Große Zinne: Klettern am Wahrzeichen der Dolomiten
Die Zinnen wollen erklettert werden! Erst recht die Große, finden unsere Autorinnen Maggy und Anja. Zur Vorbereitung auf das baldige Adidas Terrex Mountain Project haben sie mit Bergführer Michi Wohlleben das Abenteuer gewagt. Uns berichten sie davon.
Die Drei Zinnen sind als unverkennbares Wahrzeichen der Dolomiten, UNESCO Weltkulturerbe und Traumziel für Kletterer und Bergsteiger weltweit bekannt. In den Sextner Dolomiten zwischen Südtirol und Belluno gelegen, ist der Fuß der markanten Felsformation entweder mittels Wanderung via Drei Zinnen Hütte oder noch leichter mit dem Auto und halbstündigem Fußweg von der Auronzohütte zu erreichen. Doch reinen Wanderern bleibt die Besteigung und der Ausblick von dem ikonischen Gebirgsstock verwehrt: Die Zinnen wollen erklettert werden! Selbst der einfachste Weg auf die höchste Erhebung des Paradeberges, die 2.999 Meter hohe Cima Grande, fordert über 450 Höhenmeter Kletterei und eine sichere Fortbewegung im oberen dritten Schwierigkeitsgrad – technisch nicht allzu schwer, aber dennoch nicht zu unterschätzen.
Im Rahmen der Vorbereitung auf das Adidas Terrex Mountain Project 2017 kamen wir in den Genuss einer einsamen Zinne an einem eigentlich wettertechnisch viel zu schlecht gemeldeten Bergtag. Hier unser Bericht.
Start um 3 Uhr früh
Um drei Uhr reißt uns der Wecker aus dem Tiefschlaf und aus unseren gemütlichen Betten im Rifugio Lago Antorno. Eigentlich viel zu früh für körperliche Ertüchtigung, aber der Wetterbericht für den heutigen Tag ist eher durchwachsen angesagt und ab 11 Uhr ist Regen auf dem Radar. Daher hat unser Bergführer Michi Wohlleben einen nächtlichen Aufbruch angeordnet, dem wir gerne, wenn auch etwas verschlafen und langsam, folgen. Zum Glück haben wir vom Lago Antorno keine halbe Stunde Anfahrt mehr und starten pünktlich um kurz nach vier mit gepackten Rucksäcken vom Parkplatz der Auronzohütte gen Cima Grande. Es ist schon erstaunlich hell und wir benötigen eigentlich keine Stirnlampen, leuchten uns aber trotzdem noch die ersten Meter durch die Dämmerung. Via kurzem Fußweg und dann über einen serpentinenartigen Pfad geht es in gut 20 Minuten zum Einstieg in den Normalweg der Großen Zinne. Bereits beim Zustieg lässt sich erahnen, was für ein tolles Panorama uns erwartet: Der Himmel über uns ist sternenklar und in den umliegenden Tälern hängen Wolken und morgendlicher Nebel. Die Zinnen thronen wolkenlos und ungetrübt dazwischen – ein eher seltener Anblick, wie Michi uns erklärt.
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Mit dem Sonnenaufgang aufwärts
Am kurzen Seil geht es zuerst in leichter Kraxelei bergan. Gut zum Eingewöhnen für uns, die wir ja noch in den Kinderschuhen des Felskletterns – und auch des „richtigen Kletterns“ überhaupt – stecken. Aber das Bouldertraining macht sich bezahlt: Relativ mühelos folgen wir Michi von der aufgehenden Sonne begleitet über den Fels nach oben und gewinnen trotz diverser Fotostopps relativ schnell an Höhe. Die Morgenstimmung hier zwischen den massiven Felswänden der Drei Zinnen ist eine ganz besondere, mystisch und motivierend zugleich. Die perfekten Kletterbedingungen machen es uns zugegebenermaßen aber auch wirklich einfach: Es geht kaum Wind, ist trotz der frühen Stunde nicht kalt und Michi gibt uns ein super sicheres Gefühl. Trotzdem steigt mit jedem Klettermeter auch der Respekt, da die Schwierigkeiten hier nach oben hin zunehmen. Mit Umsicht und konstantem Tempo erklimmen wir Meter für Meter Rinnen, Scharten, Schroffen und Blöcke und genießen wirklich alle Züge. In der beeindruckenden Kulisse der Dolomiten klettern zu dürfen, ist ein Privileg, für welches wir schon bei unseren ersten Versuchen an den Sellatürmen sehr dankbar waren.
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Zunehmende Schwierigkeit und Schrecksekunde
Beim sagenumwobenen Innerkofler-Kamin fällt es uns dann kurzzeitig auch nicht mehr ganz so leicht. Die Wände im unteren Teil sind noch feucht vom vorangegangenen Regen und wir haben eine kurze Schocksekunde, als Maggy am Ende der Seilschaft bei einem vermeintlich sicheren Spreizschritt abrutscht – aber bis auf einen harmlosen Fingercut ist alles gut und der Gipfel ist nicht mehr weit. Hier im oberen Teil der Route ist die Orientierung noch schwieriger als sie bereits im unteren Teil war. Umso froher sind wir, dass Michi die Zinne kennt wie seine Westentasche und wir nicht nur auf die sporadischen Steinmandl und Markierungen angewiesen sind. Trotzdem versuchen wir uns so gut es geht in der Routenfindung, schließlich wollen wir nicht nur stumpf hinterherlaufen, sondern auch etwas lernen. Es folgen noch ein paar anspruchsvollere Stellen und Querungen, bevor wir aus einer Rinne heraus das Gipfelkreuz erkennen können – wir sind oben, auf der Großen Zinne!
Gipfelpanorama zum Träumen
Das Panorama, das sich uns von hier oben bietet, ist phänomenal: Langkofel, Rosengarten und Piz Boè vor uns, Pustertal und Kleine Zinne zu Füßen, ein Wechselspiel aus Wolken und Sonne mit einmaligen Lichtverhältnissen. Schon oft von unten bewundert, hätten wir im letzten Jahr noch nicht daran geglaubt, dass wir einmal hier oben stehen würden – wir sind fassungslos und unendlich dankbar. Außer uns ist an diesem Tag keine Menschenseele in den Wänden der Drei Zinnen unterwegs – zu schlecht war die Wettervorhersage für diesen Tag, zu gut Michis Beurteilung derer und sein Gespür für die Berge.
Doch lange können wir nicht verweilen, die Wolken werden dichter und der Nebel steigt aus den Tälern nach oben. Nach kurzer Gipfeljause und einigen Fotos machen wir uns an den Abstieg, der dank vieler Abseilstellen recht schnell geht. Um Punkt 11 Uhr sind wir zurück am Parkplatz der Auronzohütte, der sich mittlerweile mit Bussen und vielen Touristen gefüllt hat. An diesem Tag sind sie allerdings zu spät: Die Drei Zinnen haben sich für heute in die Wolken verabschiedet und flüstern nur noch leise Good-Bye.
Das Event
Das adidas Terrex Mountain Project findet vom 2.-6. Juli in den Dolomiten statt. Ziel des Multi-Sport-Events ist die Gartlhütte in der Rosengartengruppe. Hier erfährst du mehr über den Austragungsort.