Eiger 2018: Die Besteigung
Ein Berg – Ein Projekt – Ein Ziel. Im Herbst 2017 haben Bergwelten und Mammut drei Plätze für die Besteigung des Eiger via Mittellegigrat ausgeschrieben. 3.730 Bewerbungen wurden eingesendet. 8 Monate, ein Bootcamp und viele Trainingseinheiten später, stehen die drei Gewinner auf dem Gipfel des Kalkgiganten. Ein Rückblick auf ein Bergprojekt der Superlative.
Wie alles begann
Im Oktober 2017 präsentierte das Schweizer Traditionsunternehmen Mammut die vierte Generation ihrer Eiger Extreme Kollektion – Bergsportbekleidung speziell für hochalpine Erlebnisse. Grund genug den Namen zum Programm zu machen. Und so rief man gemeinsam mit Bergwelten zur Besteigung des Eiger über den spektakulären Mittellegigrat im Sommer 2018 aus. Anfang Dezember wählte eine Fachjury aus 3.730 Bewerbungen zwölf Kandidaten aus, die per anschließendem Online-Voting auf die Gunst der Bergwelten-Leser hofften. Am 1. Februar 2018 war es dann soweit und die drei Eiger-Aspiranten standen fest: Sonngrit Böhme (D), Corina Haas (CH) und Christoph Miller (AT). Gemeinsam mit Bergführern der Mammut Alpine School sollten sie im Juli auf den Eiger steigen.
Bootcamp Eiger
Wer einen Berg wie den Eiger besteigen will, sollte ausreichend vorbereitet sein. Und wo könnten sich die drei Gipfelstürmer besser vorbereiten, als am Fuße des Eigers selbst? Anfang März wurden Corinna, Sonngrit und Christoph in die Schweiz eingeladen, um an einem dreitägigen „Bootcamp“ teilzunehmen. Dabei wurden die Gipfelstürmer von Kopf bis Fuß mit der neuen „Eiger Extreme“-Kollektion ausgestattet, lernten ihre zukünftigen Bergführer kennen und übten den Umgang mit Steigeisen am Fels. Den abschließenden Höhepunkt stellte die Winterbesteigung des 4.107 m hohen Mönch in der Jungfrau-Region dar. Nun stand der Eroberung des Mittellegigrats nichts mehr im Wege.
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Die Besteigung
Die Besteigung des Eiger lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Sonne, Schneesturm, Euphorie. Während der Aufstieg zur Mittellegihütte am ersten Tag noch bei strahlendem Sonnenschein verlief, stand der Gipfeltag im Zeichen der Wolken.
Tag 0 – Ankunft auf der Kleinen Scheidegg
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Die Teilnehmer und Bergführer haben sich im Berghaus Grindelwaldblick auf der Kleinen Scheidegg, am Fuße der Eiger Nordwand, eingefunden. Nach einem ausgiebigen Abendmahl werden die letzten Vorkehrungen getroffen: das Material wird überprüft, die Route ein letztes Mal besprochen und der Marschtee für den nächsten Morgen in die Thermoskannen gefüllt. Die untergehende Sonne lässt die Nordwände des Eiger und Wetterhorn (3.692 m) feuerrot aufleuchten. Die Vorfreude ist groß und doch ist die Stimmung ein wenig angespannt. Nur Christoph, der junge Mann aus dem Pinzgau sieht der Sache gelassen entgegen: „Wird scho ois guat gehen“, so seine letzten Worte bevor er sich ins Bettenlager verzieht. Der Rest der Teilnehmer folgt ihm wenig später nach.
Tag 1 – Aufstieg zur Mittellegihütte
Früh am Morgen wartet die 10-köpfige Mannschaft am Bahnhof Kleine Scheidegg. Mit der ersten Jungfraubahn des Tages geht es hinauf in Richtung Eiger. Die im Jahr 1912 errichtete Zahnradbahn führt von der Kleinen Scheidegg durch den Eiger und Mönch bis auf das Jungfraujoch – der höchsten Eisenbahnstation Europas auf 3.454 m. Über 7 Kilometer Tunnelsystem verlaufen in einer großen Rechtskurve durch das mächtige Bergmassiv und überwinden dabei knapp 1.500 Höhenmeter. An der Station Eismeer (3.158 m) verlässt die Gruppe den Zug. Hier werden Klettergurt sowie Helm angelegt und die Bergführer binden die Teilnehmer ins kurze Seil. Durch einen dunklen Stollen verlassen sie den Untertagebau und steigen hinab auf den Eismeer-Gletscher. Nun geht es wirklich los.
Über das weitläufige Gletscherfeld zieht die Spur unterhalb der Südwand des Eiger entlang. Die Szenerie ist malerisch und erinnert an ein Gemälde von Caspar Wolf, dem die Schweizer Gletscher ein beliebtes Motiv waren. Immer wieder kracht und donnert die Eismasse auf, ein Helikopter zieht über die Köpfe der Bergsteiger hinweg. Wenige Schritte später ist der Gletscher überwunden und man steht vor der ersten Schlüsselstelle der Tour: Doch die mit 4+ angeschriebene Kletterstelle entpuppt sich als ein leicht zu überwindendes Hindernis für die Teilnehmer. Über ein schmales Felsband führt der weitere Weg stetig bergauf. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn der Fels' des Eiger ist hier brüchig und abgeschmiert.
Wir erreichen die Hütte und werden von Hüttenwirtin Kai-Leonie herzlichst empfangen. Die junge Frau aus Bern ist den ganzen Sommer hier heroben, allein. Die Hütte liegt auf 3.355 m, bietet 36 Schlafplätze und fasst nicht mehr als 60 m2 Fläche auf dem exponierten Nordostgrat. Letzte Woche hat das Wetter überraschend umgeschlagen und Kai musste mehrere Tage auf der Hütte ausharren, während immer wieder der Blitz einschlug. Der weitere Tag wird mit Schlafen, Essen, Trinken und Lesen verbracht bis Kai zum Abendessen ruft. Es gibt Gerstensuppe, Kartoffelpüree mit Bratwurst und Pflaumenkompott zum Nachtisch. Die Hüttenwirtin hat in der kleinen Küche ein dreigängiges Menü für 25 Menschen gezaubert, als ob es das Einfachste auf der Welt wäre. Die vollen Mägen zeigen ihre Dankbarkeit indem sie ihr beim Abwasch zur Hand gehen. Währenddessen hat sich die untergehende Sonne ihren Weg durch den Nebel gebahnt und das vom Nebelschleier gestreute Licht taucht Grat und Hütte in ein sanftes Orange. Ein Anblick, der wohl allen noch länger in Erinnerung bleiben wird.
TAG 2 – GIPFELTAG
Die Wettervorhersage hat sich über Nacht verändert: Bereits am frühen Nachmittag soll ein Gewitter über Grindelwald hereinbrechen. Noch vor den ersten Sonnenstrahlen setzt sich die Seilschaft im Licht der Stirnlampen in Bewegung und klettert zügig den Grat empor. Dank der Fixseile in Form von dicken Tauen sind die schwierigen Kletterpassagen entschärft worden, sodass die gesamte Gruppe problemlos drei Stunden später den Gipfel erreicht. Der berüchtigte Firngrat, auf den letzten Metern zum Gipfel hat sich leider in Luft aufgelöst. „Sehr wenig Schnee dieses Jahr“, gibt Bergführer Flo kopfschüttelnd zu verstehen.
Doch für ein ausgiebiges Rasten bleibt keine Zeit – dunkle Wolken haben sich bereits über dem Eiger zusammengebraut. In Windeseile wird über den Südwest-Grat abgeseilt und im nördlichen Eigerjoch Schutz vor dem Schneesturm gesucht. Aufgrund elektrischer Ladung in der Luft ist an ein Weiterklettern nicht zu denken und so bleibt uns nichts anderes übrig, als auszuharren.
Nach kurzer Zeit lässt der Schneefall wieder nach und der Himmel lichtet sich. Die Bergführer telefonieren mit der Wetterzentrale, die ein kurzes Wetterfenster vor der nächsten herannahenden Unwetterfront meldet. Kurzerhand ist die Gruppe wieder auf Tour und beginnt mit dem weiteren Abstieg.
Im teils dichten Nebel wird über drei weitere Türme des Grates geklettert bis man endlich wieder auf dem Gletscher steht. Die Euphorie steigt, denn die Mönchsjochhütte ist nun keine Stunde mehr entfernt. Über den Gletscherbruch geht es vorbei an gewaltigen Gletscherspalten und in einem kurzen Gegenanstieg hinauf zur Hütte. Die Steigeisen werden abgelegt, das Material verstaut und die Teilnehmer fallen sich in die Arme. Geschafft, endlich am Ziel, Mittellegigrat und Eiger weit hinter ihnen.
Tag 3 – Abschied nehmen
Die Sonne zeigt sich heute wieder von ihrer besten Seite und lässt die Gletscherlandschaft rund um uns in hellem Glanz erstrahlen. Der Mönch thront hinter der Hütte, ein paar Bergsteiger sind schon längst unterwegs zu ihm. Wir haben aber heute keine Eile. Nach dem Frühstück steigen wir zum Jungfraujoch ab und fahren mit der Bahn ins Tal ab.
Am Bahnhof Kleine Scheidegg heißt es nun Abschied nehmen. Ein letztes Gruppenfoto und viele Umarmungen später trennen sich die Wege der Gruppe. Doch das Gefühl überwiegt, dass sie sich irgendwann wieder kreuzen werden. Nicht unbedingt hier in Grindelwald, aber vielleicht auf einem anderen Berg dieser Welt.
„Der Eiger ist kein leichter Berg, der Fels ist speziell, die Tour ausgesetzt und das Wetter kann sich blitzschnell ändern“, fasst Bergführer Konrad das Erlebte zusammen und fügt hinzu, „der Einsatz der Teilnehmer ist gewaltig, eine großartige Leistung bei solch schwierigen Bedingungen“. So wird die Aktion „Eiger-Extreme“ seinem Namen gerecht und man blickt dankend zurück, auf ein alpines Erlebnis der ganz besonderen Art.