Christoph Stummer: „In zehn Jahren kann ich es auch nicht besser“
Foto: Christoph Stummer
von Martin Foszczynski
Mit gerade mal 27 Jahren wagt Christoph Stummer etwas, wovon ganz viele nur träumen: Er übernimmt die Theodor-Körner-Hütte im Dachsteingebirge (Salzburg) mit Blick auf die Bischofsmütze. Im Interview verrät uns der frisch gebackene Hüttenwirt, warum ihn seine Jugend in einem traditionellen Gewerbe nicht kümmert, weshalb er auch in herausfordernden Zeiten positiv in die Zukunft blickt und wieso seine Kaspressknödeln garantiert nicht so aussehen werden, wie man sie kennt.
Bergwelten: Lieber Christoph, wo erreichen wir dich den gerade? Bist du schon auf der Hütte?
Christoph Stummer: Nein, ich bin daheim. Oben auf der Theodor-Körner-Hütte liegt noch einiges an Schnee – ich war erst vergangenes Wochenende mit den Skiern oben. Einige Türen sind so verschneit, dass man nicht rein kann. Ich werde dieses Wochenende wieder raufgehen und schauen – es wird dann sicher schon viel Schnee geschmolzen sein bei den warmen Temperaturen.
Du hast mir vorab Fotos vom Aufstieg geschickt, auf denen du mit Holz und Lebensmittel bepackt zu sehen bist – daran wirst du dich in Zukunft wohl gewöhnen müssen?
Das ist sowieso genau das, was mir taugt. Die Tour hinauf zur Hütte ist mir von den Höhenmetern her eh ein bisschen zu wenig – ein zusätzlicher Ballast von 25 Kilo passt da ganz gut (lacht).
Bist du eigentlich aus der Gegend? Wie lange musst du zur Körner-Hütte anreisen?
Ich bin aus Thalgau, das ist zwischen Mondsee und Fuschlsee – mit dem Auto fahre ich rund 50 Minuten zum Parkplatz, von dem man zur Hütte hochsteigt. Ich habe auch direkt in meiner Gegend geschaut, ob es Hütten gibt, die einen neuen Pächter suchen, aber gerade in der Salzkammergut-Gegend ist ein Großteil der Hütten privat – das läuft eher über Mundpropaganda. Im Gegensatz dazu gehört die Körner-Hütte dem Alpenverein, der solche Stellen öffentlich ausschreibt. Dieses Jahr waren besonders viele Hütten zur Pacht ausgeschrieben – ich nehme stark an, dass das der Pandemie geschuldet ist. Da haben sich sicherlich einige Hüttenwirte gedacht: Na, ein weiteres Jahr tue ich mir das nicht mehr an, so zach wie das letzte schon war.
Warum tust du es dir denn an? Hast du immer schon davon geträumt, mal eine Hütte zu übernehmen?
Ja, diesen Wunsch hege ich schon länger. Ich habe die Tourismusschule in Bad Ischl gemacht. In Tourismus, Gastgewerbe und Hotellerie habe ich somit Erfahrung und auch meine ganze Familie ist in der Branche tätig. Aber wie es halt oft so ist mit 16, 17 Jahren – da denkt man sich: Nein, für mich ist das nichts, immer am Wochenende zu arbeiten. Ich will lieber Fußball spielen und feiern gehen – in diesem Alter sind einfach andere Sachen wichtiger. Ich bin deshalb von der Gastronomie abgekommen und war stattdessen einige Jahre in der Automobilbranche im Verkauf tätig – daneben habe ich auch studiert. Letzten Sommer habe ich dann aber vier Monate auf der Neuen Regensburger Hütte im Stubaital mitgearbeitet, auf 2.500 Metern. Und da habe ich festgestellt: je abgelegener und höher man auf den Bergen lebt, je weniger Luxus man um sich hat, desto lieber ist es mir eigentlich.
Interessant, dass du vorher im Auto-Verkauf tätig warst. Das klingt nach einem kompletten Kontrastprogramm zum Hüttenwirten.
Nicht wirklich. Im Verkauf hast du auch viel mit Leuten zu tun – im Prinzip ist es gar nicht so viel anderes als in der Gastronomie, wo du auch deine Produkte verkaufst. Was den Umgang mit Menschen angeht, habe ich in den 4-5 Jahren in der Autoindustrie sicher viel gelernt.
Wie kamst du dann dazu, dich für die Körner-Hütte zu bewerben?
Ich bin genau in der Zeit mit meinem Studium fertiggeworden, als die Corona-Krise begonnen hat. Zeitgleich habe ich meinen Verkäufer-Job gekündigt. Ich musste mir also überlegen: Was machst du jetzt im Sommer? Da habe ich die Pächtersuche der Körner-Hütte entdeckt und ich dachte mir: Wann, wenn nicht jetzt? Das wollte ich doch eh schon immer mal machen. Es haben so viele Dinge dafürgesprochen: Ich kann gut mit den Leuten, ich trage die Faszination für die Berge in mir, bin eigentlich jeden Tag irgendwo in den Bergen unterwegs wenn es irgendwie geht und das Wetter – bzw. die Arbeit – es zulässt. Dauerhaft auf einer Hütte zu arbeiten, ist einfach die beste Kombination beider Welten. Und ich hatte eben schon Erfahrungswerte: Diese vier Probemonate auf der Neuen Regensburger Hütte waren einerseits natürlich extrem stressig mit Arbeitswochen jenseits der 60-Stunden – aber das war genau meins. Und auch die dortigen Gäste haben mir bestätigt: He – du musst mal Hüttenwirt werden.
Ich kann mir vorstellen, dass es viele Bewerber und Bewerberinnen für die Hütte gegeben hat – kannst du ein bisschen erzählen, wie das Auswahlverfahren des Alpenvereins aussieht? Wie schwierig war es, den Zuschlag zu bekommen?
Nachdem ich im Oktober die Ausschreibung entdeckt habe, habe ich mal eine E-Mail mit einigen Fragen geschrieben: Z.B. ob man sich die Hütte anschauen kann. Der Alpenverein hat dann geantwortet, dass die Hütte vom Vorpächter nur noch für den Rest der Woche offengehalten wird. Wenn, dann müsste ich also jetzt raufkommen. Ich bin also gleich mit meinem Vater hingefahren und raufgewandert. Wir haben uns die Hütte gemeinsam angeschaut und ich habe mir gedacht: Das ist es. Dann bin ich aber doch wieder ein bisschen vom Plan abgekommen – da eben die ganze Corona-Situation durch meinen Kopf geschwirrt ist. Ich dachte mir: Ja, ich habe diesen Plan für mein Leben vorgesehen, aber muss es wirklich unbedingt jetzt sein? In zwei, drei Jahren wäre es vielleicht genauso möglich. Andererseits bin ich ein Mensch, der alles sofort haben will (lacht). Nach ein paar Monaten habe ich gesehen, dass die Hütte noch immer ausgeschrieben ist. Ich habe mich dann ernsthaft beworben und je weiter ich im Bewerbungsprozess war, desto stärker ist auch die emotionale Bindung zur Hütte geworden. Dazu muss man sagen, dass der Bewerbungsprozess Corona-bedingt sicher etwas anders abgelaufen ist als gewöhnlich. Die Hütte gehört zur Sektion Wien des Alpenvereins – und für jeden Termin in die Stadt zu fahren war auch aufgrund der geschlossenen Hotels kaum möglich. Deshalb haben wir viel über Zoom, Telefon und E-Mail kommuniziert. Ich musste u.a. ein Motivationsschreiben verfassen, in dem ich schildern sollte, was mich dazu bewegt, die Hütte zu übernehmen und wie ich dieses Projekt aufziehen möchte – etwa welche Speisen ich anbieten werde. Ich musste auch Fotos von mir schicken. Es lief bestimmt virtueller ab, als es normalerweise der Fall ist.
Hat dir der Alpenverein begründet, warum die Wahl auf dich gefallen ist?
Eigentlich nicht wirklich. Es ist oft durchgeklungen, dass sich extrem viele beworben haben – schließlich fiel im Rahmen einer Vereinssitzung die Wahl auf mich.
Wie war das Gefühl, als du vom Zuschlag erfahren hast? Nur Freude, oder hast du dich auch ein bisschen erschreckt, dass es wirklich du geworden bist?
Es war nur eine Riesen-Freude. Es war ja nicht so, dass ich gesagt hätte: Probieren wir es mal und schauen wir, ob sie mich nehmen. Sondern ich wusste seit circa einem Monat, dass ich das unbedingt machen will. Und dann war es nur noch das angespannte Warten auf die Entscheidung: Darf ich, oder darf ich nicht? (lacht). Es war dann auch ein tolles Gefühl, als meine Unterschrift auf dem Pachtvertrag drauf und alles offiziell unter Dach und Fach war.
Mit der Unterschrift bist du aber auch Verpflichtungen eingegangen. Du bist ja jetzt eigentlich Einzelunternehmer. Wie verteilt sich eigentlich das finanzielle Risiko zwischen dir und dem Alpenverein?
Das ist je nach Alpenvereinshütte unterschiedlich. In meinem Fall ist es jetzt so, dass ich die Hütte „nur“ pachte – daher ich zahle Miete daran, aber alles was langfristig an Infrastruktur zur Hütte gehört, gehört dem Alpenverein. Dafür muss ich aber auch keine Kosten tragen – das heißt wenn ich eine neue Küchenmaschine zum Kuchenbacken brauche, weil die alte nicht mehr funktioniert, dann übernimmt es der Alpenverein. Alles andere natürlich – Lebensmittel, Buchungssystem, Geschirr, Speisenangebot, Personal – das ist alles meine Sache. Auch die Instandhaltung der Hütte muss ich selber finanzieren: Wasser, Strom, alles was dazugehört. Unterstützung vom Alpenverein gibt es z.B. bei Social-Media-Aktivitäten durch die Medienabteilung.
Ist der Alpenverein gewinnbeteiligt?
Das ist Verhandlungssache. Dieses Jahr ist der Alpenverein in der Hinsicht sehr zuvorkommend und versucht die Pächter zu unterstützen – das habe ich auch von anderen Hütten gehört. Es ist derzeit eben sehr schwierig Hüttenwirte zu finden. Es reizt zwar viele, aber die wenigsten wollen es sich derzeit antun. Fünf Monate harte Arbeit – und das in einer Zeit, in der nicht mal sicher ist, ob Gäste kommen dürfen. Die Akademische Sektion Wien und ich haben uns die finanziellen Belastungen in einer Weise aufgeteilt, wie es in normalen Jahren vielleicht nicht der Fall wäre.
Dass du es gerade jetzt gewagt hast, könnte sich also vielleicht mal als Vorteil herausstellen, sofern die Corona-Krise in absehbarer Zeit überwunden sein wird und es die Leute wieder vermehrt auf die Hütten zieht.
Ich bin total positiv gestimmt. Wie es kommt, so nehme ich es. Geplant ist, dass ich die Hütte mit 1. Juni aufsperre. Wie dann tatsächlich die Lage aussieht bzw. welche Vorschriften die Regierung vorgibt, das kann ich ohnehin nicht ändern. Die Öffnung kann sich um einen Monat verschieben, möglicherweise kann ich zunächst keine Nächtigungsgäste aufnehmen, darf nur auf der Terrasse bewirten etc. – man muss das Beste daraus machen. Natürlich könnte, wie du es angedeutet hast, auch ein großer Hütten-Boom ausbrechen im Sommer – die Leute wünschen sich ja sehnsüchtig wieder raus- und was Essen gehen zu können.
Hoffen wir das Beste und schauen ein paar Monate in die Zukunft. Worauf freust du dich denn am meisten in deinem neuen Leben als Hüttenwirt?
Am meisten freue ich mich darauf, einfach wieder mal mit Leuten zusammen zu sein. Ein paar Schnapserln trinken, ein bisschen Karten spielen… Es gibt keinen besseren Ort dafür als eine Berghütte. Ein gemütliches Zusammensitzen mit Leuten, die dieselben Interessen haben: die Berge, gutes Essen und schlicht die Freude am Leben. Mit solchen Leuten umgibt man sich einfach gerne. Am Berg trifft man vielleicht andere Leute, als man sie im Tal unten oder in der Stadt trifft.
Wirst du im Tal trotzdem etwas oder jemanden besonders vermissen?
Puh.. Eigentlich nicht, da ich ja generell gerne in den Bergen unterwegs bin. Natürlich werde ich in den vier bis fünf Monaten Saison auf sämtliche Freizeitaktivitäten komplett verzichten müssen – das ist mir klar. Z.B. mal selber eine Bergtour gehen, mit meinen Freunden Mountainbiken gehen und so – das wird es im Sommer einfach nicht spielen. Oder nur bei schlechtem Wetter.
Du hast schon auf einer Hütte mitgearbeitet und hast ein realistisches Bild vom Arbeitsaufwand, der mit dem Führen einer Hütte verbunden ist. Willst du das alles alleine stemmen?
Alles Unternehmerische mache ich selber. Am Anfang habe ich noch Leute gesucht, die sich vorstellen können, das Projekt gemeinsam anzugehen – aber letztlich konnte sich niemand dazu durchringen und dann habe ich beschlossen: Ich schaffe das alleine auch. Aber natürlich kann ich mich nicht gleichzeitig um Küche, Service, Zimmer-Putzen und Technik kümmern – zum Glück bekomme ich da Unterstützung von meinen Eltern, meiner Familie und meinen Freunden. Sie können kurzfristig einspringen und werden mich unterstützen, wo es nur geht. Ich brauche aber sicher auch ein bis zwei Angestellte.
Wirst du auf der Körner-Hütte eigentlich selber kochen?
Eine gute Frage. Das ganze Küchenkonzept werde natürlich ich mal auf die Beine stellen – da habe ich schon ganz konkrete Vorstellungen und die möchte ich genauso umsetzen (lacht). Am Anfang werde ich es vielleicht selbst in die Hand nehmen – die Aufgaben in der Küche sollen aber so gestaltet sein, dass sie einfach an andere delegierbar sind. Arbeitsteilung und maximale Flexibilität wird auf der Hütte in Zukunft überhaupt ein wichtiges Credo sein. Würde ich selbst die ganze Zeit nur in der Küche stehen, würde mir der Kontakt zu den Gästen fehlen.
Du sagst selbst, dass du mit 27 Jahren sehr jung bist für den Beruf des Hüttenwirten. Kann das auch ein Vorteil sein? Wirst du deiner Hütte auch einen jungen, modernen Anstoß verleihen?
Ich habe schon so oft in meinem Leben gehört, dass ich zu jung für etwas bin. In dieser Branche trifft das besonders zu, obwohl es doch einige junge Hüttenwirte und -wirtinnen gibt, die ihr Ding durchziehen. Der Großteil ist aber sicher älter. Aber ich denke mir: Was kann ich in zehn Jahren besser als jetzt? Vorteile sehe ich in Bereichen, um die sich ein älterer vielleicht nicht so sehr kümmert: Wie gestalte ich einen Social-Media-Auftritt? Wie gehe ich die Vermarktung an. Wie kann ich die komplette Speisekarte jung und verspielt gestalten? In diesen Belangen hat man als Junger sicher mehr Weitblick.
Kannst du uns ein Beispiel für deine junge Speisekarte verraten?
Z.B. dass man einen Kaspressknödel bekommt, der nicht so aussieht und schmeckt wie der Kaspressknödel auf jeder zweiten Alm. Meine Kaspressknödel werden so cool sein, dass die Leute ein Foto davon machen möchten vorm Essen (lacht). Trotzdem möchte ich das Ursprüngliche einer Berghütte nicht verlieren – Pizzen oder Antipasti-Teller etwa werde ich keine verkaufen. Es soll traditionelle österreichische Kost mit dem gewissen Etwas werden.
Jetzt hast du mich neugierig gemacht! Wie könnte dein moderner Kaspressknödel denn aussehen?
(Lacht) Ich habe mir überlegt, dass ich drei, vier verschiedene Knödel zubereite und jeder kann sich seinen Knödelteller dann spielerisch zusammenstellen. Mit verschiedensten Beilagen – eine Art Baukastensystem also. Es soll auch süße Knödeln geben, z.B. mit Nougat. Das Ganze wird sicher auch in einem lässigen Pfandl serviert. Sobald ich die Hütte richtig in Betrieb nehmen kann, werde ich mal ein bisschen herumexperimentieren.
Zum Abschluss – und abgesehen von den Knödeln: Warum sollte man deine Hütte besuchen, sobald das wieder möglich sein wird.
Was Besucher auf der Theodor-Körner-Hütte erwartet sind junge, nette Leute und ein Mega-Panorama auf die Bischofsmütze. Und eine gute, cool interpretierte österreichische Kulinarik.
Und was sollen dir die Leute bei ihrem nächsten Besuch mitbringen?
Einfach eine gute Laune – mehr braucht es eigentlich gar nicht. Aber wer geht schon in die Berge, ohne dass er gut aufgelegt ist (lacht).
Dann wünschen wir dir gut gelaunte Gäste und viel Erfolg auf der Theodor-Körner-Hütte – danke für das Gespräch!
Abenteuer Hüttenleben
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