Skihochtour: Anseilen am Gletscher
Die Sicherheitsexperten Peter Plattner und Walter Würtl verraten wie man sich auf der Skihochtour am Gletscher richtig anseilt.
Abhängig von Gruppengröße, Können, Material und Verhältnissen seilt man sich am Gletscher mitunter unterschiedlich an. Die Entscheidung darüber hängt zum Beispiel davon ab, ob man etwa nur zu zweit unterwegs ist und sich im Zweifel selbstständig aus einer Spalte herausprusiken kann oder in einem Sechserteam ohne nennenswerte Beherrschung der Rettungstechniken. Ehe wir uns die Seiltechniken im Detail ansehen, stellen wir euch erst einmal die Grundlage zum korrekten Anseilen am Gletscher vor.
Anseiltechnik
In Österreich und Deutschland wird am Gletscher traditionellerweise mittels Karabiner und Achterknoten angeseilt. Hierfür werden selbsttätige Verschlusskarabiner (Safe-Lock- oder Safer-Karabiner) empfohlen. Die Verwendung eines „normalen“ Schraubkarabiners ist akzeptabel – sofern er natürlich zugeschraubt ist.
In der Schweiz hingegen ist das direkte Anseilen in den Sitzgurt mittels eines gesteckten Sackstichs üblich – auch „Führerknoten“ genannt. Eine tolle Sache, die auch in anderen Ländern immer beliebter wird, spart man doch Material und ist direkt mit dem Seil verbunden. Einzig bei der Rettungstechnik muss man dann kleine Anpassungen vornehmen, weil man sich beispielsweise nicht von einem gespannten Seil aushängen kann.
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Ebenso aus der Schweiz stammt die sehr empfehlenswerte Idee eine lange Bandschlinge (oder Reepschnur) mittels Ankerstich am Hüftgurt zu montieren. Diese wird dann über der Schulter getragen und mit einem Karabiner am Rucksack befestigt: Damit kann man bei einem Spaltensturz sofort den Rucksack „abwerfen“, der sonst nach hinten zieht und die Bauchmuskeln strapaziert. Auch wenn man unangeseilt am Gletscher unterwegs ist und in eine Spalte stürzt, kann in diese Schlinge „von oben“ sofort ein Seil eingehängt werden – schon ist ein weiteres Abrutschen verhindert und man kann am Seil herausgezogen werden. Für dieses System hat sich der Name Abwurf- oder Schweizer-Schlinge eingebürgert.
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Abstände
Die Abstände in einer Gletscherseilschaft betragen in der Regel mindestens:
- 14-18 m bei einer Zweierseilschaft,
- 10-12 m bei einer Dreierseilschaft,
- 8-10 m bei Seilschaften mit vier oder mehr Personen.
Aufgrund der drohenden Mitreißgefahr ist eine Zweierseilschaft am Ungünstigsten. Mit Seilschaften von mehr als fünf Personen sind wiederum nur noch recht einfache Abfahrten machbar. Muss man komplexe Anstiege (viele Kurven) in einer größeren Seilschaft bewältigen, sind kürzere Abstände meist recht hilfreich – bei Abfahrten zu zweit oder zu dritt auf Gletschern mit sehr großen Spalten machen andererseits wieder größere Abstände Sinn.
Bremsknoten
Bei Seilschaften aus zwei oder drei Personen sind auch Bremsknoten eine gute Idee: Jeweils von der Mitte ausgehend werden im Abstand von circa 2 Metern drei Sackstiche in das Seil zwischen den Tourengehern gemacht. Stürzt eine Person in eine Spalte und das gespannte Seil schneidet sich in den Spaltenrand ein, können Bremsknoten den Sturz stoppen und ein Halten erleichtern. Bei manchen Rettungstechniken können diese Bremsknoten zwar etwas lästig sein, ein richtiges Problem stellen sie allerdings nicht dar.
Restseil
Je nach Gruppengröße und Seillänge bleibt unter Umständen ein Seilrest übrig. Dieses Restseil wird normalerweise zwischen Seilschafts-Erstem und -Letztem aufgeteilt und im Rucksack verstaut. Beherrscht nur einer der beiden eine Rettungstechnik, verbleibt das Restseil komplett bei dieser einen Person.
Angeseilt im Aufstieg
Außer bei verzwickten Bruchzonen ist der Aufstieg am Seil mit Skiern recht gut machbar, wenn folgende Punkte beachtet werden:
- Das Seil immer so „gespannt“ halten, dass es allenfalls leicht den Schnee berührt. Das verlangt ganz einfach Disziplin und das Einhalten der Abstände!
- Scharfe Kurven und Spitzkehren auf ein Minimum reduzieren, um Wartezeiten zu verkürzen.
- Der Seilschafts-Erste gibt das Tempo vor, wobei sich dieses am Konditionsschwächsten orientieren muss.
- Gleichmäßige Steigungen fördern ein kontinuierliches Tempo. Bei einer Verflachung darf nicht vergessen werden, dass sich die hinteren Mitglieder der Seilschaft immer noch in steilerem Gelände befinden könnten.
Angeseilt in der Abfahrt
Die Abfahrt am Seil mag wirklich niemand, mit etwas Training ist sie aber durchaus machbar. Allerdings nur für solide Skifahrer! Ein schlechter Skifahrer kann bei einer solchen Aktion nämlich schnell zur Nervenbelastung für alle Beteiligten werden.
So funktioniert das Abfahren am Seil:
- Die Abstände eventuell etwas vergrößern und gleichmäßig weite Radien fahren.
- Die Geschwindigkeit konstant langsam halten, Bögen idealerweise mittels Stemmschwung nehmen, dazwischen Schrägfahrten anstreben.
- Die Schrägfahrten bewusst flach anlegen – die Spur wird nämlich immer schneller.
- Auch bei der Abfahrt sollte das Seil möglichst gespannt bleiben – das heißt: Konsequent Abstände einhalten.
- Nur der Seilschafts-Erste hält die Stöcke in der Hand, alle anderen verstauen sie sicher am Rucksack und halten das Seil zum Vordermann in den Händen, um den Abstand regulieren zu können. Achtung: Seil nicht um die Hand/Finger wickeln!
- Der schlechteste Skifahrer fährt entweder voraus (bei offensichtlichem Routenverlauf) oder an letzter Position, wo er die „beste“ Spur hat.
Das Abfahren am Seil unbedingt mit seiner Gruppe üben – und zwar bevor es „ernst“ wird. Das kann Spaß machen – oder Freundschaften beenden.