Gleitschirm-Abenteuer vor der Haustür: Rundflug +
Christian Holzer hat das Abenteuer vor der Haustür gesucht und in Form einer beeindruckenden Runde mit 220 km und 8.000 Höhenmeter gefunden. Absolviert hat er die Distanz zu Fuß, auf dem Rad und mit dem Gleitschirm. Das Projekt hat er kurzerhand Rundflug + getauft.
Für eine Tour ist man schnell mal bereit, mit dem Auto stundenlang ins wilde Xeis oder zu einer der großen Nordwände nach Bondo in die Schweiz zu fahren. Wenn das große Abenteuer in den Bergen winkt, werden weder Kosten noch Mühen gescheut. Wie wäre es aber, das Abenteuer direkt vor der Haustüre beginnen zu lassen?
Diese Frage stellen sich heutzutage Corona- und Klimakrisen bedingt sicherlich viele. Auch ich habe begonnen, mich mit meinen Hobbys kritisch auseinanderzusetzen. Abgesehen davon ist für mich der Gedanke, alles „by fair means“ – also aus eigener Kraft – zu meistern, eine reizvolle Herausforderung. So entstand auch die Idee meines Projekts Rundflug +. Also wartete ich auf ein Wetterfenster und starte die Tour Mitte Juli.
1. Tag: Zu Hause - Molln - Ramsau - Hoher Nock - Windischgarsten - Spital am Pyhrn
60 km Bike + 40 km Hike & Fly
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Die erste Etappe meines Abenteuers legte ich mit dem Rad zurück. Über den Kremstalradweg ging es nach Molln, wo ich mein Bike bei einem Freund deponierte. Weiter ging es zu Fuß nach Ramsau – ein wirklich langer Hatscher! Dort bestieg ich über die Feichtenauer Alm als ersten Gipfel meiner Reise den Hohen Nock. Nach einer kurzen Pause folgte der gemütliche Teil des Tages: ein Flug mit dem Gleitschirm nach Windischgarsten. Wobei starker Wind den Flug zu einem turbulenten Ritt machte, auf dem nie wirklich Langeweile aufkam. Sicher in Windischgarsten gelandet, führte mich meine letzte Tagesetappe zu Fuß nach Spital am Pyhrn. Am Weg dorthin organisierte ich mir ein Zimmer im JUFA-Gästehaus.
Abends musste ich feststellen, dass Biken in Kombination mit einem schweren Rucksack keine gute Idee ist – ich konnte kaum sitzen. Also ging es nach dem Essen direkt ins Bett, wo ich noch über den inneren Schweinehund nachdachte. Ohne Kollegen, Mitstreiter oder sonstige externe Motivation (wie zum Beispiel ein Rennen) tauchten am ersten Tag in meinem Kopf immer wieder Fragen wie „Warum soll ich heute noch weitergehen?“ auf.
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2. Tag: Spital am Pyhrn - Großer Pyhrgas - Wurzer Alm - Linzer Haus
25 km, 2.400 hm Hike & Fly
Körperlich leer schleppte ich mich zum feinen Frühstücksbüffet des JUFA und kämpfte immer noch mit meinem inneren Schweinehund. Trotzdem ging ich nach dem Auschecken einfach los Richtung Großen Pyhrgas, verpasste aber gleich mal die Abzweigung. Zum Glück kam ich rasch drauf und so hielt sich der Umweg in Grenzen. Über die Hofalm erreichte ich schließlich den Gipfel. Es war fast windstill und ich bereitete mich auf den Abflug Richtung Bosrucktunnel vor, dort gibt es gute Landewiesen.
Nach einem entspannten Flug mit sanfter Landung ging es glücklicherweise größtenteils im Schatten entlang des Wasserlehrpfads zur Wurzeralm. Dort angekommen, füllte ich meine Wasserreserven auf und machte mich in der stechenden Mittagssonne über die Skipiste auf den Weg zum Linzer Haus, wo ich mir gleich ein rettendes Erfrischungsgetränk und eine doppelte Kaspressknödelsuppe gönnte. Obwohl es noch nicht sonderlich spät war, entschied ich, mich den restlichen Tag am Linzer Haus zu erholen und den besten Kaiserschmarrn Oberösterreichs zu genießen.
3. Tag: Linzer Haus - Toter Mann - Hinterstoder - Kleiner Priel - Mitterstoder - Molln
35 km, 3.000 hm Hike & Fly + 20 km Bike
Die Erholungsstunden hatten sich bezahlt gemacht und so startete ich nach dem Frühstück frisch und munter in den dritten Tag. Die morgendlichen Sonnenstrahlen, die die Frühnebelfelder am Teichelboden durchbrachen, sorgten für eine großartige Stimmung. Über die Rote Wand ging es zum Toten Mann. Das weiche Gras bietet dort einen angenehmen Startplatz. In der sanften Frühthermik glitt ich an dem Gipfel der Drei Türme und der Zellerhütte vorbei Richtung Hinterstoder. Als Landeplatz wählte ich eine frisch gemähte Wiese zwischen Vorder- und Mitterstoder. Dann hieß es wieder wandern – über den Mountainbikeweg nach Hinterstoder. Jetzt musste ich mich entscheiden, wie die restliche Route verlaufen soll: entweder über das Prielschutzhaus nach Grünau und von dort heim oder auf den Kleinen Priel runterfliegen und zurück nach Molln.
Ich entschied mich für Zweiteres. Eine saubere Runde und zwei weitere Flüge waren zu verlockend.
So ging es bei hohen Temperaturen und intensivem Sonnenschein auf den Kleinen Priel. Besonders der Mittelteil der Tour ist – vor allem in der Mittagssonne – mühsam. Nach zwei Stunden stand ich schließlich am Gipfel. Mit dem Wissen, dass die meisten Höhenmeter aufwärts geschafft waren, ging es wieder in die Luft. Den Versuch, Richtung Steyrling mit meinem Hike & Fly Schirm zu kommen, machte rasch der Talwind zunichte. Also landete ich außerhalb von Mitterstoder und wanderte flussabwärts den schönen Flötzersteig zur Steyrbrücke.
Weiter ging es mit meinem Bike, das mir ein Flugkammerad gebracht hatte, zurück nach Molln. Einmal Support in Anspruch zu nehmen, ging für mich in Ordnung. Ich war schon sehr dankbar, dass ich mir 20 Kilometer Fußmarsch sparen konnte und den schönen Steyrradweg nach Molln nehmen durfte. Ich übernachtete im Gasthaus Klausner, wo ich mich bei herrlichem Essen von Strapazen des Tages erholte.
4. Tag: Molln - Schoberstein - Molln - Zu Hause
5 km, 1000 hm Hike & Fly + 65 km Bike
Bereits am Vorabend kamen mir Fragen in den Sinn wie: „War das jetzt die Mühen wert?“, „Habe ich mir das eigentlich so vorgestellt?“, „Was hätte ich anders machen können?“ oder „Wie ordne ich das sportlich ein?“. Gute Piloten absolvieren diese Distanz an einem Tag ohne eine Zwischenlandung. Gute Ultraläufer oder Biker schaffen das auch.
Ich entschied, mich nicht mit anderen zu vergleichen. Das würde nur das Erlebte und Geleistete schmälern. Und so startete ich in der Früh guter Dinge Richtung Schoberstein, genoss auf der Schobersteinhütte einen Kaffe in der Morgensonne und machte mich danach auf den Weg zum Gipfelkreuz. Beim Startplatz unterhalb des Gipfels traf ich einen Bergrettungskameraden und erzählte ihm kurz, was ich gerade so gemacht hatte. Wir starteten hintereinander und landen fast gleichzeitig in Molln. Sein Angebot, mich mitzunehmen, musste ich schmunzelnd ablehnen und setzte mich ein letztes Mal auf meinen Drahtesel. Gegen den Talwind dafür flach ging es heimwärts. Nette Unterstützung bekam ich dabei von überholenden Rennradlern, die mir motivierende Worte schenkten und mich danach liebevoll stehen ließen. Am frühen Nachmittag kam ich schließlich daheim an. Meine Familie war baden und keiner hatte eine Ahnung, was der verschwitzte Typ die letzten Tage gemacht hatte. Mit mir zufrieden verräumte ich mein Klumpert und ging mich kultivieren.
Resümee: ein kleines Abenteuer von der Haustüre beginnend
220 km und ca. 8.000 hm in 4 Tagen
Das alleine Unterwegs-Sein trainiert einen beharrlich zu bleiben, auch wenn die Beine schwer werden und der Kopf einen mit negativen Gedanken bremsen will. Geteilte Freude ist aber doppelte Freude und das gilt auch für solche Erlebnisse.
Zum Wie: Ja, man kann es puristischer machen und ja, man könnte dies und das ändern. Aber es steht jedem frei, sein Abenteuer vor der Haustüre nach seinen Vorstellungen zu gestalten.
Danke an Dynafit, Airdesign, Aplinpur und Flugschule Ternberg.