Jakob Herrmann: „Die Abfahrt ist nicht mein primäres Ziel“
Jakob Herrmann hat sich dem Weg nach oben verschrieben: Der 33-jährige Salzburger ist Österreichs bester Skibergsteiger, begeisterter Bergläufer und Gleitschirmpilot. Warum er seine Spur am liebsten durch unberührtes Gelände zieht, wieso man als Wettkampfsportler auch Kaiserschmarren essen darf und weshalb er lieber im Team läuft, lest ihr hier.
Bergwelten: Lieber Jakob, du giltst aktuell als Österreichs erfolgreichster Skibergsteiger und bist im Sommer ambitionierter Trail- und Bergläufer. Wie bist du denn mit den Bergen in Berührung gekommen?
Meine Mutter hat mich schon im frühen Alter mit in die Berge genommen. Ich kann mich noch gut an meine erste Wanderung erinnern: Wir sind hinauf zur Hackelhütte in Werfenweng gewandert und ich glaube meine Mutter musste nie so viele Pausen einlegen, wie mit mir damals als kleinen Jungen (lacht).
Und von der ersten Wanderung zur ersten Skitour hat es dann wohl nicht lange gedauert?
Dank meiner Eltern habe ich auch das Skitourengehen sehr früh für mich entdeckt. Auch von meiner ersten Skitour habe ich noch lebhafte Erinnerungen – es war eine Vollmond-Tour auf den Hausberg von Werfenweng, den Bischling (1.834 m). Danach war ich „hooked“ und habe viele gemeinsame Touren mit einem befreundeten Bergführer unternommen. Im Alter von 19 Jahren hat mich dann ein Bekannter dazu überredet beim legendären Tourenskirennen „Mountain Attack“ teilzunehmen. Danach hatte mich das Rennfieber völlig gepackt und ein paar Jahre später war ich bereits das erste Mal bei der Weltmeisterschaft in Andorra dabei!
Was fasziniert dich denn so am Skitourengehen bzw. Skibergsteigen? Der Weg hinauf ist doch eher der mühselige Teil, die Abfahrt durch den frischen Pulver, der genussvolle – quälst du dich gerne?
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Gute Frage, wie du schon richtig gesagt hast – die Abfahrt ist ja eigentlich der Grund, warum die meisten Menschen Skitouren gehen. Egal ob Firn oder Pulverschnee, jede Schneeart hat ihren ganz speziellen Reiz. Ich mag es sogar, wenn ich ab und zu in einem richtig „grausigen“ Bruchharsch abfahren muss, so wird man als Skifahrer wirklich gefordert und ich denk mir dann: Immer besser, als runter zu laufen! Also selbst solche Abfahrten bereiten mir Spaß. Im Gegensatz zu anderen Skitourengehern ist die Abfahrt aber nicht mein primäres Ziel. Ich liebe es einfach, durch unverspurte Hänge aufzusteigen, unberührte Landschaften zu entdecken oder auch einfach mal den Berg richtig schnell hinauf zu rennen.
„Rennen“ ist auch das Stichwort: Wie verhält es sich denn mit der Spurenwahl bei einem Skibergsteigrennen? Gibt es immer einen Korridor mit Richtungstoren, innerhalb dessen du dich während des Aufstiegs und der Abfahrt bewegen darfst?
Bei Wettbewerben im Rahmen des Weltcups ist es so, dass die Strecke mit grünen Fähnchen markiert ist und es immer zwei bis drei vorgegebene Aufstiegsspuren gibt. Abkürzen ist nicht erlaubt – man darf die Spur nur zum Überholen verlassen.
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Bei Vertical- bzw. Pistenrennen ist die gesamte Piste mit grünen Fähnchen ausgeschildert und in einem Bereich von ca. 10 m kann diese ausgespurt werden. In der Abfahrt wiederum gibt es dann rote Fähnchen an denen man sich orientiert und es wird vom Veranstalter immer eine „Idealspur“ vorgegeben.
Skibergsteigen ist ja ein noch recht junger Sport: Wie sehr hat sich denn diese Bergsportdisziplin in den Jahren entwickelt?
Das Skibergsteigen wird immer professioneller, vor allem die Spezialisierung der Athleten auf einzelne Teildisziplinen. Früher konnte man als guter Skibergsteiger in allen Disziplinen an der Spitze mitmischen. 2011 hatte ich noch recht locker das Halbfinale im Sprint erreicht – heutzutage würde ich nicht mal mehr mehr die Qualifikation schaffen! Ich bin einfach auf längere Distanzen trainiert worden und für die Sprintbewerbe zu wenig spritzig.
Allgemein haben sich die ausgetragenen Distanzen und Formate im Weltcup stark verändert: Die Rennen werden immer kürzer, größtenteils werden sie innerhalb von Skigebieten ausgetragen, damit man mehr Zuschauer kommen und es für die Medien attraktiver wird. Die alten Ausdauer-Klassiker, wo 2.000 - 3.000 Höhenmeter zu bewältigen waren, die werden immer weniger, obwohl sich viele Athleten danach sehnen.
Läufst du lieber im Team oder für dich alleine? Es gibt ja Individual- und Teambewerbe…
Das ist eine schwierige Frage, eigentlich finde ich beides schön. Aber wenn ich eine Variante wählen müsste, dann würde ich lieber im Team laufen! Wenn du nach einer lässigen Etappe ins Ziel kommst und dich gemeinsam mit deinem Teamkollegen freuen kannst, ist das etwas ganz Besonderes. Außerdem kann man sich während dem Rennen gegenseitig pushen.
Was für eine Rolle spielt eigentlich das Material in deinem Sport? Was musst bei einem Rennen alles in deinen Rucksack packen?
Vorgeschrieben ist der Rucksack mit einer Sicherheitsausrüstung – Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), Sonde, Schaufel, Pfeife und Erste Hilfe – zusätzlich packe ich noch eine dünne Überhose und Jacke mit hinein. Der Helm ist mittlerweile bei jedem Rennen stets auf dem Kopf zu tragen. Am Körper trage ich einen Rennanzug, darunter Unterwäsche und Handschuhe sind natürlich auch verpflichtend, aber eigentlich auch selbstverständlich.
Das Gewicht spielt ja beim Aufstieg eine entscheidende Rolle. Gibt es da exakte Vorgaben?
Der Ski muss Stahlkanten besitzen, mindestens 160 cm lang sein und gemeinsam mit der Bindung ein Mindestgewicht von 750 g aufweisen. Der Skischuh sollte über eine durchgehende Sohle verfügen und darf nicht weniger als 500 g wiegen. Das Gesamtgewicht inklusive Bekleidung am Körper schätze ich auf 4,5 bis 5 kg.
Was war denn der bisher größter Erfolg deiner Karriere und welches Erlebnis ist dir am schlechtesten in Erinnerung geblieben?
Der größte Erfolg und die schlechteste Erinnerung liegen in diesem Falle sehr nahe zusammen: Es war das Mehrtagesrennen „Pierra Menta“ mit meinem Teamkolelgen Kilian Jornet. Wir starteten am letzten Tag mit sechs Minuten Vorsprung und die letzte Etappe verlief bis zur vorletzten Abfahrt wie am Schnürchen. Wir hatten unseren Vorsprung auf acht Minuten ausgebaut, als Kilian in der Abfahrt dann zu Sturz kam und sich das Wadenbein brach. Wir versuchten trotzdem noch den letzten Anstieg rauf zu kommen, aber wir hatten keine Chance und mussten das Rennen vorzeitig beenden. Bis zu diesem Moment war es definitiv mein größter Erfolg, aber leider wird es eben auch eine sehr traurige Erinnerung bleiben.
Vor ein paar Wochen bist du ja bei einem besonderen Berglauf-Rennen an den Start gegangen: Dem AlpFrontTrail. Worin geht es bei diesem „Wettbewerb“ und was macht ihn so einzigartig?
Als mich einer der Initiatoren, Philipp Reiter, Anfang Mai gefragt hat, ob ich beim Alpfrontrail teilnehmen will, war ich sofort begeistert – nicht nur wegen der sportlichen Herausforderung, sondern vor allem wegen des geschichtlichen Hintergrundes. Es war etwas ganz Besonderes die historische Grenze und ehemalige Gebirgsfront von Italien-Südtirol und Österreich abzulaufen. Es war einfach beeindruckend zu sehen, welche Distanzen die Soldaten während des Gebirgskriegs damals zurückgelegt hatten und das mit schwerer und schlechter Ausrüstung, wenig Verpflegung, eisigem Wetter und einer mentalen Belastung, die wir uns alle nicht vorstellen können. Dafür sind wir gelaufen: Damit man nicht vergisst, dass Frieden und offene Grenzen keine Selbstverständlichkeit sind.
Wie stehst du zum Thema Erährung? Ich habe gehört du arbeitest als Koch- und Mathematiklehrer.
Ernährung und Kochen ist ein großes Thema für mich. In den letzten Jahren habe ich viel darüber nachgedacht, welche Speisen sinnvoll und gesund sind, aber ich habe zu wenig in mich hinein gehört, um herauszufinden, worauf ich eigentlich wirklich Lust hätte. Der Genuss ist somit oft auf der Strecke geblieben. Dank meiner Freundin Andrea habe ich wieder gelernt, was es bedeutet ein Gericht einfach nur zu genießen und ich kann jetzt behaupten, dass ich mich wieder ausgewogener ernähre.
Jeder Leistungssportler bzw. jede Leistungssportlerin macht sich spätestens einen Tag vor einem Wettkampf Gedanken darüber, was man denn nun essen sollte bzw. was man einfach gut verträgt. Die Wettkampfernährung ist ein umfangreiches Konzept, das nichts dem Zufall überlässt. Ich höre einfach auf meine innere Stimme und setze vor dem Wettkampf auf leicht verdauliche kohlehydratreiche Mahlzeiten. Das heißt aber nicht, dass ich keinen Kuchen oder Kaiserschmarrn esse – ganz im Gegenteil (lacht).
Und was macht Jakob Herrmann in seiner Freizeit, wenn er nicht auf Berge steigt?
Zeit mit meiner Familie verbringen, kochen, backen und hin und wieder auch einfach entspannen.
Letzte Frage: Wie steht es um deine Pläne für die bevorstehende Wintersaison?
Ich werde im Weltcup an den Start gehen, meinen Sieg beim Mountain Attack vom Vorjahr verteidigen und natürlich an all den wunderschönen Grande Course-Rennen teilnehmen.
Dann wünschen wir dir viel Erfolg und einen verletzungsfreien, schneereichen Winter!