Alpinklettern: Was ist das eigentlich?
Grundsätzlich folgt jede Form des Klettersports demselben Ziel, die Herangehensweise innerhalb der verschiedenen Kletterarten ist allerdings diffiziler als angenommen. Während bei der beliebtesten Form des Freikletterns, dem Sportklettern, das Bezwingen technischer Schwierigkeiten im Vordergrund steht, widmet sich das Alpinklettern einem weit puristischeren Motiv: dem Gipfel. Doch was versteht man eigentlich unter dem Begriff Alpinklettern?
„Komm lass uns morgen klettern gehen!“ „Ok, magst a Sport- oder Mehrseillänge kraxeln?“ „Ah, geh’ ma lieber a alpine Tour, oder?“ „Passt!“ So gehört in einer Kletterhalle vor wenigen Tagen. Neben mir sitzt eine junge Dame, die beim Begriff Mehrseillänge unmissverständlich die Augen rollt, bevor sie sich in ihre Boulderpatschen zwängt. Nachdem die Wand voller Plastikgriffe sie wenige Züge später wieder abwirft, gesteht sie mir ihre Wissenslücke und fragt kleinlaut: „Was genau hat er mit alpiner Tour und Mehrseillänge eigentlich gemeint?“ Grund genug also, dass wir uns dem Thema Alpinklettern etwas genauer widmen.
Wie der Name bereits verrät, findet Alpinklettern im alpinen Gelände statt. Im Regelfall geht es darum einen bestimmten Gipfel oder eine ausgewählte Felswand, in mehrere Abschnitte (Seillängen) unterteilt, zu erklimmen. Im krassen Gegensatz zum boomenden Sportklettern, welches sich (zumeist) der Absolvierung einer einzigen Seillänge voller Mikroleisten und abschüssigen Tritten im obersten Schwierigkeitsgrad widmet. In alpinen Klettertouren steht das Klettern an sich und der bevorstehende Gipfel im Zentrum des Tuns. Die Schwierigkeit einer alpinen Route ergibt sich durch die natürlichen Probleme am Fels, zusätzlich bedingt durch die Art und Länge der Absicherung. Doch am besten wir beginnen einfach ganz von vorne:
Zustieg
Die Zustiege bei alpinen Klettertouren sind verglichen mit jenen des Sportkletterns meist länger und aufwendiger. Während die meisten Sportkletterer nach einem viertelstündigen Fußmarsch zum Fels ihr Unterfangen bereits als alpinistisch bezeichnen würden, legt ein echter Alpinist gerne einmal ein bis zwei Stunden per pedes zurück, bevor er Hand an den Fels legt.
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Begehung
Alpine Routen können auf verschiedene Art und Weise begangen werden: Wer im freien Stil gegen die Schwerkraft klettert, verzichtet auf den Einsatz technischer Hilfsmittel. Haken, Sicherungsgeräte und Bandschlingen werden lediglich zur Absicherung benutzt, nicht aber zur Fortbewegung, so wie es beim technischen Klettern der Fall ist. Hier findet zumeist eine Materialschlacht statt, die nach außen hin eher an eine Mondlandung oder die Errichtung einer Hochseilgartenanlage erinnert. Im krassen Gegensatz dazu steht das cleane Klettern bzw. trad-climbing: hier werden die natürlichen Strukturen (Risse, Verschneidungen) des Fels ausgenutzt und mobile Sicherungsinstrumente (Friends, Klemmkeile, etc.) während des Durchstieges selbst angebracht und wieder entfernt.
Darüber hinaus gibt es dann noch die Variante Free-Solo, wobei hier auf alles außer Chalk, Kletterschuhe und Helm verzichtet wird. Dies ist wohl die puristischste und heroischste, aber folglich auch gefährlichste Bewegung in der Vertikalen.
Kann die Wand oder der Gipfel nicht innerhalb von 24 Stunden erreicht werden, so wird in der Wand mittels Portaledge biwakiert – dann spricht man häufig vom Bigwall-Klettern, einer Form des Alpinismus, die viel Erfahrung, Ausdauer, Geduld und Können erfordert.
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Und zu guter Letzt gibt es noch das Eisklettern, eine wirklich bitterkalte Angelegenheit und nichts für schwache Nerven.
Ausrüstung
Alpinklettern erfordert einen weit größeren Grundstock an Material als es beim Sportklettern der Fall ist. Manche Alpinisten nehmen wirklich nur das Allernötigste mit und verzichten gerne mal auf Reserveschlingen und dergleichen. Andere wiederum zwängen ihren gesamten Ausrüstungsbestand in einen riesigen Rucksack und wundern sich, warum sie bereits im Rahmen des Zustiegs an ihre körperlichen Grenzen stoßen. Beide Einstellungen sind zu hinterfragen. Wie dem auch sei, abhängig vom Tourencharakter und der jeweiligen Begehungsart, kommt eine unterschiedliche Ausrüstung zum Tragen und Einsatz. Immer mitzuführen ist allerdings Folgendes:
Gurt
Helm
Kletterschuhe
Sicherungs- und Abseilgerät
ATC
HMS-Karabiner
Chalkbag plus Chalk
Bandschlingen
HMS- und Schraub-Karabiner
Expresschlingen
Schnappkarabiner
Dyneema- oder Kevlar-Reepschnüre
Erste-Hilfe-Set/ Biwaksack
Topokarte
Mobiltelefon und
Seil
Einfachseil (8-10,5 mmm dick, vorwiegend Sportkletterrouten )
Halbseil (8-9 m, wird paarweise verwendet, alpine Routen – Dreierseilschaft)
Zwillingsseil (7,5-8 mm, alpine Routen – Zweierseilschaft)
Zusätzliche Ausrüstung:
Sofern eure alpine Mehrseillängen-Route plaisirmäßig abgesichert (Bohrhaken und Standplätze vorhanden – trifft auf die meisten modernen Alpinrouten zu) ist, sind prinzipiell keine mobilen Sicherungsgeräte notwendig. Anderes gilt für die klassischen oder „guten alten“ alpinen Routen, die doch sehr spärlich und moralisch abgesichert sein können. Hier ist es nicht nur empfehlenswert, sondern unbedingt notwendig zusätzliches Sicherungsmaterial mitzuführen.
Klemmgeräte
Friends
Klemmkeile plus Klemmkeilentferner
Schlaghaken plus Hammer
Messer (zum Entfernen alter Sicherungsschlingen)
Routenwahl
Im Sportklettergarten geht man gerne mal an sein Limit und wirft sich nach ein paar Aufwärmrouten in ein Projekt, welches an der persönlichen Kraft-Schallmauer kratzt. Im alpinen Gelände empfiehlt sich eine andere Taktik: hier wird meist ein bis zwei Schwierigkeitsgrade unterhalb des beim Sportklettern erreichten Niveaus geklettert, da das Gelände schwieriger zu lesen ist und die Hakenabstände in der Regel weiter sind. Die psychischen sowie physischen Herausforderungen (Kraft und Ausdauer) sind bei alpinen Touren somit weit komplexer.
Seilschaft
Abhängig davon ob ihr in einer Zweier- oder Dreierseilschaft unterwegs seid, entstehen etwas unterschiedliche Abläufe – in beiden Fällen wird allerdings mit zwei Halbseilen geklettert.
Zweierseilschaft
Der Vorsteigende begibt sich in die Route und nutzt die vorhanden Zwischensicherungen (sofern vorhanden) bzw. bringt mittels mobiler Sicherungsgeräte (Klemmgeräte, Schlingen) selbst Zwischensicherungen an. In jedem Fall werden beide Halbseile in die Zwischensicherungen eingehängt. Erreicht der Vorsteigende das Ende einer Seillänge, so wird ein Standplatz zur Absicherung des Nachkommenden gebaut. Je nach Absicherung können entweder vorhandene Haken verwendet oder die Fixpunkte für den Standplatzbau selbst errichtet werden. Der nachsteigende Kletterer steigt nun bis zum Standplatz auf, wobei er das gesamte Zwischensicherungsmaterial mitnimmt. Sofern in Wechselführung geklettert wird, ist nun der Nachsteiger an der Reihe und klettert vor. Dies spart Zeit, setzt allerdings voraus, dass beide Kletterer den Schwierigkeiten der Route im Vorstieg gewachsen sind. Im permanenten Führungsstil wiederum übernimmt eine Person den ständigen Vorstieg.
Dreierseilschaft
In einer Dreierseilsschaft ist der Vorsteiger in beide Halbseile, die nachsteigenden Kletterer in jeweils ein Halbseil eingebunden. Erreicht der Vorsteiger den Standplatz, so kann er von diesem weg beide Nachsteiger gleichzeitig sichern. Diese wiederum klettern zeitversetzt nach.
Gefahren
Neben des Faktors Mensch - der Unfallursache Nummer Eins im Gebirge – birgt das Alpinklettern zusätzlich mehr Gefahren als das Sportklettern im altbekannten Klettergarten.
Wetter (aufgrund der Ausgesetztheit und Länge alpiner Touren ist das Bergwetter ein noch entscheidenderer Faktor als er es beim Sportklettern der Fall ist)
Steinschlag, Eisschlag, Lawinen
Erschwerte Rettungsmöglichkeiten (Rettungen aus schwer zugänglichem alpinem Gelände sind besonders bei der Routenwahl zu beachten)
Ihr wollt noch mehr wissen?
Nun habt ihr einen kleinen Einblick in die umfangreiche Welt des Alpinkletterns erhalten, sofern euer Wissensdurst dadurch noch nicht gestillt ist, empfehlen wir euch einen Blick auf das neue Lab Rock der Firma Ortovox zu werfen - hier findet ihr eine wirklich detaillierte und allumfassende Darstellung der Materie.