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Unter Wasser in der Traun

Regionen

4 Min.

09.11.2021

Foto: Marko Mestrovic

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Kleine Abenteuer in der oberösterreichischen Traun: Mit dem Schnorchel zu mächtigen Hechten, in glasklare Bassins und durch überflutete Pumpenhäuser.

Klaus Haselböck für das Bergweltenmagazin März 2017

Die sanften Wellen der Traun zerfächeln die Sonnenstrahlen, während wir in die Stille hinabgleiten. Über uns schließt sich ein grünlich schimmernder Plafond, und mit jedem Flossenschlag bekommt das gemauerte Bauwerk unter uns mehr Kontur.

Die Lungen beginnen schon etwas zu rebellieren, die Neugierde ist jetzt aber stärker, und der Atemreflex muss noch ein wenig warten. Wie eine Zahnlücke schimmert unter uns eine Türeinfassung herauf: Nochmals gewinnen wir an Tiefe und ziehen uns mit einem Ruck durch das geflutete Gebäude, ehe wir nach Luft japsend zur Wasseroberfläche zurückkehren.

Das kleine Pumpenhaus stammt aus 1922. Damals wurde begonnen, den 153 Kilometer langen Fluss, der beim Toplitzsee in der Steiermark entspringt und das oberösterreichische Traunviertel durchfließt, zur Stromerzeugung zu nutzen. Heute sind zwischen Bad Aussee und der Traunmündung in die Donau bei Linz mehr als ein Dutzend Wasserkraftwerke in Betrieb.


Wunderwelt unter Wasser

Dass die Traun auch Naturliebhaber mit Entdeckergeist elektrisieren kann, erkannte Franz Pramendorfer vor 30 Jahren. Der Tauchlehrer aus Ried im Innkreis war von einer Saison am Roten Meer zurückgekehrt und wollte seine Pressluftflasche leer atmen. Ohne Erwartungen stieg er oberhalb der Staumauer des Traunfalls ein und fand sich in einer Wunderwelt wieder: „Ich schwamm neben Baumriesen, entdeckte Tunnels und sogar Gebäude unter Wasser. Das war total lässig.“

Möglich wurde dieses Erlebnis, weil die Traun dank einiger Kläranlagen wieder ein lebendiger Fluss höchster Güteklasse geworden ist. „Manche meiner Gäste trinken während der ganzen Tour“, erzählt Pramendorfer lachend.

Nach weiteren Erkundungen war ihm schnell klar geworden, dass er mit der Traun ein Juwel vor seiner Haustür hat, deren Potenzial über das eines Übungsgewässers für Tauchschüler hinausgeht: Unweit von Steyrermühl gründete er die erste Flusstauchschule Europas.

Denn Tauchen ist anders in der Traun: Meist ist man hier in flachen Abschnitten unterwegs. Für diese amphibischen Entdeckungsreisen braucht es einen wärmenden Neopren-Anzug, aber kein schweres Tauchgerät.

Nur mit Maske, Flossen und Schnorchel unterwegs zu sein macht viel flexibler. „Wenn man auf Grund läuft, beginnt das Erlebnis“, so Franz Pramendorfer, der diese Fortbewegungsart „Scuben“ nennt. „Wir lassen uns im Fluss treiben, schauen nach Fischen und erkunden Becken groß wie Wohnzimmer.

“Einsteiger haben rund um das geflutete Pumpenhaus ihr Klassenzimmer. Im Rückstaubereich oberhalb des Kraftwerks Siebenbrunn ist die Traun praktisch ohne Strömung und ein ideales Revier, um an der Schnorcheltechnik zu feilen.

Wir tauchen an diesem Tag gemeinsam mit Christian Redl – der den soften Einstieg überhaupt nicht nötig hat: Der Film „Im Rausch der Tiefe“ von Luc Besson hat den Niederösterreicher schon als Jugendlichen inspiriert, Apnoetaucher zu werden. „Für mich waren das meine Helden und die coolsten Typen überhaupt“, sagt Redl, der mit einem Atemzug bis zu hundert Meter tief tauchen kann und mehr als sieben Minuten ohne Luft auskommt.

Insgesamt zehn Apnoe-Weltbestleistungen hat er aufgestellt. Für den längsten und den tiefsten Tauchgang unter Eis bekam er jeweils eine Eintragung ins Guinnessbuch der Rekorde. Trainiert hat er dafür im nahe gelegenen Wolfgangsee, die Umsetzung fand im Kärntner Weißensee statt.

Dort entwickelte er auch Unterwasser-Eishockey, bei dem kopfüber und mit angehaltenem Atem gespielt wird. Als Breitensport hat sich das bislang nicht durchgesetzt, dem 41-Jährigen ist davon allerdings der Spitzname „Iceman“ geblieben. In der Traun muss er den nicht unter Beweis stellen: Moderate 20 Grad hat das Wasser im Rückstaubereich während der Sommermonate.

Bei dem nahe gelegenen Traunfall geht es mit 16 Grad zwar etwas kühler zu, aber noch keinesfalls frostig. Zudem ist der Körper dort mit dem Ausstoß von Glückshormonen völlig ausgelastet: Die zwölf Meter hohen Wasserkaskaden, die dort in die Tiefe stürzen, sind das landschaftliche Highlight jeder Tour. Wir springen immerhin aus vier Metern hinein.

Abklettern wäre auch möglich gewesen, aber diese Prise Adrenalin lässt sich ein Christian Redl nicht entgehen – weil er den Fluss sehr gut kennt. Sonst wäre für den Freitauch-Ausbilder definitiv Vorsicht angesagt: „Zu wissen, wo man in ein Gewässer hineingeht und wie man auch wieder herauskommt, ist das Um und Auf beim Flusstauchen.“


Schweben wie im Nichts

Scuben braucht stets eine solide Planung. Vor allem muss auf die Wetterverhältnisse geachtet werden: Nach starken Regenfällen ist nicht nur die Sicht bescheiden, sondern die Tour vielleicht gar nicht möglich.

Große Wassermengen transportieren dann Schwemmgut in Form von umgestürzten Bäumen mit, und der Charakter des Flusses kann sich radikal verändert haben. Hat sich der Pegelstand wieder normalisiert, so klart auch die Sicht auf. Wartet man an heißen Sommertagen allerdings zu lange, kann sich das Wasser auch wieder eintrüben.

Wir haben es diesmal gut erwischt: Bei den Quelltöpfen unterhalb des Traunfalls schweben wir wie im Nichts und beobachten Forellen, Barben und Flusskrebse, die Indikatoren eines gesunden Gewässers. „Recht viel mehr an Sicht geht nicht im Alpenraum“, schwärmt Christian Redl.

Nach dem Kraftwerk, das direkt an die Wasserfälle anschließt, bekommt die Reise durch die Traun einen neuen Charakter. Der Fluss gewinnt an Breite, ist weniger Katarakt als abwechslungsreicher Trail – und damit perfekt zum Scuben geeignet. Auch die Strömung ist nun stärker und gibt uns einen ordentlichen Schub.

Flache, schnelle Passagen wechseln ab mit ruhigen Kehrwassern, wo sich große, wassergefüllte Felströge erkunden lassen. In den umgestürzten Bäumen stehen mächtige Hechte, in tieferen Abschnitten zeigen sich noch Reste von Gebäuden.
 

In diesem Abschnitt empfiehlt es sich, bewusst das Tempo herauszunehmen und dadurch den Genuss zu verlängern. Wir lassen uns treiben, können unserem Weg aber mit Flossenschlägen stets eine Richtung geben. Denn es gilt zu forschen, zu schauen, zu staunen.

Dabei entsteht eine vage Idee, wie viele Gewässer, die wir schon lange zu kennen meinen, noch unbetaucht sind, wie viele dieser kleinen Entdeckungsreisen noch anstehen. Dazu braucht es weder komplexes Equipment, noch muss man um die halbe Welt reisen.

Neopren-Anzug, Maske, Schnorchel, Flossen reichen völlig, um in den stillen Nebenarmen der Donau, am Rhein oder in Alpenflüssen wie Salza, Soča oder Traun Unterwasserforscher zu sein und so den Jacques Cousteau oder den Hans Hass in uns zu wecken.


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