Bergberuf: Alpin-Ökologin
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von Christina Schwann
Diesmal stellen wir euch einen Beruf vor, den es so kein zweites Mal gibt. Christina Schwann ist nämlich nicht nur Teil unseres Bergwelten-Teams, sondern auch Alpin-Ökologin. Was sie als solche genau macht, hat sie uns in einem Gespräch verraten.
Was macht eine Ökologin?
Die Ökologie ist ein sehr breit gefächerter Fachbereich. Sie reicht von der Grundlagenforschung (Erhebung von Artenspektren und -Zahlen, klassische Ökosystemleistungen wie Wasserhaushalt, Biomasse, CO2-Bindung, etc.) über Projekte zur Artenvielfalt, den Klimawandel und Aufklärungsarbeit bis hin zu Projekten im nachhaltigen Tourismus, der Berglandwirtschaft, regionalen Produkten und natürlich der Gutachtertätigkeit. Die Ökologie findet überall Anwendung – weltweit. Man findet Ökologen genauso in der Antarktis wie auch in Wüsten, der Tundra, am Meer oder eben in Alpenregionen.
Die Alpen sind aufgrund der Kleinstrukturiertheit der Landschaftselemente für viele Wissenschaftler sehr spannend: Hier findet das Zusammenspiel von Wirtschaft, besiedeltem Raum, Tourismus, Kultur und Naturlandschaft auf sehr engem Raum statt. Zudem sind die Alpen erdgeschichtlich höchst interessant, wurden durch die letzte Eiszeit stark geprägt und demonstrieren das Phänomen des Klimawandels besonders stark.
Wie wird man Ökologin?
Mitbringen sollte man ein grundlegendes Interesse an allem Lebendigen, an den winzigen Details – sowohl in der Pflanzenwelt als auch in der Tierwelt – und das Verlangen nach der Beantwortung der Frage: Warum ist das so? Wie spielt alles zusammen? Das Fach „Biologie“ in der Schule gern gehabt zu haben wäre schon ein guter Ansatz.
Danach folgen zumindest in Österreich ein Bachelor- und ein Masterstudium, die das 5-jährige Diplomstudium, das mit dem Magister abschloss, ersetzen. Im ersten Abschnitt behandelt dieses die Biologie in ihrer Gesamtheit, also:
- die Botanik (Pflanzen),
- die Zoologie (Tiere),
- die Mikrobiologie (Mikroorganismen) und
- die Ökologie (Zusammenspiel der belebten mit der unbelebten Umwelt).
Danach wählt man aus einem dieser vier Felder einen Schwerpunkt für das Studium. In meinem Fall war das eben die Ökologie. Dabei befasst man sich im Speziellen mit der Ökosystemleistung, mit den Zusammenhängen der verschiedenen Faktoren und mit der Frage, was passiert, wenn man wo oder wie eingreift. Der Mensch spielt in der übergeordneten Ökologie eine wichtige Rolle. Es geht um das gleichwertige Zusammenspiel von Soziologie, Ökonomie und Ökologie. Daraus erklärt sich auch der Begriff der „Nachhaltigkeit“, der nichts anders meint als die vorhandenen Ressourcen so zu nutzen, dass sie auch für nachfolgende Generationen noch zur Verfügung stehen.
Was bezeichnet „ökoalpin“?
Der Begriff „ökoalpin“ leitet sich aus der Namenskreation Alpin-Ökologin ab – so habe ich auch mein Büro getauft. Für mich war klar, dass mein Büro einen Namen braucht, der sowohl die Ökologie als auch das Alpine beinhaltet. Schließlich lebe ich mitten in den Alpen – in Innsbruck –, in einem Raum, wo wirtschaftliche Interessen permanent auf jene des Natur- und Landschaftsschutzes prallen. In einer Region, die von Verkehr und Tourismus überrollt wird und sich gleichzeitig bemüht, seine Bergbauern und die wertvollen Produkte aus der Landwirtschaft zu stärken. Den Beruf „Alpin-Ökologe“ gibt es eigentlich nicht, aber ich denke, man könnte all jene Ökologen so nennen, die sich mit den Alpen oder anderen Gebirgsregionen befassen.
Was macht eine Ökologin in den Alpen?
Das ergänzt sich immer. Die Ökologie ist die Lehre der Zusammenhänge. Alles, was wir tun, hat eine Auswirkung – sei es auf den Boden, den Wasserhaushalt, die Artenvielfalt, die Luft oder das Klima. Und nicht zuletzt: auf unsere Gesellschaft und unsere Art zu leben.
Mein größtes Anliegen ist es, anderen Menschen zu zeigen, wie unsere Natur funktioniert. Nur so kann man sich damit auseinandersetzen, was es braucht, um sie langfristig zu erhalten. Die Natur ist unsere Lebensgrundlage. Im Prinzip haben die Bauern – vor allem die Bergbauern – seit Jahrtausenden nichts anderes gemacht als die Natur zu beobachten und im Einklang mit ihr zu wirtschaften. Erst mit der Erfindung von Kunstdünger und entsprechendem maschinellen Einsatz hat sich das geändert.
Dein Leitsatz lautet: Weniger ist viel mehr. Was verstehst du darunter?
Wir leben in einer Welt des Überflusses. Wir können uns alles zu jeder Zeit leisten. Ich habe das Gefühl, dass dadurch Werte wie Geduld, Verzicht oder Dankbarkeit verloren gehen. Es fehlt die Zeit, hinzuschauen, zu genießen, zu verstehen.
Weniger ist viel mehr, wenn man die Schönheit des Gänseblümchens genauso schätzt wie die hochgezüchtete Rose aus Holland. Weniger ist viel mehr, wenn man auf die Flugreise verzichtet und dafür freudig seine Beine ins kalte Wasser eines Gebirgsbachs streckt.
Der übermäßige Luxus nimmt uns die Chance des ureigenen Gefühls vom Selbstgeschafften. Er nimmt uns die Fähigkeit mit ungeplanten Situationen fertig zu werden, er nimmt uns Kreativität und die Möglichkeit, Fehler zu machen.
Inwiefern sind Bewusstsein, Identität und Überzeugung für den Alpenraum relevant?
Es braucht das Bewusstsein, dass wir uns hier in den Alpen in einem höchst sensiblen und begrenzten Raum bewegen. Irgendwann können die Ökosystemleistungen die vielen Eingriffe nicht mehr kompensieren. Das und der Klimawandel werden die größten Herausforderungen der Zukunft sein.
Identität bedeutet Verantwortung zu übernehmen – für meinen Lebensraum, für den Erhalt von altem Wissen, Kultur und Tradition. Die Überzeugung braucht es, um nicht ständig klein beizugeben, sondern neue, innovative Wege einzuschlagen. Wege, die dem Motto „weniger ist mehr“ folgen, die ein Bewusstsein bei all jenen erwecken, die es wissen wollen und Identität für alle schaffen, die mitmachen.
Dein Schwerpunkt als Alpin-Ökologin ist die Regionalentwicklung. Was genau bezeichnet dieser Bereich?
Die Regionalentwicklung versucht das Zusammenspiel von sozio-ökonomischen und umweltbezogenen Prozessen zu verbessern. Sie ist eigentlich eine Subdisziplin der Geografie, der Raumplanung, der Ökonomie und der Politikwissenschaften. Hier lehnt sich die Ökologie schon recht weit hinaus, aber ich finde gerade die fächerübergreifende Arbeit besonders spannend.
Die positive Beeinflussung einer Region setzt immer die Erhaltung der Lebensgrundlage voraus. Im peripheren Raum ist dies besonders schwierig – man denke an die Nahversorgung, an Schulen, Ärzte, Mobilität und Erwerbstätigkeiten. Darüber hinaus ist die Lebensgrundlage mit einer intakten Natur- und Kulturlandschaft untrennbar verbunden. Damit ist sauberes Trinkwasser ebenso gemeint wie die Erwerbstätigkeit aus dem Tourismus, der vor allem im sogenannten „nachhaltigen“ oder „sanften“ Tourismus auf die Ressource Landschaft setzt.
Wie sieht deine Idealvorstellung von gelungener Regionalentwicklung aus?
Die Regionalentwicklung ist dann gelungen, wenn die Menschen nicht nur saisonal in einem Gebiet wohnen, sondern dort auch ihren Lebensmittelpunkt haben. Ein Ort, in dem es ein Geschäft gibt, einen Kindergarten, eine Volksschule, vielleicht sogar einen Arzt. Wo es Vereine gibt, die Traditionen und Kulturen aufrechterhalten und Bauern, die das Land bewirtschaften.
Ich stelle mir eine „regionale Kreislaufwirtschaft“ vor, wo Produkte der Berglandwirtschaft in Direktvermarktung an Kunden und Privatpersonen weitergegeben werden; wo es aber genauso Gasthäuser, Hotels und Schutzhütten gibt. Ich würde mir einen Tourismus wünschen, der nicht nur zur Landschaft und den Einheimischen passt, sondern der auch in deren Hand liegt.
Der „Hochgebirgsnaturpark Zillertaler Alpen“, der Biosphärenpark Großes Walsertal oder der Verein „Genussspechte“ im Nordtiroler Wipptal sind für mich gute Beispiele gelungener Regionalentwicklung. Im Tourismus bin ich der Ansicht, dass die Zeit reif ist, sich auf eine Angebotsart zu spezialisieren. Es braucht ein klares Thema, ein Alleinstellungsmerkmal.
Sind die Bergsteigerdörfer für dich eine gelungene Realisierung von Regionalentwicklung?
Ja, und sie zeigen ganz deutlich, dass ein Ort alleine oft nicht imstande ist, einen solchen Trend einzuleiten. Es braucht dazu eine Plattform, ein gemeinsames Marketing und vor allem einen starken Partner – in diesem Fall den Alpenverein. Bis Ende 2017 erhielten die Bergsteigerdörfer in Österreich zudem eine recht großzügige Förderung über den Fonds für Ländliche Entwicklung.
Die Bergsteigerdörfer haben es in den letzten Jahren geschafft eine richtige Marke aufzubauen. Mit diesem Standbein können nun weitere Probleme angegangen werden, wie zum Beispiel die Erhaltung der Kulturlandschaft, die Unterschutzstellung von Landschaftsteilen, die Direktvermarktung oder Kulturprojekte.
Gibt es aktuell Ideen, die du gern umsetzen würdest?
Ja, viele. Auf der einen Seite geht es um Bewusstseinsschaffung – immer und überall. Ich bin davon überzeugt, dass sich Tourismus und Nachhaltigkeit nicht ausschließen müssen, sondern durchaus ergänzen können – vorausgesetzt, es ist ein Tourismus des „Weniger ist mehr“. Aber da sehe ich kein großes Problem, denn die Nachfrage an ehrlichen, authentischen und nicht ewig gleichen Angeboten steigt. Gleichzeitig braucht es aber das Bewusstsein, dass die belebte Natur ein sensibles System ist, in der man sich respektvoll verhalten muss. Und auch hier glaube ich immer noch daran, dass Menschen, die Urlaub in der Natur suchen, wissbegierig sind, Zusammenhänge verstehen wollen und dementsprechend Verständnis zeigen.
Auf der anderen Seite liegt mir das Thema der schon erwähnten „regionalen Kreislaufwirtschaft“ sehr am Herzen. Die Direktvermarktung bäuerlicher Produkte – sprich: ohne Zwischenhändler – ist die einzige einigermaßen gewinnbringende und ehrliche Verkaufsstrategie für den Bauern. Dafür braucht es aber die Verlässlichkeit des Kunden und ein generelles Umdenken hin zum Kauf von saisonalen Produkten. Das heißt auch: Verständnis haben für natürliche Engpässe bei Frischgemüse im Winter. Und damit sind wir wieder beim ursprünglichen Thema – nämlich unserer Luxusgesellschaft.
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