Josef Knubel an der Eiger-Nordwand (3.967 m)
Foto: Christian Imboden, Berge: Beruf, Berufung, Schicksal, Rotten Verlag
Nicht nur Heinrich Harrer zollte dem „König der Viertausender“ Tribut: Josef Knubel durchstieg als erster die Nordostwand des Eigers und gilt als einer der letzten großen Schweizer Bergführer-Pioniere.
Jener Mann, der am Ende seiner Laufbahn über achthundert Viertausender bestiegen haben wird, schreibt sich 1896 erstmals in die Geschichte des Alpinismus ein. Es ist nur eine Randnotiz im Führerbuch seines Vaters Peter, doch sie lässt bereits ein außergewöhnliches Potential erahnen. Josef Knubel ist gerade mal 15 Jahre alt, als ihn Peter Knubel aufs Matterhorn mitnimmt – und es sollte für den Jungen nicht ohne Folge bleiben. Ch. Dupont, der dritte im Bunde, notierte: „Der Junge hielt sich so wacker, dass ich ihn als Träger mitnahm für Monte Rosa, Dom und bei einem Versuch auf das Zinalrothorn.“
Meister der Berge
Anfang Zwanzig führt der St. Niklauser längst eigene Gäste auf die Schweizer Gipfel – mehr als 120, Schweizer wie Briten, sollten es in den folgenden Jahren werden. Und Josef sammelt fleißig Erstbegehungen: 1903 führte er einen Amerikaner in 12 Stunden erstmals über den Teufelsgrat auf das Täschhorn (4.491 m), 1905 überwand er die Südostwand des Weisshorns (4.505 m). Im selben Jahr kommt es zu einem folgenreichen Zusammenschluss. Da Geoffrey Wintrop Youngs Hauptführer während eines Gewitters seine Pflichten vernachlässigte, entließ ihn der Londoner Alpinist und Schriftsteller kurzerhand. Stattdessen engagierte er den jungen Knubel, der seine Aufgabe mehr als überzeugend meisterte. „Nachdem er zu einem Meister in den Bergen geworden war, verwandelte er sich in ein anderes Wesen, eifrig, auf seine Aufgabe konzentriert und fröhlich“, schreibt er in seinen Memoiren („On high hills“) über „Klein Josef“.
Balanceakt mit Pickel
Mit Young setzt Knubel zu großen Erfolgen an. 1911 gelingt ihnen in knapp 16 Stunden die erste vollständige Begehung der heutigen Standardroute über den Brouillardgrat am Mont Blanc. Fünf Tage später überschritt Knubel als erster alle sechs Gipfel des Jorasseskammes in knapp 14 Stunden. Wieder fünf Tage später überwand er ohne Haken den 20 Meter langen, mittlerweile nach ihm benannte Knubel-Riss (heute mit 5c bewertet) an der Ostwand des Grépon. Stundenlang balancierte er dabei mit einem Pickel ausgestattet von Griff zu Griff, hing für einen Augenblick gar über einem 1.200 Meter tiefen Abgrund. Young, den Knubel ebenfalls auf den Gipfel der Aiguille du Grépon brachte, bezeichnete diese Leistung als „beinahe übermenschlich“.
Eiger: Letzte Großtat der Schweizer Pioniere
Ein Jahrzehnt später – in der Epoche der Eroberung der großen Alpen-Nordwände – schlägt eine weitere Sternstunde Josef Knubels. Gemeinsam mit seinem Schüler Alexander Graven aus Zermatt und den Schweizer Gästen Hans Lauper und Alfred Zürcher bewältigte er am 20. August 1932 als erster die Eiger-Nordwand – an einem Tag und ohne künstliche Hilfsmittel. Die heutige „Lauper-Route“ führte über den stark mit Schnee bedeckten, bis zu 55 Grad steilen Ostteil der Wand. Um 1 Uhr 50 brach die Seilschaft vom Hotel auf der Kleinen Scheidegg auf, um 3 Uhr 40 erfolgte der Einstieg in die Nordwand, um 16 Uhr 45 standen die Männer auf dem Gipfel. Für Heinrich Harrer, der die Eiger-Nordwand 1938 bezwang, war das die letzte große Erstbegehung im klassischen Stil, die der Pickel der besten Schweizer Bergführer eröffnet hatte (in: „Die weisse Spinne“).
Wildes Herz und Kunst des Schweigens
Mit Zürcher sollte Knubel über 254 Mal einen Viertausender besteigen. In seinem ganzen Leben hatte die Bergführer-Legende es über achthundert Mal getan – ein wohl einzigartiger alpinistischer Rekord. Knubel wird aber nicht an der schieren Anzahl seiner Berg-Erfolge, sondern auch an ihrer Art und Weise gemessen. Für Zürcher war er ein „Meisterführer seltener Art“, der weder Kompass noch Karte brauchte. G. W. Young schrieb 1952 über seinen mittlerweile in die Jahre gekommenen Bergkameraden, er sei in seinem „Leben der Asketen von allen Zeitwandel schier unberührt geblieben“. Als legendäre Gestalt, die in der alpinen Geschichte wohl Einzigartiges geleistet hat, bliebe ihm „nach wie vor das wilde Herz, der laute Sinn, die Kunst des Schweigens und die ursprüngliche Fröhlichkeit des jungen Berglers eigen.“
Josef Knubel, der in seinem ganzen Leben angeblich nur drei Haken benutzte, starb am 31. Mai 1961 nach einer Magenoperation im Spital von Visp.
Josef Knubel
Geboren: 2. März 1881 in St. Niklaus
Leben: Berg- und Skiführer, „König der Viertaudender“
Erstbesteigungen (Auswahl): Younggrat am Breithorn, Ostwand Zinalrothorn, Brouillardgrat am Mont Blanc, Ostwand der Aiguille du Grépon, Westwand Piz Bernina, Nordostwand des Eigers.
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