Melde dich an und erhalte Zugang zu einzigartigen Inhalten und Angebote!


AnmeldenRegistrieren
Abonnieren

Alles fließt: Bootstour auf dem Hochrhein in 2 Etappen

Tourentipps

4 Min.

02.09.2015

Foto: Angela Faber

Anzeige

Anzeige

von Angela Faber

Die Polizei gab kürzlich Entwarnung: Auf dem Hochrhein besteht garantiert keine Gefahr durch Haifische. Angela Faber hat das genau geprüft und ist den Abfluss vom Bodensee in zwei Etappen mit dem Paddelboot entlanggefahren.

Der Hochrhein zwischen Bodensee, Schaffhausen und Eglisau gilt als einer der schönsten Flüsse Europas. Glasklares Wasser mit Temperaturen von über 20 Grad locken im Sommer die Flussschwimmer. Um die ganze Strecke zu bewältigen, wird man aber in ein Boot steigen müssen.
 
Aus der Perspektive des Paddlers verändert sich die Wahrnehmung. Das Handy im Offline-Modus und wasserdicht verstaut wird die Aufmerksamkeit frei für den Fluss, der wohltuend ruhig und stetig fließt. Hohe Wellen sind ebenso wenig zu erwarten wie andere Gefahrenquellen – ich kann mich beruhigt der Strömung anvertrauen und mich tragen und treiben lassen. Der Alltag bleibt weit zurück.

Trotz Hochsaison ist nicht viel los auf dem ersten Abschnitt bis Schaffhausen. Vom letzten Zipfel des Untersees – so nennt sich dieser Teil des Bodensees – geht es nach Stein am Rhein wo der Fluss wieder wirklich zu strömen beginnt. Ab und zu kreuzt ein Ausflugsschiff unseren Weg, das sich mit lautem Tuten schon von Ferne ankündigt. Auf diesem Abschnitt werden Schiffe durch „Wiffen“ – in den Rheingrund gerammte Baumstämme mit grün-weißen Schildern – einem Riesentorlauf gleich durch das Wasser geleitet. Die grüne Seite gehört den Linienschiffen, die weiße Seite, die im seichten Rheinwasser liegt, ist den Freizeitkapitänen vorbehalten.
 

Neben den Schlauchbooten, in denen sich Familien und Jugendgruppen entspannt den Rhein hinunter treiben lassen, gibt es auch die typischen Schaffhauser Holzbarken, die traditionell fortbewegt werden. Beim Stacheln, flussaufwärts, sticht der Pontonier mit einem langen Holzpaddel bis in den Grund des Rheins und stößt sich von diesem ab. Flussabwärts geht es in der Art venezianischer Gondoliere, nur mit etwas kürzeren Paddelschlägen.

Vorbei ziehen hübsche mittelalterliche Städtchen und Weingärten. Über weite Strecken treffen wir jedoch auf unberührte Natur mit einer vielfältigen Vogelwelt. Der Habicht sorgt für eine ständige Luftüberwachung.
Direkt am Wasser gelegene, grün überwucherte Bunker erinnern daran, dass die Schweiz eine wehrhafte Nation ist. Doch am Hochrhein scheint es niemanden besonders zu interessieren, ob man sich gerade auf deutschem oder eidgenössischem Hoheitsgebiet aufhält. Entgegen landläufiger Meinung stellt westlich des Bodensees nicht der Rhein die Grenze zwischen Schweiz und Deutschland dar. Vielmehr folgt diese einem über Jahrhunderte gewachsenen, verwirrenden Verlauf. Bei den Pausen in schönen Gastgärten im Schatten hoher Bäume sind wir froh sowohl Euros als auch Franken in der Geldbörse zu haben. Beim „kulinarischen Grenzschlängeln“ besteht die Qual der Wahl zwischen  schweizerischen und schwäbischen Spezialitäten. Bei der Preisgestaltung gelten leider die Schweizer als Vorbild.


Eine brausende aber beeindruckende Barriere – der Rheinfall

In Schaffhausen endet der erste Flussabschnitt. Ein Kraftwerk sowie der anschließende Rheinfall – der zweitgrößte Wasserfall Europas – sind nichts für gemütliche Paddler. Doch die Stadt ist ohnehin einen Spaziergang wert. Die schönen Gassen mit den Fachwerkhäusern – die meisten tragen originelle Namen wie „Basler-Boten-Häuschen“, „Rehgütli“ oder „Laufschiffli“ – haben einen ganz speziellen Charme.
 

Die nächsten 5 KIlometer sind der schweißtreibendste Teil der Tour. Mit dem Boot am Slipwagen benötigt man von Schaffhausen rund eine Stunde bis zur Unterseite des Rheinfalls. Am rechten Ufer verläuft ein asphaltierter Weg mit schöner Aussicht über den Fluss. Die Belohnung für die Mühen folgt auf den Fuß – ein überwältigender Blick auf den mächtigen Rheinfall. Über eine Breite von 150 Meter stürzen die weißen Fluten 23 Meter tosend in die Tiefe – das sind rund 400 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Dieses Naturschauspiel ist ein touristisches Highlight der Schweiz und auch für arabische und asiatische Gäste Pflichtprogramm. Vor ihren Augen stehlen wir dem Rheinfall fast die Show als wir unser Boot ins Wasser setzen und möglichst nahe an den Wasserfall paddeln. Ein Foto aus dieser Perspektive ist Pflicht! Nach wenigen Minuten wird es wieder völlig still um uns, nur der Kilometer lange weiße Schaumteppich erinnert noch an den tosenden Wasserfall.

Vor der Halbinsel Rheinau steht das nächste Kraftwerk, das sich schon durch die schwächer werdende Strömung angekündigt hat. Schleppen und Umtragen war gestern – beim Wehr steht ein Übersetzwagen bereit, der über telefonische Anfrage wie von Geisterhand aus der Kraftwerkszentrale bedient wird. Sobald man das Boot auf den Wagen manövriert hat, setzt er sich in Bewegung und befördert einen in Rekordzeit ins Unterwasser. Ganz ohne Anstrengung! Noch zwei Mal haben wir auf der Etappe bis Eglisau die Gelegenheit, diesen genialen Bootslift zu benützen.

Dann eine besondere Perle: Die Gründer des Klosters auf der Halbinsel Rheinau haben im 8.Jahrhundert Gespür für einen magischen Ort bewiesen. Klosterkirche und Kloster im Bodenseebarock verströmen eine spirituelle Aura und beherbergen heute ein Zentrum für klassische Musik. Die Übungen der Violonistin hören wir auf unserer Reise flussabwärts noch lange nachklingen.

Nach dem dritten Kraftwerk gewinnt der Rhein wieder an Strömung. Ab Ellikon wandelt sich der Fluss wieder zu einen Naherholungsgebiet. Dutzende Schwimmer begleiten unsere Reise und lassen sich genussvoll treiben. Und auch wir nehmen unser Boot an die Leine und machen es den Lokals gleich.
 

Nach der letzten Flussbiegung beim Restaurant Tössegg kommt Gegenwind auf und wir paddeln gegen die Wellen. Doch wir sind mit unserem schnittigen Boot begünstigt, die zahlreichen Schlauchbootfahrer haben schwerer zu kämpfen, um nicht vom Wind wieder flussaufwärts getrieben zu werden.

In Eglisau endet unsere Fahrt. Wir haben wieder festen Boden unter den Füßen und spüren deutlich den Eindruck den die zwei Tage auf dem Fluss hinterlassen haben.