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Berg-Philosophie

Abenteuer-Kultur: Kein Wagnis ohne Risiko

• 8. Februar 2018
3 Min. Lesezeit
von Christina Geyer

Darf man eigentlich noch von einem Abenteuer sprechen, wenn man es bequem mit wenigen Mausklicks beim Expeditionsveranstalter buchen kann? Und was genau unterscheidet das Abenteuer vom durchdachten Bergsteigen? Eine philosophische Begriffssuche zwischen Wagnis und Risiko.

Ski-Bergsteiger Grzegorz Bargiel im Himalaya (Tibet)
Foto: Kin Marcin/Red Bull Content Pool
Der polnische Ski-Bergsteiger Grzegorz Bargiel im Himalaya (Tibet)
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Die Seefahrt von Christoph Kolumbus, die Forschungsreisen von James Cook, der Vorstoß auf Achttausender durch Reinhold Messner und Peter Habeler. Es sind Geschichten wie diese, aus denen der Stoff für große Abenteuer gewoben wird. Was sie eint, ist die Ungewissheit des Ausgangs. Kolumbus hatte keine Ahnung, dass er Amerika entdecken würde, Cook konnte nicht wissen, dass der postulierte Südkontinent Terra Australis nicht existierte – und Messner und Habeler erhielten erst nach ihrer Rückkehr Gewissheit darüber, dass man auf über 8.000 Metern auch ohne künstlichen Sauerstoff überleben kann.

Wer sich Abenteurer nennt, muss also vor allem eins haben: Schneid. Ohne Mut kein Abenteuer. Das Risiko ist die eng umschlungen gehaltene Freundin des Abenteuers. Das Abenteuer kann man nicht kalkulieren, sein Ausgang ist stets offen und unvorhersehbar. Es ist eine Expedition ins Unbekannte. Bereits Johann Wolfgang von Goethe wusste: „Das Angenehme auf Reisen (ist), dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt“.

Zeichnung von 1770: James Cooks Schiff im australischen Queensland
Foto: mauritius images / United Archives
Zeichnung von 1770: Landung von James Cooks Schiff im australischen Queensland

Hier nun offenbart sich aber die große Lüge unserer Zeit, in der Expeditionsveranstalter mit Triggerwörtern wie „Abenteuer-Reise“ operieren. Der Abenteurer zieht los und weiß nicht, wen er antreffen, was ihn erwarten und wo er landen wird. Der abenteuerhungrige Pauschalangebot-Unterzeichner sucht ein Abenteuer bei maximaler Absicherung. Und entwertet dadurch den Kern des Abenteuers: die Eigenverantwortung. Er delegiert die Entscheidungen an jene, die ihn „be-abenteuern“, wie es Wagnisforscher und Psychologe Siegbert Warwitz treffend formuliert. Während das vermeintliche Abenteuer mit wenigen Mausklicks gekauft wird, takten die Veranstalter im Hintergrund bereits den genauen Ablauf durch.

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„Wagen hat mit abwägen zu tun“

Auch bei der gebuchten Expedition kann freilich etwas schief gehen – ebenso wie am Berg. Man kann das Risiko tunlichst gering halten. Eliminieren kann man es nicht. Das echte Abenteuer verlangt nach Wagnis. Warwitz teilt das Wagnis in zwei Sparten auf, nämlich – einerseits – in eine gefährliche Situation, in der man scheitern kann, und in einen menschlichen Aspekt, der Antwort auf folgende Frage fordert: Ist man bereit, sich in eine solche Situation zu begeben? Vereinfacht gesagt: Kennt man die Gefahr der Situation gut genug, um sich ihr auszusetzen?

„Wagen hat mit abwägen zu tun“, sagt Warwitz und zieht dabei eine messerscharfe Trennlinie zum unüberlegten Risiko, das blind und ahnungslos, bar jeder Vorbereitung, ins Neuland drängt. Sobald man ungefähr weiß, was einen erwartet, so könnte man behaupten, ist die Zeit des Abenteuers schon vorüber. „Zuverlässige Informationen sind unbedingt nötig für das Gelingen eines Unternehmens“, wusste auch schon Christoph Kolumbus. Seine Feststellung hat an Gültigkeit nichts eingebüßt.

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    Der eigenverantwortliche Bergsteiger bereitet sich vor, studiert Karten, liest Lawinenlageberichte, befragt die Wetterdienste. Er packt nicht einmal eben so seinen Rucksack, schnürt die Schuhe und lässt sich treiben, um überrascht festzustellen, auf welchem Gipfel er wohl letztlich landen wird. Natürlich setzt sich auch der gut vorbereitete Bergsteiger einem gewissen Restrisiko aus. Das Leben sieht nun leider vor, dass es sich nur allzu leicht beenden lässt. Ob durch Stolpern oder durch Steinschlag. Man kann das Risiko jedoch reduzieren.

    Das versuchen die Expeditionsveranstalter ebenso wie Freerider, Bergsteiger, Reisende und Kletterer. Pedantisches Planen, das Mitführen einer Notfallausrüstung, das Studieren von Routen – all das sind Maßnahmen zur Absicherung und Bändigung eines übergroßen Risikos. Die Grenze zum Abenteuer – wie auch Warwitz es versteht – ist fließend, ihr Ausgang aber viel klarer umrissen. Es macht eben einen Unterschied, ob man aufbricht, ohne sein Ziel zu kennen – oder einen konkreten, bekannten Gipfel besteigt.

    Das Risiko, das bei einem „richtigen“ Abenteuer – also jenem Unterfangen, das blind ins Unbekannte drängt – eingegangen wird, ist um ein Vielfaches höher. Ganz einfach weil man nicht weiß, wohin die Reise geht und wo sie enden wird. Man übernimmt die Verantwortung für sein Tun zur Gänze selbst und gibt etwaige Konsequenzen nicht an Dritte ab. Das gilt übrigens auch für den selbstbestimmten Bergsteiger – auch wenn dieser, anders als der Abenteurer, sein Ziel bereits kennt. Siegbert Warwitz findet die richtigen Worte dafür: „So gibt es zwar kein Wagnis ohne Risiko, aber durchaus Risiko ohne Wagnis“. Und das macht in der Tat einen gewaltigen Unterschied.

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