Freeriden am Krippenstein: Schönster Staub
Foto: Lukas Pilz
Keine Hektik, keine Liftschlangen: Auf dem Krippenstein finden Freerider feinen Pulver, verspieltes Gelände und eine entspannte Atmosphäre weit abseits der Pistenmarkierungen.
Robert Maruna für das Bergweltenmagazin Dezember/Jänner 2020/21
Zwei Gondelfahrten. Bei der Talstation Obertraun einsteigen, bei der Mittelstation Schönbergalm umsteigen. Dann steht man auf über 2.000 Meter Höhe am Gipfel des Krippensteins. Lässt man nun den Blick schweifen, erkennt man im Gelände unzählige natürliche Absprünge – und perfekte Landungen. Dort sieht man, wonach jeder Freerider sucht: viele Möglichkeiten, eine persönliche Linie ins Tal zu ziehen.
Man könnte sagen, der Krippenstein steht im Schatten seines großen Bruders, des Hohen Dachsteins (2.995 m). Der befindet sich an der Südseite des Dachsteinmassivs und ist ein Anziehungspunkt für Kletterer, Bergsteiger und Freerider. Aber kaum einer von ihnen blickt über das Hochplateau in Richtung Norden, wo der wesentlich kleinere, nur 2.108 Meter hohe Krippenstein liegt. Dabei war der früher einmal ein ganz Großer.
Begonnen hat alles um die Jahrtausendwende mit Red Bull White Rush, einem der ersten Freeride-Wettbewerbe Europas. Die weltbesten Athleten gingen damals an den Start. Über Nacht wollte jeder Freeskier zum Krippenstein. Von nah und fern kamen neugierige Brettsportler nach Obertraun am Hallstätter See, um sich von den Gerüchten zu überzeugen, da oben sei mehr zu holen als nur ein paar Schneeflocken.
Wenn man sich also am Krippenstein zwischen all den Dolinen und den ungezählten Geländeflanken zurechtfinden möchte, wendet man sich am besten an den Menschen, der das Rennen seinerzeit erdacht und ins Leben gerufen hat: den Lokalmatador Heli Putz.
Der Gründer des Freeridens
Der heute 56-jährige Oberösterreicher aus Bad Goisern ist ein Tausendsassa: Bergführer, Alpinist, Extremskifahrer, Klettersteig-Erbauer und Base-Jumper. In jungen Jahren bestieg Heli Putz jeden Gipfel der Umgebung, legte Skiabfahrten am Dachsteingebirge hin, die davor keiner für möglich gehalten hätte. Gemeinsam mit dem legendären Bergführer und ehemaligen Hüttenwart der Krippenstein-Lodge, Toni Rosifka, errichtete er in den 90ern die ersten modernen Klettersteige Österreichs.
Aber vor allem hatte er visionäre Ideen für den damals noch jungen Sport des Freeskiing. So entsprangen die Red Bull Play Streets – der einmalige Slopestyle-Contest in den Straßen von Bad Gastein – und der weltweit erste Freestyle Wettbewerb im Backcountry Helis Kopf. Und das lange bevor es die ersten Twin-Tips, breite Powder-Latten oder überhaupt die Bezeichnung Freeriden gab. Damals ging man einfach Tiefschnee fahren. Und das macht der Heli auch heute noch. Am liebsten am Krippenstein.
Wenn man also – fernab des Trubels an der Südseite – in den Genuss hochalpinen Tiefschnees kommen will, steigt man in Obertraun in die große Glasgondel und fährt mit einmal Umsteigen nach oben. Während der Auffahrt lässt man nicht nur den langen Schatten, der morgens über der Talstation hängt, hinter sich, sondern kann mögliche Linien bereits vom Panoramafenster aus begutachten: Da wären die steilen Waldschneisen und einladenden Pillowdrops im unteren Bereich der Abfahrtsroute „Angeralm“. Aber Vorsicht, das Gelände ist von Dolinen durchzogen! Die mit Schnee bedeckten Karstlöcher können Ausmaße eines Autobusses erreichen und stellen gerade im Frühwinter tückische Fallen dar. Im Zweifelsfall bucht man lieber einen ortskundigen Guide, also Heli.
Oberhalb des lichten Tannenwaldes öffnet sich das Terrain. Dem geschulten Auge fällt auf: Das kupierte Gelände unterhalb des Däumelkogels ist so gespickt mit natürlichen Kickerspots und freistehenden Windlippen, dass man sich kaum entscheiden kann, wo man zuerst seine Spur zieht.
Nicht viel anders verhält es sich mit der Variante „Imisl“, die nordwestlich des Hohen Krippensteins hinab zu den Holzhütten am Krippenbrunn führt. Dort findet man selbst am späten Nachmittag noch ausreichend unverspurte Hänge zwischen den Latschenhügeln.
Gleichgültig, für welche Variante man sich entscheidet, eines haben alle gemeinsam: 1.500 Höhenmeter Spielraum abseits präparierter Pisten, beschilderter Routen und hektischer Stimmung. „Die kann ruhig auf der anderen Seite des Berges bleiben“, sagt der Heli.
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