So überlebt man als Radfahrer die kalte Jahreszeit
Kühlere Temperaturen sind noch lange kein Grund, sein Rad in den Keller zu stellen. Vom Kopf bis zu den Zehen – mit diesem Produkt-Guide rollt man durch den Winter, ohne am Lenker festzufrieren.
Beitrag: Anke Eberhardt
Wer seine Freizeit primär auf zwei Reifen verbringt, hat es zwischen Oktober und April nicht leicht. Kann man im Sommer bei Fahrradklamotten eigentlich nicht viel falsch machen, ist es eine kleine Kunst, sich im Herbst, Winter und Frühling auf dem Sattel warm (aber auch nicht zu warm!) zu halten. Unsere Autorin gehört zur Kategorie Frostbeule und hat am eigenen frierenden Leib getestet, mit welchen Produkten man der Kälte davonfährt.
10 Phasen von frisch bis frostig, die man dann im Frühling einfach wieder zurückradelt.
Phase 1: Anstückeln
Wärmere Shorts samt Arm- und Beinlingen plus winddichter Jacke
Beliebt auf Bergwelten
Gerade in den Übergangsphasen schwanken die Temperaturen über den Tag hinweg oft extrem. So geschehen Mitte Oktober in München: Um 9 Uhr morgens frierend losfahren bei 7 Grad, mittags schwitzen am Starnberger See bei 26 Grad. Bei vier Menschen war alles dabei: Ich mit langer Thermohose („Nur nicht frieren am Morgen!“) bis hin zu Sommershorts („Nur nicht schwitzen zu Mittag!“)
Die Lösung: Anstückeln. Eine etwas wärmere kurze Hose mit robusterem Außenmaterial bringt gut durch den Morgen, ohne am Mittag zu heiß zu werden. Die Arm und Leg Warmer von Pas Normal sind besonders für kühlere Tage geeignet, weil sie mit dem angerauten Fleece innen wärmen und außen den Wind abhalten. Kommt doch die Sonne raus, sind Arme und Beine aber im Nu frei. Dann noch eine winddichte, packbare Jacke wie das PNS Stow Away Jacket dazu und fertig ist das Eier-legende-Woll-Milch-Sau-Outfit für Frühling und Herbst.
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Phase 2: Füße warmhalten
Wärmere Socken und Zehenschutz
Nichts kann eine Radtour so schnell beenden wie kalte Füße. Da sie beim Pedalieren doch recht statisch sind, frieren die Treter oft am schnellsten. Ein erster Schritt im Herbst: wärmere Socken. Merino heißt das Zauberwort, auf das die meisten Firmen zu recht setzen, zum Beispiel Fingerscrossed bei den Winter Merino Socks. Im Gegensatz zu normalen Sportsocken sind sie genau dort mit Plüsch-Wollfrottee verstärkt, wo man es auf dem Rad braucht: an den Zehen, an der Ferse und der Fußsohle – und trotzdem noch schmal genug, damit sie gut in die Radschuhe passen. Wenn’s frischer wird einfach einen Zehenschutz mit Windstopper, z.B. von Gore, überstreifen und weiter geht’s!
Phase 3: Zwiebeln
Layering, Layering, Layering!
Apropos Merino: auch wenn ich wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt bin, der nicht uneingeschränkt von dem Material begeistert ist (#kratzbürste), auch in Sachen Baselayer kommt im Winter nichts an Merino heran. Die Schafwolle transportiert Feuchtigkeit vom Körper weg, reguliert die Temperatur, unterbindet unschöne Gerüche und trocknet extrem schnell. Der Baselayer auf der Haut ist die erste Stellschraube zum Warmbleiben und im Herbst und Frühling sorgt eine dünne Merino-Schicht wie der 100% Merino LS Baselayer von Isadore für eine entspannte Übergangszeit. Wird es richtig kalt, zum schwereren Deep Winter Baselayer mit hohem Kragen und windresistenter Brustpartie upgraden. Dann noch ein langärmeliges Thermo Jersey wie das TherMerino Jersey drüber und in Kombination mit einem windabweisenden Gilet oder einer Jacke aus Phase 1 sind Herbst und Frühling im Kasten.
Wichtig: Der „Zwiebelkuchen“ funktioniert nur mit „Wurst in Pelle“: Alles muss wirklich eng anliegen. Der Körper ist bei Bewegung schließlich wie eine Heizung und enge Bekleidung hält die warme Luft, die produziert wird, am Körper. Ist Radkleidung zu groß, kommt kalte Außenluft herein und man friert. (Den Anfängerfehler habe ich im ersten Winter natürlich sofort gemacht hat – braucht jemand Jerseys in Größe 38? I make you good price, my friend!)
Phase 4: Kopf warmhalten
Mütze und Neckwarmer
„Die meiste Wärme verliert man über....“? Genau. Schon Muttern wusste, wie wichtig es ist, den Kopf warm zu halten. Auf dem Rad heißt das vor allem: Ohren und Vorderkopf vor Wind schützen. Die Gore C5 Windstopper Road Kappe macht genau das und hält mit dem Schirm auch die niedrig stehende Wintersonne fern. Dann noch einen Neckwarmer wie den Gore Hals- und Gesichtswärmer mit Windstopper dazu, den man auch bis über die Nase ziehen kann – und der Ninja fährt fröhlich weiter.
Phase 5: Mal ordentlich Futter(n)
Isolierung für die richtig kalten Tage
Wer wie ich zu den Menschen zählt, für die eine Wärmflasche das wichtigste Winteraccessoire ist, der streift sich spätestens im November lang-lang über. Weibliche Frostbeulen sind mit den Cargo Winter Tights von Rapha bestens unterwegs, denn die lange Radhose mit gebürsteter Fleece-Innenseite hält kuschelwarm und wasserabweisend ist das Ding außerdem. Wer mit einer klassischen Außenschicht wie der Rapha Core Winter Jacket nicht überlebt, den rettet Polartec Alpha. Die neuartige Isolierung wärmt im Gegensatz zu Daune nicht nur, sondern reguliert die Körpertemperatur (Atmungsaktivität deluxe!), stößt Wasser ab und trocknet schnell – bei extrem kleinen Packmaß. Will heißen: das Zeug hält warm, ohne zu überhitzen und das auch wenn’s mal bergauf etwas anstrengender wird. Beispiel: Die Rapha Brevet Insulated Jacket. Wenn es eigentlich zu kalt ist zum Radfahren, ist es mit Polartec Alpha nicht zu kalt zum Radfahren.
Phase 6: Füße w-i-r-k-l-i-c-h warmhalten
Überschuhe überstreifen oder gleich: Winterschuhe
Siehe Phase 2: kalte Füße = kein Spaß. Wenn auch warme Socken und Zehenschutz nicht mehr helfen, braucht es Überschuhe. Sie sorgen dafür, dass der Wind erst gar nicht an den Schuh gelangt und Wärme am Fuß gehalten wird. Wer wie ich zu Eiszapfen an den Zehen neigt, greift ab Ende November zu den Gore Windstopper Thermo Überschuhen, die zusätzlich noch mit Thermo-Innenfutter ausgestattet sind. Wärmer wird’s nur mit speziellen Winterschuhen wie den Artica X5 von fi’zi:k. Anders als bei normalen Radschuhen gibt es hier keine unzähligen Nähte oder Lüftungslöcher, durch die kalte Luft überhaupt eindringen könnte. Die Speed-Schnürung wurde beim X5 komplett nach innen verlegt und Nässe oder Kälte prallen direkt an der wasserdichten, nahtlosen Außenschicht ab. Eine Innensohle mit Fleece oben und Aluminiumisolierung unten sorgt dafür, dass die Treter auch in Richtung Pedal warm bleiben. Wer noch robuster unterwegs sein will, greift zu den Defroster Trail Mountainbike Shoes von Specialized mit 400 Gramm Thinsulate®-Isolierung – danach kommen nur noch Moonboots und Glühwein in St. Moritz.
Phase 7: Augen ins Visier nehmen
Große Brille für großen Windschutz – und klare Sicht bei Winterlicht
Während man im Sommer auch mit kleinen windschnittigen Modellen problemlos unterwegs ist, schneidet der Wind im Winter wortwörtlich ins Gesicht. Daher kann sogar mit der Sonnenbrille für Wärme gesorgt werden. Denn je größer die Brille, desto mehr wird das Gesicht vor Fahrtwind und damit Kälte geschützt. Die Oakley Sutro erledigt das mit ihrem Großformat im Nu und sorgt mit der Prizm Low Light Variante auch noch dafür, dass man trotz weniger Licht im Winter den Durchblick behält. Dann noch den Neckwarmer aus Phase 4 oder gleich eine Sturmmaske dazu und dem Banküberfall für die Refinanzierung des Fahrrad-Equipments steht nichts mehr im Weg.
Phase 8: Hand drauf!
Gefütterte Handschuhe für arktische Temperaturen
Jeder aufmerksame Leser hat schon bei Phase 2 geschrien: „UND WAS IST MIT DEN HÄNDEN?!“. Zu Recht. Kalte Finger sind fast genauso ungut wie kalte Füße (und ja, ja: manch einer friert an den Fingern früher als am Kopf). Auch hier braucht es eine Windstopper-Oberfläche, weil Wind... again: ist kalt. Wer aber zu den ganz harten Hunden gehört und auch im tiefsten Winter bei Minusgraden nicht am Lenker festfrieren will, streift die Roeckl Villach Gloves über. Wie die neue PrimaLoft® Gold Isolierung samt Cross Core™ Technologie mit Aerogelen (einer der leichtesten Feststoffe der Welt! Aus der Luft- und Raumfahrt!) genau funktioniert, muss man nicht erklären können – dass die Teile so warm sind, dass jeder Skihandschuh neidisch wird, merkt man auch so. Und mit der radspezifischen Passform sitzen sie trotzdem griffig am Lenker. Noch arktischer wird’s dann mit der Trigger Variante, die drei Finger in den Fäustling packt. Ride-by Schneeballschlacht anybody?
Phase 9: Die Heizung aufdrehen
Beheizte Produkte für die RICHTIG kalten Tage
Radfahren wenn andere Iglus bauen? Dann sind beheizte Socken, Sohlen und Handschuhe meine letzte Rettung. Kurz bevor die Kette gefriert, halten die elektrisch beheizten Einlegesohlen von BERTSCHAT® mit eingebautem Akku die Füße von unten warm – und zwar ganz ohne Kabelsalat dank Fernbedienung. Wer noch wärmere Geschütze auffahren will, greift zu den Lenz Heat Sock 6.0 Toe Cap Merino Compression. Die Socken heizen rund um die Zehen, halten unter einer langen Radhose zusätzlich die Waden warm und das Merinomaterial samt Kompressionsfunktion performt ebenfalls bestens auf dem Rad (und ist dünn genug, um in die Bikeschuhe zu passen). Die Wärme wird entweder über Knöpfe des Lithium-Akkus am Sockenbund reguliert oder via Smartphone-App. Sowohl bei Sohlen wie Socken gilt: es werden nur die Zehen gewärmt, da diese als Erstes frieren und quasi das Thermometer für den Rest des Fußes sind.
Gleiches gilt auch für die Hände, weswegen ich spätestens um den Gefrierpunkt zitternd zu den beheizbaren Unterziehhandschuhen von BERTSCHAT® greife, die sich mit mehr oder weniger warmen Überziehhandschuhen kombinieren lassen. Hier wird die Handfläche bis zu den Fingerspitzen über einen wieder aufladbaren Akku gewärmt, der easy über einen Button am Schaft reguliert werden kann.
Der Vorteil: Sowohl Unterziehhandschuhe als auch Socken und Sohlen können unter jedem Handschuh und in jedem Schuh getragen werden und sind daher auch für Skifahren, Snowboarden, Winterwandern, Weihnachtsmarkt etc. einsetzbar. Die Investition lohnt sich deswegen für alle Frostbeulen im Nu.
Soll es ein spezifischer Fahrradhandschuh sein, der auch wind- und wasserdicht ist? Tataaa: der Racer E-Glove 3 ist speziell für den Lenker gemacht.
Und für alle Sparfüchse: Zehenwärmer gibt’s auch als Wegwerfvariante im Drogeriemarkt – und das zum Schnäppchenpreis von 1 bis 2 Euro. Da diese aber nicht reguliert werden können, wirklich nur in der Arktis auspacken, sonst herrscht Sauna im Schuh.
Phase 10: Wohnzimmer erobern
Biketrainer für wirklich jedes Wetter und jede Uhrzeit
Wenn draußen wegen Schnee (oder Dunkelheit) wirklich gar nichts mehr geht, geht es indoor heiß her: wenn man einen Rollentrainer hat. Im Wohnzimmer kann man schließlich auch im tiefsten Winter in Shorts und Tanktop treten. Der Wahoo Kickr Core ist mit seinem realistischen Fahrgefühl schwer zu schlagen und dank diverser smarter Trainingsprogramme kommt man garantiert ins Schwitzen (Zwift, Trainer Road, The Sufferfest – Wahoo hat sie alle!). Nicht umsonst gibt es auch den passenden Headwind Bluetooth-Ventilator für eine kühle Indoor-Fahrtwind-Brise – ich puste in Ermangelung dessen aber gern auch einfach mal über meine Oberarme. Heiße Diskussionen mit meinen Nachbarn sind zudem ausgeblieben, denn die Schwungradtechnologie ist eine der leisesten auf dem Markt. Und sobald die Temperaturen draußen wieder freundlicher sind, komme ich dann hoffentlich auch nicht so schnell ins Schwitzen, weil die Kondition über den Winter warmgehalten wurde.
Im Frühling dann einfach wieder etappenweise zurück zu Phase 1 rollen.
Happy cycling!