Paul Mair: „Gemeinsam neue Welten erkunden“
Foto: Matthias Knaus.
von Robert Maruna
Paul Mair, 46, ist ein Tausendsassa: Der lebensfrohe Familienvater hat Expeditionen nach Asien und Südamerika unternommen, die Gipfel der Fitzroy-Range bestiegen und arbeitet in Tirol als Alpinsachverständiger, Vortragender und Kommunikationstrainer. Aber vor allem ist er eines: Bergführer.
Bergwelten: Lieber Paul, erzähl doch einmal: Warum eigentlich Bergführer?
Paul Mair: Es war ein Jugendtraum. Schon als Kind habe ich bei den Kletterkursen zu den Bergführern aufgesehen, sie waren für mich so etwas wie „alpine Mentoren“. Und so entstand erstmals der Gedanke, später einmal in ihre Fußstapfen zu treten.
Nach einigen Jahren als Bautechniker habe ich dann den Beruf gewechselt und mit der Bergführerausbildung begonnen. Mit der Zeit haben sich noch ein abgeschlossenes Studium, die Ausbildung zum Alpinsachverständiger und Klettertherapeut sowie der Beruf des Lebens- und Sozialberaters für psychologische Beratung dazugesellt. Aber die Frage nach meinem eigentlichen Beruf lässt sich mit drei Worten sagen: Ich bin Bergführer.
Und die jugendliche Faszination für deinen Beruf ist dir geblieben?
Es ist immer noch derselbe Gedanke, der mich heute trägt – ich will mit Menschen gemeinsam arbeiten. Sie kennenlernen und zu ihnen eine Beziehung aufbauen. Gemeinsam neue Welten erkunden. Darum geht es.
Und welche Berge erkundest du mit deinen Gästen am liebsten?
Dafür gibt es nur eine Antwort: unbekannte Berge. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, dann wähle ich immer neue Touren aus. Das liegt wohl daran, dass ich am liebsten neue Wege gehe – auch wenn man dadurch als Bergführer mehr gefordert wird. Denn eine unbekannte Tour mit Gästen zu unternehmen, das bedeutet eine intensivere Planung im Vorfeld, höchste Konzentration und Achtsamkeit in der Durchführung aber auch ein unvergessliches Erlebnis.
Das heißt dein persönlicher Lieblingsberg ist immer ein neuer und unbekannter Gipfel?
Nicht zwingend. Ich mag die Alpen mit ihrer Vielfalt und der ausgezeichneten Infrastruktur ebenso wie die eisigen Einöden hoher Berge in der Ferne oder aber auch die Gegensätze von Berg und Meer im hohen Norden.
In der Heimat hast du keine speziellen Lieblingstouren?
Meine alpine Sozialisation hat ja im Tiroler Oberland, in Imst, stattgefunden. Daher kenne ich mich dort sehr gut aus und ich würde gerne mit meinen zwei Jungs einmal die Überschreitung der Platteinspitzen in den Lechtaler Alpen machen: Eine alpine Tagestour, bei der man schon mal die Hand an den Fels legen muss. Wenn ich mit ihnen zum Klettern gehe, dann werde ich vermutlich denselben Berg auswählen und mit ihnen die Südwand auf die Hintere Platteinspitze besteigen. Und wenn die Zeit für die ersten richtigen Skitouren gekommen ist, dann geh ich mit ihnen über das Alpjoch auf den Muttekopf (2.774 m).
Klingt nach ambitionierten Plänen für deinen Nachwuchs. Wie lässt sich denn dein Beruf als Bergführer mit der Familie verbinden?
Der erste Gedanke, der mir dabei in den Sinn kommt, ist – es lässt sich gar nicht vereinbaren. Wie soll man seinen Kindern erklären, warum man das fünfte Wochenende in Serie auf einen Ausbildungskurs fährt? Oder wieder mit Gästen irgendwo auf einen entlegenen Berg steigt? Das ist schwer erklärbar und erfordert viel Verständnis.
Andererseits muss man ehrlicherweise auch sagen – es kommt einfach darauf an, wie man es macht: Bergführer zu sein, erlaubt es auch frei zu sein. Daher liegt es an einem selbst, ob man die Bedürfnisse seiner sozialen Umgebung erkennt und darauf eingeht. Es ist nicht immer leicht, aber definitiv möglich. An dieser Stelle ein pauschaler Dank an alle Lebenspartner, Familien und Freunde von uns BergführerInnen für ihre Einsicht, Akzeptanz und ihr Verständnis. Diese Menschen ermöglichen es uns, diesen Beruf auszuüben.
Dein Beruf ist ja nicht an ein Büro oder ähnliches gebunden, gibt es trotzdem so etwas wie einen typischen Arbeitsag?
Glücklicherweise nicht. Mitunter ein Grund, warum ich den Beruf immer noch so gerne ausübe. Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten bei Führungstagen – das sind Überlegungen, die einfach notwendig sind, damit ein Tourentag zu einem erfolgreichen Erlebnis wird.
Erlebnis ist auch das Stichwort: Was war dein skurrilstes Erlebnis mit Gästen am Berg?
Ich darf auf so viele schöne, lustige und gute Erinnerungen zurückblicken. Skurril war vielleicht einmal, dass bei einer Durchquerung ein Frotteebademantel und ein Föhn im Rucksack eines Gastes zum Vorschein gekommen sind. Aber es soll jeder machen, wie er mag (lacht).
Dein Beruf ist zwar von vielen Sonnenseiten geprägt, aber ich bin mir sicher es gibt auch weniger erfreuliche Dinge, die dir in den Bergen begegnet sind.
Die Sonnenseiten überwiegen tatsächlich, das ist für mich ganz deutlich zu sehen. Man ist draußen unterwegs, begegnet unterschiedlichsten Menschen und lernt sich dabei selbst auch immer um ein Stück besser kennen. Die Schattenseiten unseres Berufs sind überschaubar: Man benötigt ein gutes soziales Netzwerk, gute Freunde die die ständige Abwesenheit akzeptieren und man muss sich leider auch immer wieder zu früh von guten Menschen verabschieden.
Bevor wir einander verabschieden, habe ich noch eine letzte Frage: Wie siehst du die Zukunft der Bergführer?
Da hab eine gute Nachricht für alle da draußen: Es wird auch in Zukunft für jeden Gast den passenden Bergführer geben. Dafür benötigen wir natürlich das gesamte Spektrum: den Haudegen, den Wagemutigen, den Ruhigen, den Reflektierten und noch viele andere Charaktere. Tatsächlich werden wir Bergführer aber in der Zukunft wandlungsfähig und lernfreudig agieren müssen. Und die größte Herausforderung für unseren Berufstand wird es sein, den Wandel der Gesellschaft und des Naturraums in die Anforderungen an uns als Bergführer zu adaptieren. Das beginnt zuerst im Kopf, geht weiter in die Ausbildung und gipfelt letzlich in der Ausübung unseres Berufs.
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