baumwolle
Der Klassiker in der Bekleidungsindustrie wird schon seit Jahrtausenden angebaut. Für Alltagskleidung wird Baumwolle gern verwendet, da sie günstig und weich ist. Am Berg hat das Naturmaterial aber eigentlich nichts zu suchen, da sie Schweiß sofort aufsaugt und nur langsam trocknet.
Vorteile: Baumwolle ist sehr weich, atmungsaktiv und reizt die Haut nicht. Zudem ist Baumwolle eine nachwachsende Pflanze und kann recycelt werden.
Nachteile: Baumwolle saugt Wasser schnell auf und trocknet langsam, zudem reiß sie leicht. Der Anbau von Baumwolle braucht außerdem sehr viel Wasser (für 1 kg Baumwolle bis zu 11.000 Liter Wasser) und Pestizide.
4. Merinowolle
Die Wolle der Merinoschafe ist ein beliebtes Material im Bergsport, vor allem für längere Touren. Zum einen reguliert Wolle die Körperwärme gut – das heißt, bei kalten Temperaturen wärmt sie und bei warmen Temperaturen kühlt sie. Nach dem Schwitzen fröstelt man in einem Shirt aus Merinwolle auch nicht so schnell wie in Kunstfasern. Zum anderen stinkt Wolle durch ihre natürliche, antibakterielle Wirkung kaum.
Vorteile: Merinowolle ist weich und reguliert die Körperwärme gut. Außerdem ist sie biologisch abbaubar und wächst nach.
Nachteile: Merinowolle ist teuer und muss gut gepflegt werden. Da sie von Schafen stammt, verbraucht die Produktion von Merinowolle viel Wasser.
5. Hanf
Ein Material, das gerade ein Comeback in der Bergbekleidung erlebt, ist Hanf. Obwohl Nutzhanf schon vor tausenden Jahren kultiviert wurde, ist er wegen der Assoziationen mit Cannabis in den vergangenen Jahrzehnten aus der Textilbranche verschwunden. Heute verwenden wieder mehr Outdoor-Marken Hanf, da er als natürliches Material mit der Reißfestigkeit und Strapazierfähigkeit von Kunstfasern mithalten kann.
Vorteile: Hanf ist strapazierfähig, gleichzeitig aber auch atmungsaktiv. Der Anbau der Nutzpflanze gelingt außerdem fast überall und braucht wenig Wasser und so gut wie keine Pestizide.
Nachteile: Hanf ist nicht so weich wie Wolle. Da er gerade erst wieder in der Textilbranche Fuß fasst, sind Kleidungsstücke aus Hanf noch relativ teuer.
6. Mischgewebe
Die aktuell beste Antwort der Textilbranche auf die Frage „Natur- oder Kunstfaser?“ sind Mischgewebe. In den allermeisten Outdoorkleidungsstücken sind mehrere Materialien verarbeitet, wodurch die guten Eigenschaften der einzelnen Fasern miteinander kombiniert werden. So sorgt zum Beispiel bei einer Midlayer-Jacke Wolle für ein trockenes Gefühl auf der Haut, während Polyesterfasern Feuchtigkeit schnell abtransportieren und die Jacke widerstandsfähiger und damit länger haltbar machen.
Was ist besser: Natur- oder Kunstfaser?
Sowohl Natur- als auch Kunstmaterialien haben Vorzüge. Woraus deine Outdoorbekleidung bestehen sollte, hängt stark vom Einsatzgebiet ab: Für eine mehrtägige Hüttentour, auf der es auch mal frisch werden kann, eignen sich Kleidungsstücke aus Merinowolle sehr gut, da sie kaum stinken und dich warmhalten. Für die schweißtreibende Gipfeltour im Sommer greifst du besser auf leichte und schnelltrocknende Kunstfasern zurück. Und auf einem Kletterausflug kannst du zum Beispiel T-Shirt und Hose aus widerstandsfähigem Hanf tragen, am besten mit einem Kunstfaser-Anteil, der die Kleidung dehnbar macht.
Ist dir auch der ökologische Fußabdruck deines Kleidungsstücks wichtig, solltest du beim Kauf möglichst genau auf den Herstellungsprozess achten: In der Theorie sind Kleidungsstücke aus Naturmaterialien zwar besser für die Umwelt als Kunstfasern, da sie nachwachsen und biologisch abbaubar sind. Rechnet man aber den Ressourcenverbrauch, die Haltbarkeit und etwa bei Mulesing-Wolle auch das Tierleid während der Herstellung mit ein, schneiden Kunstfasern teilweise sogar besser ab. Auf der sicheren Seite bist du, wenn du zu Kleidung aus biologisch angebautem Hanf, Bio-Baumwolle oder Mulesing-freier Merinowolle (bei der umstrittenen Praxis werden Lämmern ohne Betäubung Hautstücke rund um den After weggeschnitten, um Parasitenbefall zu vermeiden) greifst. Mehr Nachhaltigkeit in deinem Kleiderschrank erreichst du außerdem, indem du Kleidungsstücke möglichst lange trägst, reparierst statt wegwirfst und am Ende ihrer Lebensdauer recycelst.
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