Virungas – im Reich der afrikanischen Berggorillas
Im Herzen Afrikas, im Dreiländereck Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo, liegt die Bergkette der bis zu 4.500 m hohen Virunga-Vulkane. Afrikas ältestes Schutzgebiet bietet nicht nur die Gelegenheit zu ausgiebigen Bergtouren – hier kann man auch die vom Aussterben bedrohten Berggorillas aus der Nähe sehen. Unser Autor Gottfried Roelcke hat die aufwendige Anreise auf sich genommen und war begeistert.
Bericht: Gottfried Roelcke
Soeben hat die Sonne den Morgennebel über dem Wald durchdrungen, da stehe ich schon am Besucherzentrum des Mgahinga-Nationalparks, um meine Begleitmannschaft für diesen Tag zu treffen. Die Anreise am Vortag hat mich in das Städtchen Kisoro im äußersten Südwesten von Uganda geführt. Noch in der Dunkelheit bin ich mit dem Mietwagen bis an den Rand des Nationalparks gefahren. Meine Agentur hat alles hervorragend organisiert und ich werde schon erwartet.
Als Erstes, zum Aufwärmen sozusagen, will ich heute den Mgahinga besteigen. Mit 3.474 m ist er der niedrigste der drei Berge auf der Grenze zwischen Uganda und Ruanda. Das Besucherzentrum liegt auf 2.350 m Höhe, das ergibt also rund 1.100 hm Auf- und Abstieg – gerade richtig zum Akklimatisieren (nach dem Motto „climb high, sleep low“). Der Zustieg führt zunächst durch ehemaliges Kulturland, das nun in den Nationalpark eingegliedert wurde und demzufolge wieder langsam verwildert und verbuscht – ein Dorado für Vögel und anderes Getier. Nach etwa einer Stunde betreten wir den Bambuswald, die natürliche Vegetation dieser Höhenzone. Hier ist es auf einmal dunkel und still, ganz ohne Vogelgezwitscher.
Ein Vulkankegel zum Aufwärmen
Eine weitere Stunde später und ein paar hundert Meter höher verlassen wir den Bambuswald langsam wieder und es eröffnet sich der Blick nach Westen auf den Sabinyo (3.669 m), den ich ebenfalls noch besteigen will. Immer höher steigen wir nun den Vulkankegel des Mgahinga hinauf und immer steiler wird der Hang. Ohne die Treppen-ähnlichen Leitern (oder Leiter-ähnlichen Treppen), die man hier angebracht hat, wäre der Pfad stellenweise wirklich schwer zu begehen.
Allmählich komme ich etwas ins Keuchen. Ab 3.000 m Höhe wird die Luft doch schon ein wenig dünn, daran muss man sich eben erst gewöhnen. Doch dann ist endlich der Kraterrand erreicht und alle Mühsal vergessen.
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Der Mgahinga ist schon lange nicht mehr aktiv und der See in seinem Krater bereits verlandet. Der eigentliche Gipfel, der höchste Punkt des Kraterrandes, sei total überwuchert und man hätte keine Aussicht von dort, sagt Anthony, mein Führer. Daher schenken wir es uns, dort hinzugehen und blicken von hier aus über den Krater, der genau auf der Landesgrenze liegt.
Der höchste Berg dieses Nationalparks ist der Muhavura (4.127 m). Ihn zu besteigen, wäre eine nette Herausforderung, allerdings hat man nur vom Gipfel selbst eine lohnende Aussicht. Der Gipfel aber war bei meinem Besuch schon vom späten Vormittag an in den Wolken. Man müsste also nachts aufsteigen bzw. im Wald campieren. Das aber erlaubt die Nationalparkverwaltung nicht.
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Begegnung mit den Berggorillas
Für den folgenden Tag ist vorgesehen, dass wir die Berggorillas besuchen – ein Höhepunkt jedes Besuchs in diesem Nationalpark. Da es sich aber um keinen Zoo handelt, sondern die Gorillas sich hier frei durch den Wald bewegen, muss man erst einmal herausfinden, wo genau sie sich an diesem Morgen überhaupt aufhalten. Zu diesem Zweck gehen einige Nationalpark-Mitarbeiter voraus und melden der Begleitmannschaft über Walkie-Talkie, wo die Besucher hingeführt werden sollen. Es ist also keine ganz einfache Übung und die Dauer des Anmarschs schwankt von Tag zu Tag. Wenn man ganz großes Pech hat, sind die Gorillas an dem vorgesehenen Tag überhaupt nicht auffindbar; denn wir sind ja – wie gesagt – hier nicht im Zoo.
Nach einem Anmarsch von knapp zwei Stunden erreichen wir die Gorillas im dichten Unterholz, wo es viel zu fressen gibt. Nun heißt es leise sein, damit die scheuen Tiere nicht gestresst werden. Unsere Begleiter dirigieren uns hauptsächlich mit Handbewegungen und erklären uns nur mit wenigen leisen Worten das Wichtigste. Überdies ist unsere Begegnung mit den Gorillas strikt auf eine Stunde begrenzt. Alles andere wäre zu viel für die sensiblen Tiere.
Es ist nur ein kleiner Trupp von etwa einem Dutzend Individuen. Drei davon sind Männchen und eines davon ist das Alphatier; es ist etwa 28 Jahre alt, wird uns erklärt und hat das etwas ältere Männchen vor einiger Zeit aus der Führungsposition verdrängt. Die anderen Tiere sind Weibchen und Jungtiere verschiedenen Alters. „Jünglinge“ haben schwarze Rückenhaare, erst die Männchen „im besten Alter“ entwickeln das graue Rückenhaar, das ihnen den Namen „Silverbacks“ eingebracht hat.
Tief beeindruckt stehen wir vor diesen wunderbaren Geschöpfen und viel zu schnell ist diese eine Stunde herum. Dann treten wir den Rückweg an. Die Japanerin, die den ganzen Hinweg noch getratscht hat, ist auf einmal ganz still. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Was für großartige Tiere dies sind! Erstaunlich, dass sie sich durch unsere Anwesenheit gestresst fühlen, wo doch ein ausgewachsenes Männchen, rund 200 bis 250 kg schwer, jeden von uns mühelos überwältigen könnte. Trotz ihrer Größe sind sie eben doch friedliche Pflanzenfresser. Es war ein ergreifendes Erlebnis, sie zu sehen, und wir alle sind der Meinung, dass es den beachtlichen Preis (von mehreren hundert Dollar) wert war.
Seltene Goldmeerkatzen
Auch der nächste Tag ist noch dem Thema „Tierleben“ gewidmet. Dieses Mal besuchen wir die Goldmeerkatzen, eine Affenspezies, die ebenfalls gefährdet ist. Sie leben in größerer Höhe als die Gorillas, nicht im dichten Unterwuchs des ehemaligen Kulturlandes, sondern in demselben Bambuswald, den ich beim Aufstieg auf den Mgahinga durchwandert habe. Dort ist es ziemlich dunkel und man kann die Meerkatzen gegen den hellen Himmel meist nur schlecht sehen, geschweige denn fotografieren. Wir aber haben Glück: Die Meerkatzen turnen gerade in einer kleinen Lichtung herum, die durch das Umfallen eines großen Baumes entstanden ist. So kann ich sie recht gut durch mein Fernglas beobachten und sogar einige brauchbare Fotos machen.
Bergwandern im Herzen Afrikas
Das wohl schönste Erlebnis für einen passionierten Bergwanderer wie mich ist hier aber eine Besteigung des Sabinyo. Nacheinander erklimmt man die Gipfel Peak I, Peak II und Peak III. Letzterer liegt genau auf dem Dreiländereck Uganda-Ruanda-Kongo. Mit 3.669 m Höhe erfordert der Sabinyo also einen Aufstieg von rund 1.300 hm ab dem Besucherzentrum – eine nette Tageswanderung, die ich gerne in Angriff nehme.
Zunächst, etwa eine halbe Stunde lang, geht es wieder durch Bambuswald, dann durch einen lichteren Wald in einem etwas sumpfigen Milieu. „Die Elefanten mögen diesen Sumpf“, wird mir erklärt, „oft kommen sie durch den Wald des Nationalparks aus dem Kongo hierher, um ihn zu genießen“. Tatsächlich sehen wir wenig später knietief eingedrückte Fußstapfen von Elefanten.
Wo es allzu morastig ist, haben die Ugander aus Holzbrettern praktische kleine „Plankwalks“ gebaut, damit die Herrschaften Besucher keine nassen Füße bekommen. Übrigens warten jeden Morgen am Besucherzentrum einige Männer in der Hoffnung, dass sie vielleicht Glück haben und einem Touristen für ein paar Dollar den Rucksack tragen dürfen. Gerne biete ich einem von ihnen diese Verdienstmöglichkeit, obwohl ich mein lächerliches Tagesrucksäckchen wahrhaftig auch selbst tragen könnte.
Durch das Wellness-Gebiet der Elefanten
Gegen Mittag liegt der obere Teil des Berges oft schon in den Wolken, und so marschieren wir flott dahin, um dem Schlechtwetter zuvorzukommen. Im Wald zeigen mir meine Begleiter den Elefantenpfad in den Kongo, und hin und wieder haben wir auch durch das Gebüsch ein wenig Aussicht in das Territorium des Kongo; wir befinden uns ja nur etwa einen Kilometer östlich der Grenze.
Um elf Uhr stehen wir dann tatsächlich auf Peak I, laut Schild auf 3.423 m Meereshöhe, und machen hier eine kurze Pause. Peak III beginnt bereits in den Wolken zu verschwinden, aber mindestens auf Peak II wollen wir unbedingt noch gehen. Der Weg dorthin, auf dem Grat entlang, führt zunächst etwas abwärts, dann wieder mit Hilfe der Treppenleitern, die ich schon auf dem Mgahinga kennengelernt habe, aufwärts. Wer trittsicher ist und mit den Treppenleitern keine Probleme hat, schafft diesen kurzen Aufstieg in vielleicht einer halben Stunde.
So erreichen wir Peak II und müssen erkennen, dass der Weitermarsch eigentlich keinen Sinn mehr macht – zu dicht sind die Wolken schon geworden. Wir sehen die Holztreppe den Steilhang hinauf, aber sie ist bei diesen Bedingungen mit Sicherheit feucht und glitschig, die Gefahr des Ausrutschens und Abstürzens wäre erheblich und der nächstgelegene Rettungshubschrauber ist wahrscheinlich in Klagenfurt oder so. Das Risiko lohnt sich nicht. Damit kann ich aber leben – es ist auch so ein wunderbares Erlebnis. Die Landschaft wirkt in diesem Nebel fast mystisch – ich staune über die exotischen Pflanzen und die Aussicht nach Osten.
So steigen wir durch den Nebelwald wieder ab und erreichen auf derselben Route, die wir für den Aufstieg benutzt haben, am Nachmittag wieder das Besucherzentrum. Wer keine Probleme mit Höhen im Bereich von 2.300 bis 3.600 m hat, kann diese Besteigung also leicht als Tagestour durchführen.
Am Nachmittag, als ich mich in einem Liegestuhl ausruhe, zeigen mir die Mitarbeiter meiner Unterkunft noch etwas Interessantes: ein Jackson-Chamäleon. Ich habe erst selten ein so ein bizarres und dabei doch äußerst anmutiges Tier gesehen.
Damit ist mein Besuch der ugandischen Virungas beendet und ich reise tags darauf wieder nach Kigali zurück. Mein Mietwagen samt Fahrer hat all die Tage auf mich gewartet. Das hat natürlich erhebliche Kosten verursacht, ist aber wohl immer noch die vernünftigste Option für alle, die nicht endlos Zeit haben. Es war ein äußerst lohnender Besuch, eine perfekte Symbiose aus Bergwandern und Tierbeobachtungen – ich schätze mich glücklich, diese Chance ergriffen zu haben.
Infos und Adressen: Virungas, afrikanisches Dreiländereck Ruanda, Uganda und Demokratische Republik Kongo
Beste Wanderzeit: Dezember bis März oder Juni bis September.
Anreise: Flug entweder nach Entebbe (Ugandas internationaler Flughafen) oder Kigali (Hauptstadt von Ruanda). Empfehlenswert ist ein Flug über Nairobi, damit man den Besuch der Virungas mit einer Safari und/oder einem Strandurlaub verbinden kann. KLM fliegt ab Amsterdam direkt nach Kigali oder über Nairobi nach Entebbe. Kenya Airways fliegt ab Frankfurt beide Ziele über Nairobi an.
Visa: Bei Ankunft in Entebbe erhält man problemlos ein Visum-bei-Ankunft für 90 Tage (USD 50); bei Ankunft in Kigali erhält man problemlos ein Transit-Visum für Ruanda (USD 30).
Weiterkommen: Von Entebbe ist es wesentlich weiter zum Mgahinga-Nationalpark (Uganda) als von Kigali; allerdings erspart man sich den Grenzübertritt, der durchaus zeitraubend werden kann. Vom Flughafen Entebbe fliegen hin und wieder kleine Cessna-Flugzeuge nach Kisoro. Genaueres erfahrt ihr am zuverlässigsten von eurer Unterkunft. Ansonsten müsste man mit dem Taxi zum Jaguar-Busterminal in Kampala fahren (70 km, ca. 40 Euro), von dort einen Bus nach Kisoro nehmen und sich dort von der gewählten Unterkunft abholen lassen. Diese Option erfordert aber Fahrten von insgesamt rund 550 km auf afrikanischer Landstraße. Bei Ankunft am Flughafen Kigali ist die beste Option ein vorab arrangierter Mietwagen mit Fahrer, denn es handelt sich um eine internationale Autofahrt (Grenzübertritt in Cyanika) einschließlich Wechsel von Rechtsverkehr auf Linksverkehr. Ansonsten müsste man ein Taxi zum Nyabugogo-Busterminal in Kigali nehmen, von dort einen Bus in die Stadt Musanze (früher Ruhengeri genannt), von dort einen Bus zum Grenzübergang Cyanika und von dort ein Motorrad-Taxi nach Kisoro (oder ein Auto, falls zufällig eines verfügbar sein sollte). Auch hier wird die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel recht mühselig werden.
Gorilla-Besuchsgenehmigung: Für den einstündigen Besuch der Berggorillas ist ein besonderes Permit erforderlich, was vorab in die Wege geleitet werden muss und mehrere hundert Dollar pro Person kostet. Es empfiehlt sich sehr, dies, sowie die Reservierung von Transport und Unterkunft, einer kompetenten Agentur zu übertragen. In meinem Falle war das Inspired Journeys. Auch eure gewählte Unterkunft kann dabei behilflich sein.
Unterkünfte: Konkurrenzlos günstig gelegen – nur wenige hundert Meter vom Besucherzentrum des Mgahinga-Nationalparks entfernt – ist das Amajambere Community Camp (siehe auch: www.mcdou.org). Es bietet allerdings nur einen bescheidenen Standard an Unterkunft und Verpflegung. Das Städtchen Kisoro bietet mehr und bessere Optionen, ist aber 15 km entfernt und die Fahrt mag je nach Straßenzustand über eine Stunde je Richtung in Anspruch nehmen.
Kommunikation: In Uganda ist Englisch Amtssprache. In Ruanda wird neben der Amtssprache Französisch mittlerweile auch sehr viel Englisch gesprochen.
Ausrüstung: Es gibt weder technische Herausforderungen noch Wetterbedingungen, die besondere Ausrüstung erfordern. Leichte Wanderschuhe oder Wanderstiefel mit guter Profilsohle sowie eine Regenjacke reichen aus. Eine lange Wanderhose ist zu empfehlen, am kühlen Abend ist eine Fleecejacke von Vorteil. Sonnenschutz ist wichtig, denn auch bei bedecktem Himmel ist die UV-Strahlung erheblich. Für die Beobachtung der Goldmeerkatzen und von allerlei Vögeln ist ein Fernglas sehr nützlich; für die Beobachtung der Gorillas ist es allerdings unnötig.
Sonstiges: Die Bergkette der Virungas zieht sich vom Mgahinga-Nationalpark (Uganda) noch weit nach Südwesten entlang der Grenze zwischen Ruanda und dem Kongo. Dort befindet sich auch der höchste Gipfel der Kette, der Karisimbi (4.507 m), ein aktiver Vulkan, der in einer Zwei-Tages-Tour bestiegen werden kann. Die Berge Mikeno und Nyiragongo sind theoretisch besuchenswert, liegen aber zur Gänze im Territorium des östlichen Kongo, wo erhebliche Gefahr von bewaffneten Banden ausgeht, sodass ein Besuch zu jeder Zeit riskant und zeitweise überhaupt nicht machbar ist. Dies gilt noch mehr für den Virunga-Nationalpark weiter nördlich (ebenfalls zur Gänze auf kongolesischem Territorium).
Nationalpark: virunga.org
Zum Autor: Gottfried Roelcke (71) hat im Rahmen seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit in zahlreichen Entwicklungsprojekten viele Länder Asiens und Afrikas bereist und dabei immer wieder abenteuerliche Bergtouren unternommen. Gerne berichtet er uns davon in Wort und Bild.