Warum man mindestens einmal im Jahr Rodeln gehen sollte
Sobald sich eine Schneedecke über die Landschaft legt, ändert sich das sportliche Spielfeld in den Bergen. Wanderschuhe und Bikes werden eingemottet, dafür die Wintersportgeräte aus dem Keller geholt. Eines, das man nicht vergessen sollte: Die Rodel. Wir haben uns die Kufenflitzer am zweiten Tag unserer Karwendel-Winter-Hüttenwoche am Kranzberg ausgeborgt.
Auf der Bergwelten Hüttenwoche in der Alpenwelt Karwendel steht am Programm, was bergaffinen Menschen sofort einfällt, wenn sie an den perfekten Outdoor-Tag denken: Skitourengehen! Schneeschuhwandern! Langlaufen! Rodeln hingegen ist eine Sportart, die man eher in der Kindheit verortet und vielleicht erst später, sobald sich eigener Nachwuchs einstellt, wieder in den Vordergrund rückt. Dabei gibt es viele Gründe, warum es im Winter auch einfach mal ein entspannter Rodeltag mit Freunden (oder Kolleginnen) sein darf.
1. Weil man die Aussicht in zwei Geschwindigkeiten genießen kann
Oben das Blau des Himmels, darunter die verschneiten Gipfel der Karwendelkette und des Wettersteingebirges, direkt vor einem die glitzernde Schneedecke und der Wald im Winterkleid. Die Rodeltour auf den Kranzberg hoch über dem bayerischen Ort Mittenwald, bietet eine Aussicht, für die man sich anderswo sicher mehr anstrengen muss. Bei der Talstation der Kranzbergbahn kann man sich entscheiden: Schwindelfreie nehmen am Einsersessellift Platz und lassen sich zum Start der Rodelbahn tragen, Sportliche nehmen den Fußweg, der einen in etwa 30 Minuten zur Korbinianhütte und weiter zur Bergstation des Lifts bringt. Beiden Optionen gemein ist, dass die Landschaft langsam an einem vorbeizieht. Man konzentriert sich auf die Details. Ganz im Gegensatz zur rasanten Abfahrt. Die Augen auf der Fahrbahn, Arme und Beine mit Bremsen und Lenken beschäftigt, tut sich ein anderes Bild auf: der Wintertag als großes Ganzes.
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2. Weil unterschiedliche Muskelpartien beansprucht werden
Rodeln ist ein kleines, aber feines Workout: Auf dem Weg hinauf dürfen Waden und Oberschenkel arbeiten und auch die Ausdauer wird trainiert – auf den steileren Passagen kommt man sogar ein bisschen ins Schnaufen. Bevor es richtig anstrengend wird, sitzt man jedoch schon auf der Rodel – nun ist die Rumpfmuskulatur gefragt. Wer Geschwindigkeit aufbauen möchte (und das möchten wir), muss den Oberkörper nämlich möglichst weit nach hinten legen. Eine Hand hält den Riemen, die andere den Rahmen der Rodel, um sie bei einer etwaigen Bodenwelle nicht zu verlieren. Also: Bauchmuskeln anspannen.
3. Weil gar nicht so wenig Geschick gefragt ist
Auch Ehrgeizige finden Gefallen am Rodelsport. Einerseits geht es ganz einfach: Sobald man weiß, dass man vorrangig mit den Füßen lenkt und bremst, kann man sich auf die Rodelbahn wagen. Aber: Wer die Technik perfektioniert – also im richtigen Moment den einen Fuß auf die Fahrbahn setzt, den anderen auf die Kufe drückt, das Körpergewicht in die Kurve verlagert und gleichzeitig an der Innenseite des Riemens zieht, macht eine besonders sportliche Figur. Und ziemlich sicher den ersten Platz im Rennen auf Zeit.
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4. Weil Rodeln (fast) immer mit einer Hütteneinkehr verbunden ist
Wer die alpine Hüttenkultur schätzt, wählt seine Rodelstrecke nach der Einkehrmöglichkeit aus. Am Kranzberg etwa wartet die Terrasse der Korbinianhütte auf 1.200 Metern mit einem fantastischen Ausblick ins Karwendel auf. Scheint die Sonne, nimmt man im Freien Platz und lässt es sich mit heißer Zitrone und einem der traditionell bayerischen Gerichte gut gehen. Besondere Empfehlung: Reiberdatschi, das sind dünne, knusprig gebratene Kartoffelpuffer – mit Apfelmuß.
5. Weil es eine relativ günstige Sportart ist
Borgt man sich die Rodel aus, zahlt man meist nur wenige Euro (am Kranzberg zum Beispiel 8 Euro für einen ganzen Tag.) Wer den Sport ernsthaft betreiben und nicht nur den nächstbesten Hang hinunterrutschen will, zahlt für eine eigene Touren- oder Sportrodel um die 300 Euro.
6. Wegen des Nostalgiefaktors
Das Muster der Gurte, die zu einer Sitzoberfläche verwoben sind, das gebogene Holz, die eisenbeschlagenen Kufen, die einfache Zugleine – eine Rodel sieht seit Jahr und Tag so aus und hat sich als Fortbewegungsmittel bewährt. Das erinnert einerseits an alte Zeiten, andererseits versetzt einen der Sport in die eigene Vergangenheit: Das Tragen über der Schulter, das Gefühl, die Füße in den Schnee zu stemmen, die Zugleine in den Händen zu halten und um die Kurven zu schlittern – am Ende ist man wieder ganz Kind.
Der Kranzberg bei Mittenwald bietet einen zusätzlichen Nostalgiefaktor: den Einzel-Sessellift. Hat man den sportlichen Aufstieg einmal gemeistert, bietet sich ein zweiter (auch ein dritter und vierter) mit dem Lift an. Der Liftmitarbeiter klappt den roten Sessel herunter, man hält die Rodel bereit, um sie in die Halterung zu hängen und lässt sich dann nach hinten plumpsen. Nachdem man den kleinen Sicherheitsriegel vorgeklappt hat, genießt man 20 Minuten in einsamer Stille bis man bei der Bergstation angekommen ist.
7. Weil sich das gesamte Spektrum der Gefühle zeigt
Die Vorfreude und das leichte Kribbeln kurz vor der ersten Abfahrt. Die leichte Panik vor der engen, steilen Kurve. Der Stolz, wenn man sie doch gemeistert und vielleicht sogar einen Drift hingelegt hat. Die Erleichterung, wenn man die Kurve nicht gepackt hat, aber nur im weichen Schnee gelandet ist. (An dieser Stelle: Rodeln ist nicht ungefährlich. Hat man eine anspruchsvolle Strecke gewählt oder sind viele Menschen unterwegs, sollte man zur Sicherheit einen Helm tragen.) Die Freude, wenn man auf einer Geraden Geschwindigkeit aufnimmt und über eine Bodenwelle hüpft. Die kleine Angst, wenn es doch zu schnell wird und man das Gefühl hat, dass die Füße gar nicht genug bremsen können. Der Jauchzer, der einem in der Zielgerade entfährt. Rodeln ist ein Wechselbad der Gefühle. Und damit ein echtes Erlebnis.
Unsere Kranzberg-Rodeltour im Detail:
Die Redaktion bedankt sich bei Salewa für die Ausstattung und bei der Alpenwelt Karwendel für die Organisation dieser Hüttenwoche.