Das Leben ist zu kurz für irgendwann!
Eine Familie, ein Lastwagen, ein Abenteuer. Ehrlich erzählen Leander Nardin (37), Maria Zehentner (49) und Lennox (10) aus Salzburg, wie es sich anfühlt, aus der Komfortzone auszubrechen und eine Weltreise im Camper zu wagen. Bereits die Vorbereitung entpuppt sich als Achterbahn der Gefühle.
Bis vor zehn Jahren wäre uns nicht im Traum eingefallen, unser sesshaftes Leben gegen ein Nomadendasein einzutauschen. Warum auch? Wir hatten gute Jobs, wohnten am Land, unser Sohn wuchs und gedieh! Es gab nichts zu meckern.
Doch Hand aufs Herz, richtig glücklich waren wir nicht. Wir hingen in Routinen fest. Je mehr wir uns abstrampelten, desto schneller bewegte sich das Hamsterrad. Wir lebten nicht, wir funktionierten. Der Gedanke einer Veränderung kam auf, gefiel uns immer besser und verfestigte sich in unseren Köpfen.
In der Folge verschlangen wir alles, was über Langzeitreisen in die Finger zu kriegen war. Dadurch häuften wir ein kleines Basiswissen an, das uns half, erste Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise die Wahl des Reisegefährtes. Wichtig dabei war eine sorgfältig recherchierten Pro-und-Kontra-Liste. Die Wahl fiel auf einen vierzig Jahre alten Mercedes-Lastwagen. So geschah es, dass im Dezember 2014 ein militärgrüner Rundhauber zu uns stieß. Ein Auto mit Charakter, wie wir meinen.
Zwar schauten wir vor dem Kauf dem Gaul ins Maul, was aber nicht verhinderte, dass wir sprichwörtlich die Katze im Sack erstanden, wie sich Wochen später bei ersten Umbauarbeiten herausstellte. Komplett verrostet – Ausbessern spielte es da nicht mehr. Neuaufbau oder Wegwerfen waren die Möglichkeiten. Uns packte der Ehrgeiz und wir entschieden uns für den Neuaufbau. Ein kräftezehrender Wettkampf zwischen Traumverwirklichung und Realität begann.
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Welcher Aufbau, welche Materialien, welche Isolierung? Jede Schraube und jeder Handgriff mussten recherchiert werden, so wenig Ahnung hatten wir von der Materie. War das Abenteuer zum Scheitern verurteilt, bevor es begonnen hatte?
Die Umbauphase brachte uns öfter einem Beziehungsaus näher als der Verwirklichung unseres Traumes. Das Budget war aufgebraucht und wir glichen einem nervlichen Wrack. Aufgeben stand trotzdem nie im Raum.
Zwei Jahre später schließlich kehrten wir nach vielen Tränen jedem und allem den Rücken. Die Devise lautete: nach vorne blicken. Beklemmend fühlte es sich trotzdem an.
Loslassen und losfahren
Es war Winter. So menschenleer hatten wir die Küstenregionen der südlichen Adria noch nie erlebt. Die ersten Wochen im neuen zu Hause fühlten sich komisch an. Kein Plan, keine Routine, kein Platz, wir waren leicht verloren. Es waren viel Redearbeit, Diskussionen und Einfühlungsvermögen eines jeden von uns notwendig. Mit der Zeit gelang es uns, die neue Herausforderung anzunehmen, mit dem positiven Effekt, dass das Reisen anfing, Spaß zu machen. Wir lernten das Leben einfach zu gestalten und den Fokus auf Wesentliches zu lenken, um Raum für Neues zu schaffen.
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Es gab gute und schlechte Tage. Worauf wir allerdings immer zählen konnten, war die Hilfsbereitschaft der Menschen unterwegs. Ob ein gebrochener Arm oder ein Getriebeschaden, wir wurden nie im Regen stehen gelassen.
Die Überquerung des Kaspischen Meers war die Eingangspforte zu Zentralasien. Auf Marco Polos Spuren zu reisen klang aufregend. Die „Räuberländer“, wie meine Schwägerin sie nannte, entpuppten sich als absolutes Highlight. Wir waren fasziniert vom Respekt und der Wertschätzung, die die Menschen dort für ihre Familien und die Natur aufbrachten. Sie strahlten Zufriedenheit aus.
Nicht nur die Einwohner, auch die Landschaft beeindruckte uns. Wer die imposante Gebirgswelt Tadschikistans kennt, weiß, wovon ich spreche. Wir fühlten uns klein und hilflos, doch zugleich mächtig und stark. Schwer in Worte zu fassen.
Dass die Russen grimmig sind, können wir bestätigen. Doch eine harte Schale wartet darauf, geknackt zu werden, und wenn dies gelingt, steht einer langen Freundschaft nichts im Weg.
Im Land der aufgehenden Sonne entdeckte Lennox seine Vorliebe für Sushi, Gimbap und Udong. Wir waren stolz auf ihn. Er war großteils unkompliziert und meisterte seine persönlichen Herausforderungen bravourös.
Nur eine Handvoll Camper wagten sich bislang mit dem eigenen Fahrzeug auf Borneo und die indonesischen Inseln. Wir trafen hohe Bergketten und endloses Nadelgehölz an, das später tropischem Urwald und Sandküsten wich. Die Herzlichkeit der Menschen uns gegenüber riss auch in den Tropen nicht ab. Dafür stellten enge, überfüllte Straßen mit tiefhängenden Elektrizitätskabeln neue Herausforderung dar. Störend können auch der enorme Lärmpegel und die fehlende Privatsphäre im Alltag Indonesiens sein. Dafür waren die schönsten Strände unser Wohnzimmer. Das Paradies konnte kaum atemberaubender sein.
Die Kehrseite der Münze
Allerdings lernten wir, dass jede Münze eine Kehrseite hat, die oft weniger bezaubernd funkelt. Das Leben auf der Straße hatte uns verändert. Wir begannen Dinge zu hinterfragen und Zusammenhänge zu verstehen. Was schmerzhaft war.
Bali war Schauplatz der Reisevorbereitungen für Australien. Allein die Historie der Verschiffung wäre seitenfüllend. Über ein Jahr bereisten wir den roten Kontinent, der in jedem Fall speziell ist. Heutige Australier sind ein bunter Mix aus Europäern, die vor langer Zeit die Ureinwohner erfolgreich vertrieben haben. Rassismus gehört ebenso zu den heutigen Problemen Australiens, wie die Austrocknung und Ausbeutung des Landes. Doch hat mit diesen Problemen nicht jeder Kontinent zu kämpfen?
Englisch ist nicht gleich Englisch. Unser nächstes Ziel war Amerika – aus dem australischen Buddy wurde der amerikanische Dude.
Kurz vor Ablauf der Australienvisa organisierten wir die längste und teuerste Verschiffung. Von Melbourne nach Los Angeles. Zugegeben, wir reisten mit klassischen Vorurteilen in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Fast Food, Super Size, ein skurriler Präsident. Wir waren gespannt.
Wider Erwarten meinte es Amerika gut mit uns. Wir lernten fantastische Menschen kennen und verbrachten gemeinsam eine großartige Zeit. Bis Corona kam. Drei Visaverlängerungen später waren wir gezwungen, das Land zu verlassen. Die Grenzen zu Kanada und Mexiko waren Pandemie bedingt geschlossen. Nur ein Weg schien möglich zu sein, die Verschiffung zurück nach Europa.
Und plötzlich, 4,5 Jahre und 100.000 Kilometer später, hatten wir die Welt umrundet und konnten kaum fassen, was geschehen war.
War dies das Ende? Wir wussten es nicht!
In den nächsten Wochen werden uns Leander, Maria und Lennox (Akela) auf bergwelten.com von den einzelnen Etappen ihres Weltreise-Abenteuers im Truck erzählen – bleibt also dran!