Bai Juyi: „Der Traum von der Bergersteigung“
Foto: mauritius images / imageBROKER / Oleksiy Maksymenko
Wir geben euch wieder ein Berggedicht mit in die Woche. Diesmal: „Der Traum von der Bergersteigung“ vom chinesischen Dichter Bai Juyi (772-846).
Der Traum von der Bergersteigung
„Nachts im Traume erstieg ich kühn ein Gebirge,
Allein unterwegs mit dem Bambusstecken.
Tausend Klippen und hundert Täler _
Auf meiner Traumfahrt erforscht' ich sie alle,
Doch in der ganzen Zeit wurden die Füße nicht lahm,
Und wie in der Jugend war schwingend mein Schritt.
Wandert der Geist zuürck, wäre es möglich,
Daß auch der Leib frühere Formen gewinnt?
Was nun Seele und Leib betrifft, wäre es möglich,
Daß ermattet der Leib, während die Seele erstarkt?
Leib und Seele sind Wahngebilde;
Träumen und Wachen – Unwirklichkeiten.
Am Tage versagen die strauchelnden Füße,
Bei Nacht besteigen sie mühelos Berge.
Da nun Tage und Nächte in gleiche Hälften geteilt sind,
Gleichen Gewinn und Verlust ganz von selber sich aus.“
Bai Juyi
Bai Juyi (Po Chü-I) war ein chinesischer Dichter der Tang-Dynastie. Er lebte von 772 bis 846. Seine Heimat war die Provinz Henan in der östlichen Mitte Chinas. Bereits in jungen Jahren verfasste Juyi erste Gedichte, insgesamt sind unglaubliche 2.800 Gedichte von ihm erhalten.
Im Jahr 800 wurde er als Lektor an die Kaiserliche Palastbibliothek berufen, als Mitglied der Hanlin-Akademie fiel er mit sozialkritischen Anmerkungen auf und wurde temporär ins Exil in die Provinz Jiangxi strafversetzt. Bereits 822 allerdings ließ ihn der Kaiser wieder als Mandarin in verschiedenen Provinzen arbeiten. Wegen seiner einfachen und klaren Sprache war Juyi besonders beim einfachen Volk beliebt.
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