Marcel Hirscher: „Am Dopplersteig kriegst Muckis“
Foto: Stefan Illek
von Martin Foszczynski
Wer hätte sich das gedacht? Österreichs Skistar Marcel Hirscher, der auf den Weltcup-Hängen dieser Welt seine einzigartigen Linien hinknallt, folgt auf Wanderwegen brav jedem Wegweiser. Oder etwa doch nicht? Im Bergwelten-Interview verrät uns der „halbe Holländer“ und Doppel-Olympiasieger, wo in den Bergen er sich fit hält, was das absolut Beste ist, das man in freier Natur tun kann, und was für ihn Heimat bedeutet.
Bergwelten: Wann warst du zum letzten Mal in den Bergen, ohne dass es etwas mit Skitraining zu tun hatte?
Marcel Hirscher: Im Spätsommer war ich mit Freunden wandern. Wir sind in den Gosaukamm – zwischen Filzmoos und meinem Heimatort Annaberg im Lammertal – hineingegangen und in der Mahdalm eingekehrt. Die ganze Gipfelrunde dauert acht Stunden, das ist mir persönlich zu lang – aber einen Teil davon gehe ich immer wieder gerne.
Und wann zum ersten Mal?
Mit ein paar Monaten. Ich bin auf der Alm aufgewachsen und habe den Großteil meiner Kindheit in den Bergen verbracht, später auch in der Schutzhütte meiner Eltern mitgearbeitet.
Hast du eine Lieblingshütte?
Die Mahdalm kann ich sehr empfehlen, aber meine Lieblingshütte ist die Stuhlalm, unterhalb der Bischofsmütze, die meine Eltern 20 Jahre lang geführt haben.
Und ein Lieblings-Hüttenschmankerl?
Eine gute Brettljausn. So etwas gibt’s in meinem Sportleralltag nur selten – auf das freue ich mich vorher immer schon. Das ist meine Belohnung fürs Wandern.
Marcel Hirschers Magazin: Ab 21. November erhältlich!
Der beste Skifahrer der Gegenwart hat für kurze Zeit „Chefredakteur“ gespielt und mit dem Team von The Red Bulletin ein Magazin gestaltet. Dabei hat er nicht nur die Themen vorgegeben, sondern sogar bei Fotos und Layout mitgemischt. Herausgekommen ist ein bisher einzigartiges, 140 Seiten starkes Heft, das von Hirschers Leben, seinen Stärken und Schwächen und seiner erfolgreichen, aber auch verrückten Karriere handelt. „The Red Bulletin Heroes Edition – Marcel Hirscher“ ist ab 21. November im Zeitschriftenhandel und auf getredbulletin.com/marcel erhältlich.
Was darf denn in Marcel Hirschers Wanderrucksack keinesfalls fehlen?
Ich bin meistens mit Trailrunning-Schuhen unterwegs – da kannst du dir eh vorstellen, was ich mithabe: nur das Nötigste. Das Wichtigste ist was zu trinken und das Telefon, sonst braucht es nichts.
Das Telefon... Bist du denn schon mal in Bergnot geraten?
Gott sei Dank nicht. Im Gegensatz zu Skirennen gehe ich beim Wandern kein Risiko ein, da muss ich nicht auf Teufel komm raus irgendwas erzwingen.
Was ist die höchste Stelle, auf der du jemals gestanden bist?
Vermutlich irgendwo in der Schweiz, in Zermatt. Die Schweizer haben ja doch etwas höhere Berge als wir Österreicher.
Und die höchste Stelle, auf der du jemals um ein Autogramm gefragt worden bist?
Das muss in Amerika am Loveland-Pass in Colorado gewesen sein. Der geht bis auf 3.600 m hoch – dort ist tatsächlich ein Autogrammjäger gestanden.
Wann hast du das letzte Mal eine Nacht unter freiem Himmel verbracht?
Leider lange her – vor circa sechs Jahren. Das ist eindeutig etwas, das jetzt bald wieder ansteht. Es gibt nichts Besseres!
Hast du so etwas wie einen Schicksalsberg?
Nein. Auch wenn mir viele Berge Triumphe im Leben beschert haben, sehe ich sie in dieser Hinsicht eher nüchtern. Auch an Energiequellen oder Ähnliches glaube ich nicht. Wenn es einen ganz speziellen Berg in meinem Leben gibt, dann ist es die Bischofsmütze – unser Hausberg, an dem ich groß geworden bin.
Bedeuten Berge für dich Heimat?
Definitiv. 14 Tage am Meer zu sein ist super, aber das Heimweh packt mich dann doch immer wieder. Wenn ich von München Richtung Österreich fahre oder beim Landeanflug in Salzburg die Berge sehe, geht mir jedes Mal das Herz auf. Da denke ich mir: Boa, gewaltig. Und ich spüre: Da komme ich her und gehöre auch hin.
Du bist ja eigentlich halber Holländer. Besuchst du die Niederlande – die Heimat deiner Mutter – gelegentlich? Wie geht es dir in einem Land ohne Berge?
Das stimmt. Holland ist wunderbar – aber es verhält sich damit so, wie mit vielem anderen im Leben. Wenn man etwas erlebt, das aus dem Gewohnten herausfällt, findet man es zunächst spannend und schön. Aber wenn ich dann wieder nach Salzburg zurückkomme, überkommt mich das Gefühl: eigentlich gehöre ich hier her. Trotzdem: Holland ist super.
Zurück zu den Bergen: Gibt es Momente, wo der Berg sogar dir zu bergig wird?
Naja, ich kann ganz gut klettern, aber wenn in einem Routenplaner Schwierigkeitsstufe 10+ angegeben ist, werde ich es eher bleiben lassen (lacht). Einen Klettersteig hingegen bin ich ehrlich gesagt noch nie gegangen.
Gehst du lieber bergauf oder bergab?
Bergab taugt mir weniger. Deshalb haben für mich Plateau-Wanderungen einen besonderen Reiz. Auf einem Gipfel zu stehen, ist schon was Schönes.
Folgst du immer den Wegweisern oder nimmst du gelegentlich auch Abkürzungen?
In Gegenden, in denen ich neu bin, folge ich brav jedem Wegweiser. Den Stress, sich zu verirren, tue ich mir nicht an. Zuhause kennt und nutzt man natürlich so manche Abkürzung.
Vielleicht will auch ein Marcel Hirscher einfach mal faulenzen. Was ist die beste Ausrede, um einen Wanderausflug zu spritzen?
Das ist bei mir relativ einfach: Ich muss nur behaupten, dass ich einen Regenerationstag einlege nach dem zu harten Training am Vortag (lacht).
Was kann man am Berg fürs Leben lernen?
Man lernt sich selbst besser kennen, steigert seine Selbsteinschätzung. Bei mir hat das Wandern noch eine weitere Funktion: Ich kann dabei gut abschalten, das ist wichtig. Deshalb setze ich mir beim Tourengehen auch nie ein Zeitlimit. Mein halbes Leben dreht sich darum, möglichst schnell zu sein und Zeiten zu unterbieten – beim Wandern am Berg kann ich die Zeit endlich mal vergessen.
Verrätst du uns deine Lieblingswanderroute?
Zumindest einmal im Jahr gehe ich die Untersbergtour über den Dopplersteig – das muss einfach sein. Glaub mir, da kriegst du Muckis!
Irgendwann nach der Weltcup-Saison wird sich wieder mal ein Urlaub ausgehen. Verbringst du den lieber am Meer oder in den Bergen?
Ich suche immer beides auf einmal – den Kontrast. Das heißt, wenn ich in Kanada am Pazifik urlaube, gibt es einen Heli-Skiing-Ausflug dazu.
Marcel, vielen Dank für das Interview!
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