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Expedition auf den Cho Oyu

8 Min.

02.10.2023

Foto: Mountainfilmcrew

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Extremalpinist und Dynafit-Geschäftsführer Benedikt Böhm will gemeinsam mit dem nepalesischen Bergführer und Bergsteiger Prakash Sherpa den sechsthöchsten Berg der Welt, den Cho Oyu (8.188 m) im Himalaya-Gebirge, besteigen. Wir begleiten sie dabei und versorgen euch hier und auf Instagram mit Neuigkeiten von der Expedition.

***Liveblog***

07. Oktober 2023: Erfolgreich am Gipfel des Cho Oyu (8.188 m)!

Wir sind genau nach 12:35 Stunden am Gipfel angekommen. Den Gipfel erkennt man an der Wetterstation. Die Ski habe ich aus Sicherheitsgründen (schnelleres Verlassen der Todeszone) mitgenommen, aber nicht genutzt. Das war für mich ein Sicherheitsthema, außerdem waren die Schneeverhältnisse grausam.

Insgesamt war es wirklich schnell. Der Abstieg durch den Bruchharsch und die ewige Moräne hat mir den absoluten Rest gegeben. Bis zum Basecamp war es sehr, sehr hart für uns. Aber Prakash und ich haben sehr gut harmoniert und uns auch mal gegenseitig gepusht.

Ich bin jetzt wirklich wirklich platt mit einem bösen Husten.

06. Oktober 2023: Bereit für den Gipfel

Nachdem wir die letzten Tage bei schlechtem Wetter nur gewartet haben, spielt das Wetter nun endlich mit und es soll die kommenden Tage schön sein. In der Nacht von 06. auf 07. Oktober wollen wir probieren, was laut unseren Recherchen noch nie jemand probiert hat: Wir wollen in einem Zug vom Basislager in einem Non-Stop Push auf den Gipfel des Cho Oyu - und das möglichst in unter 10 Stunden.

Mit dabei haben wir so gut wie nichts. Wir schneiden mit einer Besessenheit jedes überflüssige Gramm ab. Es wird nur mitgenommen, was für den Gipfelerfolg essentiell ist. Denn wir müssen leicht sein, um schnell zu sein. Prakash und ich steigen zu zweit nach oben ohne künstlichen Sauerstoff und ohne Sherpa. Na dann: Let's go!

03. Oktober 2023: Trends im Höhenbergsteigen

Die Nacht, die wir im Lager 2 (7.200 m) verbracht haben, war bisher meine höchste Lagernacht und ich konnte sogar drei Stunden einigermaßen gut schlafen. Ab zwölf Uhr nachts lag ich wach. Prakash schlief wie immer neben mir wie ein Baby. Gegen zwei Uhr morgens hörten wir draußen auf einmal Geräusche von vielen Menschen. Es stellte sich heraus, dass dies Nimsdai Purjas Team ist, die auf dem Weg zum Gipfel sind. Nimsdai ist durch den Netflix Film „14 Peaks“ einer breiteren Masse bekannt. Er ist auch ein guter Geschäftsmann. Inzwischen hat seine Finger in vielen Projekten von Restaurants bis zum Aufbau seiner eigenen Helikopter Firma.

Nimsdai ist meiner Meinung nach gut für Nepal, weil er zu einem Nationalhelden geworden ist, den es hier vorher so nicht gab. Er gibt dem Land Selbstbewusstsein. Mit ihm gehen einige tiefgründige Veränderungen im kommerziellen Höhenbergsteigen einher: Erstens sieht man, dass nepalesische Bergsteigeragenturen weitgehend westliche Agenturen ablösen. Die einstige Dominanz an westlichen Organisationen wie ich sie noch vor zehn Jahren kannte, ist dahin. Allen voran Nimsdai zieht viele Kunden an. Er hat exklusive Kunden wie zum Beispiel die Prinzessin von Quatar. Meistens geht es darum, den Kunden den Traum der vierzehn 8.000er zu erfüllen. Also genauso wie Nimsdai es in seinem Film vorlebt: Möglichst schnell alle 8.000er abhaken. Sehr viel Sauerstoff, viele Helikoptereinsätze, sehr viele Sherpa, die die Logistik klarmachen und die Route einspuren und fixieren.

Ich bin vielleicht etwas altmodisch, aber ich habe Sauerstoff für mich immer abgelehnt. Ich will unabhängig sein und meine eigenen Erfahrungen machen sowie selbstständige Entscheidungen treffen. Deshalb bin ich in den Bergen. Deshalb setze ich mich dieser Arena aus. Es ist für mich eine einzigartige Lebensschule.

Um vier Uhr morgens stehen wir bereit zum Abmarsch. Heute steht der Gipfel am Programm. Ich bin insofern mit meinem Tempo zufrieden, da wir gerade mal vor sechs Tagen im Basecamp angekommen sind, und ich jetzt relativ zügig auf dem Weg zum Gipfel des sechshöchsten Bergs bin. Ich bin definitiv noch nicht akklimatisiert. Normalerweise gibt man sich gute 20 Tage zur Akklimatisierung, bevor man einen Gipfelversuch ohne Sauerstoff wagt. Anfangs sind die Bedingungen perfekt. Fast kein Wind, relativ klar. Umso weiter wir steigen, umso mehr Wind kommt auf. Wolken ziehen rein und es wird kalt. Prakask sagt: “Giving up is not in our blood, right?“ Mir gefällt diese Einstellung und ich schenke ihm ein vereistes Lächeln.

Wir haben ja das Seil, an dem wir uns beim Abstieg nach unten orientieren können. Denn genau das ist das Problem. Wir sehen nichts. Absolut gar nichts. Wir merken, dass es deutlich flacher wird und wir jetzt in der Gipfelregion sind. Und nun kommen wir zum Endpunkt des Seils. Also keine Sicherheit mehr, um zurückzufinden, wenn wir weitergehen. Ich werde nie vergessen als ein Freund am Broad Peak (ein 8.000er) in Pakistan in einer ähnlichen „Whiteout“-Situation einfach über eine gewaltige Abrisskante in die Tiefe gestürzt ist. Wenn alles um dich herum schneeweiß ist, siehst du nichts mehr. Ich liebe es an meine Grenzen zu gehen und über mich hinauszuwachsen. Aber ich will kein zusätzliches Risiko eingehen. Insofern bin ich happy, dass Prakash und ich uns blind einig sind, umzudrehen. Man muss dazusagen, dass der Gipfel heute nur ein schönes Nebenprodukt einer Akklimatisierungstour gewesen wäre. Trotzdem weiß man nie, ob man eine zweite Chance bekommt, dem Gipfel nochmal nahe zu kommen. Bei schlechtem Wetter keine Chance. Und das kündigt sich leider für die kommenden Tage an.

01. Oktober 2023: Herausfordernder Aufstieg ins Lager 2

Im Lager 2, in dem wir heute die Nacht verbringen, gibt es tatsächlich Netz - auf 7.200 m. Die letzten Tage waren sehr anstrengend. Die Speedbegehung vom Advanced Basecamp (5.660 m) war verdammt weit. Zuerst der endlose Gletscher, dann der steile Aufstieg zum Lager 1, gefolgt von einem großen Gletscherbruch mit 800 Metern Höhendifferenz bis zum Lager 2. Obwohl ich die Nacht hier oben heute hassen werde, ist sie für die Akklimatisierung extrem wichtig. Ich gehe nicht davon aus, dass ich auch nur eine Minute schlafen werde. Leider ist für die nächsten Tage eine Schlechtwetterfront mit über einem Meter Schnee angekündigt.

27. September 2023: Erste Akklimatisierungstour ins Lager 1

Ich bin noch ziemlich platt von der Nacht und mein Magen rebelliert. Ich bitte Prakash vorauszugehen damit ich mich nicht gehetzt fühle. Es ist wichtig während der Akklimatisierung seinen eigenen Rhythmus zu finden. Ich bin ziemlich überrascht, als wir nach nur 2,5 Stunden das Lager 1 auf 6.400 m erreichen. Das ist viel schneller als ich mich gefühlt habe. Aber in der Höhe kommt einem einfach alles so unendlich langsam vor. Wir sehen von Lager 1 nun die komplette Route bis fast zum Gipfel und von hier schaut es gar nicht mehr ganz so weit aus. Aber es wird verdammt weit und verdammt hoch. Ab 7.500 m fehlen 80 % der Sauerstoffgehalts. Zusammen mit der Kälte (und hoffentlich KEINEM Wind) wird jeder Schritt nach oben ein absoluter Kraftakt. Nach 1,5 Stunden sind wir wieder im ABC.

Eine Sache, die mir positiv aufgefallen ist, ist der Umgang mit Müll. Es gibt hier zwar auch viel zu viel Müll, den wir immer brav einsammeln. Aber es gibt keine Müllhalden wie wir sie letztes Jahr am Himal Himlung in Nepal erlebt haben. Leider wird immer noch sehr viel in die Natur geworfen, aber eine wirklich gute Initiative der Behörden hier ist, dass jeder Bergsteiger 8 kg Müll zu sammeln hat. Diese 8 kg müssen nach Abschluss der Expedition unten bei den Behörden abgegeben werden. Sonst gibt es angeblich eine Strafzahlung. Natürlich kann man sich 8 kg Müll wahrscheinlich auch irgendwo besorgen, aber immerhin.

26. September 2023: Eine schwierige Nacht auf 5.660 m

Prakash und ich hatten einen langen Anmarsch vom Pre-Basecamp (4.900m) zum ABC (Advanced Basecamp). Das ABC ist das eigentliche Basecamp, von wo aus man den Cho Oyu besteigt, und liegt auf 5.660m. Prakash und ich liefen erst auf perfekt planierten Straßen. Das haben die Chinesen wirklich drauf. Immer wieder fahren SUVs an uns vorbei immer weiter nach oben. Meistens sind es chinesische Touristen, die über 5.000m hochfahren und als erste Aktion eine Rauchen. Es wird überhaupt enorm viel geraucht. Ich habe mir sagen lassen, rauchen sei ein Zeichen des Wohlstands.

Die erste Nacht auf fast 5.700 m ist für mich wie immer gewöhnungsbedürftig. Atemnot. Totale Unruhe und ständiges hin- und her wälzen. Völlig sinnlose zusammenhanglose Gedanken und oberflächliche Träume, die sich in der Dauerschleife einer Sackgasse bewegen. Nasenbluten. Und ein sehr unruhiger Magen, der sich immer an der Kippe befindet. Prakash hat diese Probleme nicht. Er ist einfach von Natur aus ideal an diese Höhe angepasst. Er bewegt, schläft, und isst hier, als ob wir in Kathmandu wären.

25. September 2023: Ankunft im Pre-Basecamp

Gestern sind wir in einem Pre-Basecamp auf 4.900 m angekommen. Eine große chinesische Expedition ist hier, sonst niemand. Bei einem formellen Meeting mit Vertretern der Chinesische Mountaineering Association (CMA) wurde mir heute ganz offiziell eine Skiabfahrt vom Cho Oyu untersagt. Die Begründung der CMA lautet: “Safety first“. Ich habe versucht zu erklären, dass der Cho Oyu sich perfekt zum Skifahren eignet und ich mit Ski viel schneller aus der Risikozone herauskomme. Aber ich merke schnell, dass Diskussionen hier absolut nichts ändern werden. Denn hier bedeutet „nein“ tatsächlich „nein“. Wir werden sich also damit abfinden müssen, den besten Skiberg aller 8.000er zu Fuß hinauf und hinunter zu gehen. Nun gut, Kopf hoch. Immerhin dürfen wir überhaupt hier sein. Immerhin kommen wir dem Berg näher. Ich muss es jetzt so nehmen, wie es ist. Einfach durchziehen. Also akklimatisieren wir uns weiter und versuchen, dem Gipfel näher zu kommen.

21. September 2023: Einreise nach Tibet

Wir reisen über den nepalesischen Grenzort Rasuwagadhi nach Tibet ein. Vor der Einreise wurden wir genau gebrieft: Was wir dürfen und welche Fotos auf dem Smartphone gelöscht werden müssen. Genächtigt wird im Ort Kerung, bevor es weiter nach Tingri und schließlich ins Basecamp des Cho Oyu geht.

19. September 2023: Besuch bei Prakashs Familie

Wir warten in Kathmandu, Nepal auf das Einreisevisum nach Tibet. Kathmandu ist wie immer absolut verrückt. Das perfekte Chaos. Die Wartezeit nutzen wir, um die Umgebung Kathmandus, verschiedene Läden und Produktionen zu erkunden. Beim gemeinsamen Familienessen mit Prakashs Familie bekomme ich Eindrücke in das Leben einer typisch bäuerlichen Familie, die vom Land in die Stadt gezogen ist.


Mit Höchstgeschwindigkeit nach oben

Wenn Benedikt „Beni" Böhm auf Berge steigt, tut er das schnell. Der Geschäftsführer von Dynafit hat das Speed-Bergsteigen für sich entdeckt, bei dem er in einem Stück vom Basislager bis zum Gipfel und wieder zurück geht. Klingt hektisch, für Beni Böhm geht es dabei aber in erster Linie um Effizienz und Sicherheit: Beim Speed-Bergsteigen braucht er weder viel Gepäck noch komplizierte Logistik. Und er reduziert das Risiko in der sogenannten Todeszone - also in jenem Bereich jenseits der 7.000 Meter, in der der Mensch durch den geringen Sauerstoffgehalt nur für einen begrenzten Zeitraum überleben kann.

Der Flow-Zustand, in den man kommt, wenn alles perfekt ineinandergreift, begeistert mich am Speed-Bergsteigen. Viele verbinden Geschwindigkeit mit Hektik, für mich ist es eine Art Kunst, die nur mit akribischer Vorbereitung möglich ist. - Beni Böhm

Nach ihrer letzten Expedition auf den Himlung Himal (7.126 m) in unter zehn Stunden, nehmen Beni Böhm und sein Begleiter Prakash Sherpa nun den Cho Oyu (8.188 m) an der Grenze zwischen Tibet und Nepal in Angriff. Ziel ist es, den Gipfel vom Basislager auf 5.600 Metern aus in unter 10 Stunden zu erklimmen.


Vorbereitung ist alles

Als Geschäftsführer und Vater von drei Kindern kann es für Beni Böhm schon mal schwierig werden, genug Zeit für die Vorbereitung auf seine Expeditionen zu finden. In der Regel steht er schon um vier Uhr auf, um das Training noch vor der Arbeit zu bewältigen. Pro Woche versucht er, zwischen 5.000 und 10.000 Höhenmeter zu machen.

Bei der mentalen Vorbereitung helfen sogenannte Angstkarten. Gemeinsam mit seinem Expeditionspartner Prakash Sherpa unterteilt er den Berg in einzelne Zonen und sie definieren, wo sie welche Ängste haben. So wird man sich der Angst bewusst und kann gezielt daran arbeiten. Klare Kommunikation ist vor den Projekten essenziell - auch über unangenehme Themen wie Ängste, Risiken und den Tod.


Büro am Berg

Dank moderner Technik hat Beni die Möglichkeit, auch im Basecamp auf über 5.000 Meter E-Mails zu beantworten. Das lange Warten – auf gute Wetterbedingungen oder zur Akklimatisierung – vertreibt er sich mit Arbeit. Vom Basislager aus schafft er das so konzentriert und effizient wie selten sonst. Das Bergsteigen nützt Beni Böhm auch langfristig im Arbeitsalltag: Am Berg hat er bereits viel gelernt - etwa über den Umgang mit Fehlern und Risiko, Selbstreflexion und Vertrauen in sich selbst und andere.

Übrigens: Als WWF Botschafter hat Bene die Initiative Helping Band zum Ausbau von Natur- und Meeresschutzgebieten ins Leben gerufen. Mit dem Gewinn aus dem Verkauf der Armbänder wird der WWF unterstützt. Zusammen mit VIPrize versteigert Bene nach der Speed-Begehung seine Cho Oyu Originalausrüstung sowie eine Bergtour mit ihm inklusive Anreise und Hotel für zwei Personen. Der Erlös wird Helping Bands gestiftet.

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