Im Reich der Felsen: Wandern und Klettern in Paklenica
Foto: Simon Schöpf
von Simon Schöpf
„Urlaub“ und „Kroatien“ wird allzu oft mit Strandliegen und Sonnenbrand verbunden. Unser Autor beweist: Weit gefehlt! Willkommen im Kletter- und Wanderparadies Paklenica, dem etwas anderen Kroatien.
„Paklenica“, bedeutet übersetzt so viel wie „kleine Hölle“. Eigentlich bemerkenswert unpassend, denn klein ist der Nationalpark mit 96 Quadratkilometern erstens schon mal nicht und mit seiner wilden Schönheit für Naturliebhaber mehr Himmel als Hölle. Aber egal, wir lassen uns von der Namensforschung nicht abhalten und gehen beflügelt auf Entdeckungsreise, vom Meer bis hinauf auf 1.700 Meter.
Der Paklenica Nationalpark liegt im südlichen Teil des Velebit-Gebirges in Kroatien und besteht bereits seit 1949. Schon am Eingang des Nationalparks wird klar, warum sich hier das größte, bekannteste und zugleich wohl auch schönste kroatische Klettergebiet befindet: Die aschgrauen Wände neigen sich einem fast schon bedrohlich entgegen, eine Schlucht wie aus dem Bilderbuch. Man ist sogar geneigt, einen Vergleich zur Verdon-Schlucht in Frankreich zu ziehen, und das ist wohl das größte Kompliment, das man einer Schlucht so machen kann.
Kletter-Mekka ...
Auch die Fels-Vielfalt ist unübertroffen: Im Nationalpark findet man von der kompakten Platte über den Sinter-Überhang bis hin zum Wasserrillen-Wunderland so ziemlich jede Spielform, die Kalkgestein hergibt. Das Kletter-Potential ist schier unendlich, Klassiker wie The Show Must Go On (6c, 280m), Domzalski (6a, 120m) oder Velebitaški (6a+. 350m) sind weit über die Landesgrenzen bekannt. Doch wer in Paklenica klettern will, der sollte eines mit im Gepäck haben: genügend Hornhaut! Der Kalk ist hier nämlich von phänomenaler Rauheit, die Finger werden schreien. Wer in die großen Wände steigt wird bald merken: Auch 5c’s können verdammt anspruchsvoll sein! Insgesamt gibt es in Paklenica über 400 Kletterrouten vom kurzen Boulder bis zur Techno-Bigwall, langweilig dürfte einem also so bald nicht werden.
... und Wander-Eldorado
Wer lieber am Boden bleibt wird ebenso mit Vielfalt belohnt, und zwar mit faszinierender Pflanzen- und Tierwelt. Braunbären, Gänsegeier, gar Luchse soll es hier geben, sprich, der Park hat seine Wildheit bewahrt. Wenn wir Paklenica sagen, dann meinen wir streng genommen eigentlich immer die Velika Paklenica, die „große Schlucht“. Hier finden sich ob des leichten Zugangs und der breiten Wege die meisten Besucher ein, pilgern zur Tropfsteinhöhle von Manita pec und dem unterirdischen Bunker aus der Zeit von Titos Jugoslawien. Ein paar Kilometer weiter wartet aber noch ein Geheimtipp, der zweite Einschnitt ins Velebit-Gebirge: Die Mala Paklenica, die „kleine Schlucht“.
Seine Wanderung hier zu starten sei allen Einsamkeitsliebhabern wärmstens ans Herz gelegt, wir stiefelten sogar einen ganzen Tag komplett allein durch die Landschaft. Wild, ursprünglich und verlassen ist die Mala, Tritt- und Schwindelfreiheit sollten allerdings vorhanden sein, der Steig ist passagenweise steil und ausgesetzt.
Exkurs: berühmte Drehorte in der Paklenica Schlucht
Muss man auch erwähnen, wenn man von Paklenica spricht: Winnetou. Ist die Schlucht doch einer der Drehorte der berühmten Karl-May-Filme, sie scheint mit ihrer Wildheit offensichtlich die perfekte Filmkulisse zu sein. Diese theatrale Berühmtheit schlägt sich natürlich auch in den Besucherzahlen nieder: im Sommer wird man alles andere als alleine sein.
Auch wegen der leichten Zugänglichkeit und der anfängerfreundlichen Absicherung der Klettergärten, sowie der gut ausgebauten Wanderwege ist der Nationalpark nicht nur Pilgerstätte für Film-, sonder auch für Naturliebhaber, die Karl May – oh Schande! – eventuell gar nicht gelesen haben. Einen Strich durch die Idyll-Rechnung kann einem höchstens noch eine äußerst launische Diva machen: Die Bora, ein oft stürmischer Fallwind zwischen Triest und der kroatischen Adriaküste, gehört mit Böen von bis zu 250 km/h zu den stärksten Winden der Welt, heißt: es kann schon mal kühl werden. Für windige Tage bietet sich allerdings ein Kultur-Ausflug in das nur 50 km entfernte Küstenstädchen Zadar an – lange Klettertouren wollen mit frischem Fisch belohnt werden!
Trotz Bora sind die Übergangszeiten wohl die beste Zeit für Paklenica: Wenn im Frühling die vom Winter ausgedorrte Gegend sich langsam wieder in sattes Grün taucht, wenn die Temperaturen auch untertags noch ideal für Bergtouren sind, wenn die Apartments und Campingplätze in Starigrad noch fast alle leer stehen – ja dann ist einfach die perfekte Zeit für Paklenica gekommen! Klar, für die große Nordwand des Anica Kuk wird es noch zu kühl sein, aber für Klettergarten-Aspiranten und Wanderer finden sich überall sonnig-gemütliche Plätzchen.
Und dann – oh Wonne! – der Strand: Gibt es etwas Schöneres, als nach einem Aktiv-Tag in der engen Schlucht dem Sonnenuntergang am offenem Meer entgegenzuträumen und die rosaroten Schäfchenwolken als Rauchzeichen zu interpretieren? Nein, gibt es nicht.
Factbox: Nationalpark Paklenica, Kroatien
Anreise
Die Anreise per Auto ist entweder über die Küstenstraße von Rijeka oder über das Landesinnere möglich. Von Zagreb die Autobahn Richtung Maslenice nehmen und dann auf der Landstraße bis Starigrad-Paklenica fahren (ca. 270 km von Zagreb). Die Küstenstraße sei all jenen ohne großen Zeitdruck empfohlen, das nette Sträßchen windet sich von Rijeka verlassen durch eine eindrucksvoll karge Künstenlandschaft.
Unterkunft
Starigrad-Paklenica scheint hauptsächlich aus kleinen, privaten Vorgarten-Campingplätzen und „Zimmer frei“-Schildern zu bestehen. In den Nebensaisonen kann man bestimmt sorgenfrei anreisen und seine Unterkunft vor Ort wählen, in den Sommermonaten ist eine Reservierung natürlich empfehlenswert, z.B. im Auto Camp „Marko“ (tel. +38 23 369 283) oder den lieblichen Apartments „Mala Paklenica“ (+385 91 330 0077).
Auskunft
Für Wandersleut gibt es vom Nationalpark sogar eine eigene App, welche über die beliebtesten Wanderrouten und Sehenswürdigkeiten der Gegend informiert. Für die Vertikalathleten ist der Kletterführer „Paklenica“ von Boris Cujic obligat, für ca. 24 € am Nationalpark-Eingang erhältlich.
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