Splitboard oder Tourenski? Im Zillertal geht beides
Foto: Michael Müller
Hier treffen zwei Kulturen aufeinander: Splitboard oder Tourenski? Oder beides? Oben am Berg zählt ohnehin nur der gemeinsame Spirit. Unterwegs im Zillertal mit Profi-Boarderin Bibi Tölderer-Pekarek und Bergführer Matthias Knaus.
Thomas Rottenberg für das Bergwelten-Magazin Winter 2015/16
Der Kleine Gilfert in den Tuxer Alpen ist spätestens seit 2009 ein ganz besonderer Berg. Herbert Kirchmair, Justizwachebeamter in Weerberg, hatte die Idee, mit den Häftlingen der Anstaltsschlosserei ein Gipfelkreuz zu schaffen, das als Zeichen der Völkerverständigung und der Versöhnung unter anderem die Zeichen der Weltreligionen trägt.
Ein schönes Friedenssymbol. Auch deshalb kann es wohl keinen besseren Ort geben, um bei einer winterlichen Tour auf den 2.388 Meter hohen Gipfel über das Verbindende und das Trennende, die emotionalen und sachlichen Unterschiede zwischen Splitboarden und Tourenskifahren zu besprechen.
Bibi Tölderer-Pekarek und Matthias Knaus sind zwei ideale Vertreter ihres Fachs: sie Physiotherapeutin und Profi-Snowboarderin, eine Hammer-Fahrerin, die aber auch auf Skiern gute Figur macht; er Bergführer, der Tirol und seine Täler in- und auswendig kennt, ein Spezialist für alles, was steil und spannend ist, der auch Gruppen von Snowboardern ins Gelände begleitet – allerdings auf Skiern, „weil ich damit im Ernstfall mobiler bin“.
Bibi und Matthias verstehen sich auf Anhieb. Und so ist es gar nicht leicht, über das Trennende der beiden Sportgeräte zu sprechen. Aber die Frage „Snowboard oder Ski?“ hat dennoch in manchen Kreisen bis heute etwas Philosophisches, beinahe Religiöses. So wie die Frage nach dem einzig wahren Fußballklub oder der richtigen Automarke.
Breite Bretter in schmaler Spur
Ähnlich, wie das vor etwa 30 Jahren auf der Piste war, als Snowboarder schief angeschaut und die „New Kids on the Berg“ teilweise sogar am Benützen von Schleppliften gehindert wurden, gab es vor einigen Jahren auch Vorbehalte gegenüber den Splitboardfahrern: Sie würden mit ihren breiten Brettern die schmale Aufstiegsspur der Tourenskigeher kaputt machen.
Und: Ein einziger, weit gezogener Snowboard-Schwung würde einen Hang, auf dem zehn kurzschwingend-zopferlflechtende Skifahrer quasi „First Lines“ setzen könnten, ruinieren. Dunkel kann sich Matthias Knaus an solche Aussagen erinnern: „Ein Salzburger Bergschreiber, irgendwann in den Neunziger Jahren. Vermutlich lacht der heute selber drüber.“
Aber die Zeit – insbesondere auch die Veränderung des Fahrstils und des Materials – hat selbst diese Argumente inzwischen vom Hüttenstammtisch gewischt. Theoretisch stimmte das schon: Wenn ein Splitboarder sein Brett für den Aufstieg auseinandernahm, um wie der Tourenskigeher mit Fellen unter den Brettern den Berg hinaufzugehen, dann waren diese Bretter breiter, passten nicht so ganz in die schmalen Spuren der klassischen Tourengeher.
Heute sind aber auch sehr viele Tourenskigeher wegen des besseren Auftriebs mit breiten Powder-Brettern unterwegs. Bibi Tölderer-Pekarek: „Im gesplitteten Aufstiegsmodus ist ein Splitboard kaum breiter als solche fetten Ski.“
Und: Zerstören die weiten Schwünge der Snowboarder unberührte Tiefschneehänge? „Freerider auf Skiern fahren heute genauso weite Schwünge“, sagt Bibi. „Außerdem gehören die Berge allen, die raufgehen: Es gibt kein Recht auf unverspurte Faces. Für niemanden.“
Vor dem Aufkommen ausgereifter Splitboards vor ein paar Jahren gab es ja solche Begegnungen fast nicht. Denn Snowboarder hatten es im Gelände wirklich schwer.
Immer öfter auch mit Splitboard
Im Wortsinn: Sie stapften mit Schneeschuhen oder fix befellten Alu-Profilen, sogenannten Climbs, bergan. Das Board hing schwer und klobig am Rucksack: ein starrer Windfang. „Deshalb gingen Boarder früher kaum echte Touren“, sagt Bibi.
Jetzt trifft sie immer öfter auch auf Tourengeher, die „sehr interessiert auf mein Splitboard schauen und dann darüber reden, einmal selber eine Tour mit so einem Board zu probieren.“ Von Konflikten also keine Spur. Haben Boarder fürs Gelände eine zu laxe Einstellung und sind dadurch gefährlicher unterwegs als Tourengeher?
Matthias: „Egal welches Sportgerät: Wer ohne LVS und Notfallausrüstung ins freie Gelände aufbricht, handelt grob fahrlässig. Da gibt es sicher keinen Unterschied.“ Bleibt die persönliche Vorliebe, die sich weniger beim Aufstieg als bei der Abfahrt ins Tal zeigt.
Matthias: „Beim Traversieren auf vereistem Untergrund tut man sich mit Skiern und harten Schuhen leichter. Außerdem kann ich schneller wieder aufsteigen, wenn jemand Hilfe braucht.“
Bei schwerem Schnee leichter
Bibi: „Mit dem Board ist es eine ganz andere Art zu stehen, zu fahren – und zu fliegen. Und man tut sich mit manchen Schneearten – zum Beispiel bei schwerem Schnee – leichter, wo Ski zum Verschneiden neigen. Außerdem bin ich als Snowboarderin immer richtig angezogen fürs Après-Ski“, fügt sie augenzwinkernd hinzu.
„Auch wenn das eigentlich so gar nicht meins ist.“ Gemeinsames Resümee von Bibi und Matthias, während sie vor der Abfahrt bei herrlichem Sonnenschein die Aussicht vom Kleinen Gilfert, dem Berg der Versöhnung, genießen: Was heute zählt, ist der Respekt.
Vor dem Berg, vor der Natur, vor anderen Menschen. Wenn der Respekt da ist, funktioniert alles andere auch. Nicht nur zwischen Boardern und Skifahrern.
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