Ueli Steck: Wenn Zeit zur Ewigkeit wird
Foto: Bergwelten/Heckmair
von Klaus Haselböck
Erst im Frühjahr hat uns der Schweizer Top-Alpinist Ueli Steck für ein Fotoshooting besucht. Am 30. April ist er am Nuptse beim Mount Everest tödlich verunglückt. Klaus Haselböck erinnert sich an die „Swiss Machine“.
„Ihr müsstet zu mir kommen. Sonst verliere ich einen ganzen Tag und das geht nicht“, schrieb mir Ueli Steck im Herbst 2016 auf meine Anfrage für ein Fotoshooting. Die erste Ausgabe von Bergwelten Schweiz stand bevor – da durfte der berühmteste Bergsteiger des Landes nicht fehlen. Ueli Steck hat mit seinen Speed-Rekorden in den Alpen und im Himalaya weltweit für respektvolles Staunen gesorgt. Mit ihm zusammenzukommen gestaltete sich aber schwieriger als gedacht: Im Frühjahr 2017 wollte Ueli sein ultimatives Projekt, die Everest-Lhotse-Überschreitung, umsetzen und in dieser Phase durfte nichts und niemand seinen Trainingsplan stören.
Anfragen dieser Art waren für ihn also denkbar lästig. „Diesmal mache ich keine Kompromisse“, sagte er mir am Telefon. Wir einigten uns schliesslich doch. Und zwar ganz im Stil von Ueli: auf einen Speed-Besuch. Nehmen sich unsere Gäste für die Bergwelten-Gepäckkontrolle normalerweise einen ganzen Tag Zeit für die Foto-Arbeiten, war Uelis Vorgabe eindeutig: „Eine Stunde reicht für das Shooting. Die müssen bereit sein, wenn ich komme!“ So konnte er vor dem Abflug noch eine kurze Einheit absolvieren und musste seine Planung für diesen Tag nicht völlig umstossen.
Kompromisslos reduziert wie ein Zen-Garten war auch die Ausrüstung Uelis, die wir im Studio rund um ihn herum arrangierten: „Schweizer Uhrwerk: Mit wie wenig Ueli Steck auf den Eiger stürmte“, schrieben wir darüber in Bergwelten. Solo und seilfrei war er 2015 in 2 Stunden 22 Minuten durch die berüchtigste Nordwand der Alpen gesprintet. „Die Zeit war am Eiger sekundär“, sagt Ueli über seinen Rekord, als wir auf das finale Bild warteten. „Am wichtigsten ist mir das Gefühl, ob ich es gut gemacht habe. Mir geht es immer um die Leistung in meinen Möglichkeiten.“
Dass sich der Foto-Termin tatsächlich in einer Stunde umsetzen liess, bedeutete internen Bergwelten-Rekord. Der reibungslose Ablauf des Treffens gefiel auch dem perfektionistischen Schweizer sichtlich gut. Jetzt konnte er sich entspannen, jetzt hatte er Zeit. Ein Leuchten kam in seine Augen, als wir über Gipfel, Ausrüstung und neue Ziele sprachen. Seine Begeisterung dafür war in jedem seiner Worte, seiner Mimik und jeder Nuance seiner Bewegung spürbar.
Seine Leidenschaft für die Berge vermittelte er als sprühender Erzähler ebenso wie als nachfragender Zuhörer. Erst recht wenn es um seine Lieblinge wie den 6.500 Meter hohen Cholatse ging, dessen Nordwand er solo gegangen war, oder den endlosen Peuterey Grat auf den Mont Blanc, aus dem er eine Tagestour gemacht hatte – und natürlich: sein Everest-Projekt. Auf Berge zu steigen, das war sein Thema, sein Leben. Dort erlebte er Freiheit und funktionierte in seiner Zeit. „Komm gesund wieder zurück“, schrieb ich ihm Anfang April via SMS, kurz vor seinem Aufbruch ins Khumbu-Gebiet. „Danke, Vollgas“ war seine Antwort.
Tipp
Kurz vor seinem Tod im Himalaya traf sich Ueli Steck zu einem letzten Interview mit The Red Bulletin – ein im Rückblick prophetisches Gespräch über die erstaunlichen Qualitäten der Angst. Hier könnt ihr das Interview lesen.
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