Franz Grillparzer: „Alpenszene“
Foto: mauritius images / Gerhard Müller
Wir geben euch wieder ein Berggedicht mit in die Woche. Diesmal: „Alpenszene“ vom österreichischen Schriftsteller und Dramatiker Franz Grillparzer (1791-1872).
Alpenszene
„Hoch auf den höchsten Höhen
Gedeiht am besten das Rindvieh,
Da wohnen die seligen Trotteln,
Dem Himmel etwa am nächsten,
Doch freilich am fernsten der Erde.
Sie scheren geduldige Schafe,
Sie melken die strotzenden Kühe,
Sie leben vom Fette der Herden,
In Form der Köpfe die Kröpfe.
Sie falten die Hände voll Andacht,
Bekreuzen hohltönende Stirnen.
Was unten geschieht in den Tälern
Stört nicht ihre selige Ruhe.
Geduldig sind sie, bescheiden,
Es fehlt der Antrieb zum Bösen,
Und tun sie wirklich ein Unrecht
Wär's unrecht sie drob zu beschuld'gen
Und Nachsicht ersetzt ihre Einsicht.
So leben sie friedliche Tage,
Erzeugen maulaffende Kinder,
Der Vater erneut sich im Sohne
Und ruhig auf Trottel den Ersten
Wie Butter, folgt Trottel der Zweite.“
Franz Grillparzer
Franz Grillparzer, 1791 in Wien geboren, gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller und Dramatiker Österreichs. Sein Werk ist geprägt vom Geist der Französischen Revolution und der Napoleonischen Epoche. Die Gesamtausgabe seiner Werke umfasst 42 Bände.
1811 schließt Grillparzer das Studium der Rechte an der Universität Wien ab. Zunächst arbeitet er als Privatlehrer und Beamter, 1813 tritt er schließlich in den österreichischen Staatsdienst ein. Von 1821 bis zu seinem Ruhestand arbeitet er im Finanzministerium. Grillparzer verstirbt 1872 in Wien.
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