Skigenuss auf Grödnerisch
Foto: dolomitesvalgardena / Dejori
von Katrin Rath
Im Grödnertal steht der Genuss an oberster Stelle – das gilt sowohl auf der Ski-Piste, als auch beim Einkehrschwung. Bergwelten-Redakteurin Katrin Rath hat dem Weltcup-Austragungsort und seinen Hütten einen Besuch abgestattet.
„Vives!“ So klingt es, wenn Ladiner beim gemütlichen Zusammensein miteinander anstoßen. Und der ladinische Ausruf, der wortwörtlich übersetzt „er/sie/es lebt“ bedeutet, wird im Südtiroler Grödnertal sehr ernst genommen. Hier wird gelebt! Die Menschen achten auf das eigene Wohl und vor allem auch auf jenes der Gäste und genießen das Leben in vollen Zügen. Genuss wird hier, ganz in italienischer Manier, groß geschrieben – sowohl sportlich, als auch kulinarisch.
Sportlich genießen
Schon bei der Ankunft in Gröden stechen die dreisprachigen Ortstafeln ins Auge. Durch Urtijëi/St. Ulrich/Ortisei und Santa Cristina Gherdëina/St. Christina/ Santa Cristina Valgardena geht es bis nach Sëlva/Wolkenstein/Selva di Val Gardena. Skifahrerisch hat jedes der drei Dörfer einiges zu bieten und um sie zu besuchen bedarf es keinem anderen „Verkehrsmittel“ als der Ski oder des Snowboards. Als Teil des Seilbahnverbunds Dolomiti Superski kann man mit der Liftkarte bis zu 1.200 Pistenkilometer (500 davon zusammenhängend) in 12 Skigebieten genießen – sollten die Pisten in Gröden nicht genug sein.
Wer morgens in Wolkenstein in die Ciampinoi-Seilbahn einsteigt, wird schon beim Aussteigen an der Bergstation Augen machen. Hier türmt sich der 3.181 Meter hohe Saslonch/Langkofel/Sassolungo vor den Skispitzen der Wintersportler auf.
Von hier ist es auch nicht mehr weit bis zur berühmte Weltcup-Piste, die ihren Namen dem Wahrzeichen des Tales verdankt: die Saslong. Sie führt in 3,5 spektakulären Kilometern und über die berüchtigten Kamelbuckel ins Tal bis nach St. Christina. Ein wahrer Genuss – zumindest für jene, die ihre Wintersportgeräte sehr gut unter Kontrolle haben. Diejenigen, die Skigenuss etwas anders definieren, können auf dem Weg von Wolkenstein nach St. Christina Kultur und Sport verbinden. Die leichtere Variante führt nämlich direkt an der Fischburg/Ciastel de Gherdëina/Castel Gardena, einem imposanten Bau aus dem 17. Jahrhundert, vorbei.
Wer Mitte Dezember nach St. Christina kommt, kann die Profis am Werk bestaunen – dann brettern die Rennläufer des alpinen Ski-Weltcups im Super G und der Abfahrt die Saslong mit bis zu 130 km/h hinunter. Neben den Rennen erwartet die Gäste aber natürlich ein umfangreiches Rahmenprogramm – zu einem Weltcup-Wochenende gehören Aussteller, Parties und Startnummernverlosungen dazu. Kulinarische Südtiroler Spezialitäten, wie Hartkäse, Rohschinken und Wein, die im Rahmen der Veranstaltungen angeboten werden, sorgen für südländischen Flair mitten im Winter.
Und spätestens, wenn man gemeinsam mit Top-Athleten in ein überfülltes Taxi gesetzt wird, merkt man, dass sich die Gelassenheit der Italiener nicht nur auf die Regionen südlich der Dolomiten beschränkt. Und die Erfahrung zeigt: in italienischen Sammeltaxis bekommen selbst Weltcup-Athleten keine Sonderbehandlung.
Um zum nächsten Highlight zu gelangen, steigt man im Zielbereich der Saslong in den Val Gardena Express, eine unterirdische Standseilbahn, und gelangt so auf die andere Seite von St. Christina, wo es mittels einer Gondel und eines Sessellifts hinauf zur Seceda-Alm geht. Auf der einen Seite sanft gewölbt und auf der anderen Seite senkrecht und felsig abfallend, ist sie nicht nur im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel.
Im Winter sind die weitläufigen Pisten auf sonnigen Südhängen ein wahres Vergnügen für Skifahrer und Snowboarder. Ein besonderer Genuss ist die 10,5 Kilometer lange Piste „La Longia“. Abgesehen von hervorragenden Pistenverhältnissen lädt hier, immer wieder an steilen Felswänden vorbei, vor allem die Aussicht auf die umliegenden Gipfel der Dolomiten zum Staunen ein. Im Tal, genauer in St. Ulrich, der letzten der drei Ortschaften des Grödnertals, brennen dann die Schenkel und die Gondelfahrt zurück auf die Seceda kommt zur Regeneration gerade recht.
Hat man nun alle Ortschaften gesehen und noch Zeit übrig, lohnt es sich, auch den berühmten Sellastock genauer unter die Lupe zu nehmen. Und im Winter gibt es dafür wohl kaum eine bessere Möglichkeit als die Sellaronda – die Umrundung des Massivs per Ski. Drei Stunden sollte man für die 26 Kilometer einplanen – vorausgesetzt man verzichtet auf einen Einkehrschwung, was in Gröden aber fast unmöglich ist. Zu verlockend sind die zahlreichen Skihütten mit ihren regionalen Spezialitäten.
Kulinarisch genießen
Schlutzkrapfen, Knödel-Variationen und sensationell guter Käse finden sich auf den Hütten auf der Speisekarte. Da der Weinbau in Südtirol lange Tradition hat, darf zu einem guten Essen ein guter Wein nicht fehlen. Die kleinste Hütte Grödens, das Fienile Monte am Sellajoch, hat davon besonders viele im Angebot. Ein besonderes Highlight sind hier oben die freitäglichen Hüttenabende. Zu Aperitivo und ausgedehntem Abendessen gelangt man dann übrigens per Pistenraupe!
Nicht mit der Pistenraupe, aber klassisch per Ski, oder auch per Taxi oder Auto, gelangt man zur Usteria Costamula auf der Seceda. Fährt man die oben erwähnte La Longia, kommt man hier vorbei – aber kaum, ohne einzukehren. Neben den traditionellen Speisen, wie Grödner Rösti oder Tirtlan, den bekannten, frittierten Teigtaschen, finden Besucher auch ein kleines Museum vor.
Wer es ausgefallen mag, darf sich die Comici-Hütte hoch über Wolkenstein nicht entgehen lassen. Mit ihrer weißen Fassade und den blauen Fensterläden sieht sie von außen aus, wie ein traditionelles, italienisches Fischlokal – und das ist sie im Inneren im Grunde auch. Statt Schlutzkrapfen und Knödel aus Südtirol werden hier Muscheln und Meeresfische aus der Adria serviert. Die hauseigene Fischzucht in Grado macht’s möglich. Statt Anglernetzen und Fischerfotos hängen hier allerdings Holzski und Portraits von Skichampions aus vergangenen Tagen an der Wand.
Genuss-Skifahren wird im Grödnertal auf ein neues Level gehoben. Ob beim Skifahren mit herrlichen Abfahrten oder beim Einkehrschwung mit erlesenen Gerichten und regionalem Wein – man genießt das Leben hier in vollen Zügen. In diesem Sinne: „Vives!“ Auf das Leben und auf Südtirol.
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