Peter Sarbach in den kanadischen Rocky Mountains
Foto: Christian Imboden, Berge: Beruf, Berufung, Schicksal, Rotten Verlag
Im Banff-Nationalpark, mitten in den kanadischen Rocky Mountains, steht der 3.155 m hohe Mount Sarbach. Seinen Namen erhielt er zu Ehren eines Walliser Bergführers aus dem kleinen St. Niklaus, der den kanadischen Alpinismus nachhaltig geprägt hat.
Als Peter Sarbach am 24. Juli 1897 in Glacier in der kanadischen Provinz British Columbia aus dem Zug stieg, musste er sich vorgekommen sein wie ein Stummfilm-Star. Große Menschenmassen hatten sich auf den Bahnsteigen versammelt, um den bärtigen Bergführer aus dem kleinen Bergsteigerdorf St. Niklaus im Wallis und seine Begleiter zu empfangen. Er führte ein Expeditionsteam rund um den britischen Chemiker und Amateur-Fußballer Harold B. Dixon an, mit dem er in seiner Heimat schon mehrere Touren unternommen hatte.
Importierte Bergführer
Noch vor 1890 galten die Kanadischen Rockies als kaum besuchenswert. Die 1885 eingeweihte, 3.000 km lange Canadian Pacific Railway (C.P.R.), die von der Pazifik- zur Atlantikküste führte, brachte in dieser Hinsicht einiges ins Rollen. Die Kanadier begannen eine touristische Infrastruktur zu errichten und ihre Berge alpinistisch zu vermarkten. Allerdings mangelte es stark an erfahrenen Bergleuten. Nachdem 1896 ein heimischer Bergführer tödlich verunglückte, kam die Idee auf, Führer aus Europa zu importieren, um so die Sicherheit im Gebirge zu erhöhen. Die Schweizer hatten damals bereits viele expeditionsfreudige Briten „im Schlepptau“ und punkteten somit mit Englischkenntnissen. Peter Sarbach war der erste einer Vielzahl von Eidgenossen, die nach Übersee geholt wurden.
Nach der von Manchester aus gestarteten Fahrt über den Atlantik trafen Sarbach, Dixon und Co. direkt in einer grandiosen, aber wenig erforschten Berglandschaft ein. Die Mannschaft trainierte zunächst eine Woche lang am 1.327 m hohen Rogers Pass, der 1881 entdeckt wurde und über die bis dahin als unüberwindbar geltenden Selkirk Mountains führte. Eine Dreierseilschaft unter der Führung Peter Sarbachs feierte danach den ersten von mehreren alpinistischen Erfolgen: die Erstbesteigung des 2.697 m hohen Dome. Am 2. August 1897 zog die Mannschaft zu einem kleinen Chalet am rund 60 km nordwestlich von Banff gelegenen Louise-See. Von dort aus bestieg sie den 3.423 m hohen Mount Lefroy und den 3.464 m hohen, vergletscherten Mount Green am Westende des Lake Louise. Letzterer wurde später zu Ehren der britischen Königin in Mount Victoria umbenannt. Für drei Tage bezogen die Abenteurer schließlich am noch mehr an Thoreaus „Walden“ erinnernden oberen Bow Lake Quartier, von wo aus sie auf den Bow-Gletscher und den Mount Aberdeen (3.152 m) gelangten.
Gefährlicher Abstieg
Zum Gipfel des Mount Lefroy startete die 9er-Seilschaft am 3. August 1897 morgens gegen 2 Uhr 40. Sie überquerte zunächst den Lake Louise und stieg über den Gletscher auf. Fünf Stunden später hatte sie den Abbot-Pass erreicht. Das Eis war mit gefrorenem Schnee bedeckt, wodurch man brauchbare Stufen hineinschlagen konnte. Um 11 Uhr erreichten Sarbach und Co. den Gipfel. Insbesondere der Abstieg über die weichen Schneehänge des Mount Lefroy gestaltete sich gefährlich. Doch Peter Sarbach entfaltete dort, einem Eintrag von Harold B. Dixon in seinem Führerbuch zufolge, „grosse Vorsicht und grosse Urteilskraft“. Überhaupt hätte der St. Niklauser Bergführer „während der ganzen Reise (…) unfehlbar gute Heiterkeit und Fertigkeiten gezeigt“. Auch Dixons amerikanischen Freunde schätzten Sarbachs Dienste hoch.
Wie Matterhorn und Dent Blanche
Am 12. August zog Peter Sarbach mit John Norman Collie und G.P. Baker weiter, um den 3.617 m hohen Mount Forbes, den achthöchsten Berg der kanadischen Rocky Mountains, zu erforschen. Collie schrieb über den Berg: „Dieses ist der schönste Felsgipfel, den ich in den Rockies gesehen habe, es ist eine Kombination aus Matterhorn und Dent Blanche“. Auch diese Erstbesteigung gelang. Zu Peter Sarbach notierte Collie: „(…), dass er für uns von grösstem Wert war. Auf den Bergen zeigte er alle Eigenschaften eines Bergführers, die einer in einem neuen Land besitzen muss.“ Grund genug für die britischen Herren, in Anerkennung seiner Verdienste eine ebenfalls gemeinsam bestiegene Bergspitze am obersten Ende des Bow-Tales nach ihrem Bergführer zu benennen: „Mount Sarbach“.
Zwischen 1899 und 1954 sollten sich Dutzende Bergführer aus der Schweiz in Kanada niederlassen. Peter Sarbach darf somit zurecht als wahrer Pionier in Erinnerung gehalten werden.
Peter Sarbach
Geboren: 1844 in St. Niklaus im Wallis
Leben: Bergführer und Kanada-Pionier
Erstbesteigungen (Auswahl): Brunegghorn vom Osten, Vorgipfel des Bishorns, Mount Victoria, Mount Lefroy, Mount Forbes.
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