„Mit Händen und Füßen zum eingeschworenen Team“
Foto: Stefanie Schider
von Martin Foszczynski
Seit mehreren Monaten nimmt Alpenvereinsjugend-Mitglied Stefanie Schider Asylwerber aus dem Flüchtlingshaus der Caritas Salzburg zum Klettern mit. Zuerst im Freien zum Kletterparcours Müllner Schanze in der Innenstadt, jetzt in die Kletterhalle Salzburg. Uns erzählt sie von ihren Erfahrungen zwischen berührenden Schicksalen und spontanen Slapstick-Einlagen.
Bergwelten: Stefanie, wann warst du das letzte Mal mit deinen Schützlingen klettern? Wie kam es zu dieser Initiative?
Stefanie Schider: Das letzte Mal war vor circa einer Woche – mittlerweile sind wir vom Freien in die Kletterhalle Salzburg gewechselt. Meine Schwester Andrea arbeitet im Flüchtlingshaus der Caritas wo rund 50 männliche Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens untergebracht sind und auf ihre Asylbescheide warten. Das kann 4 Monate bis über ein Jahr dauern – eine lange Zeit, die auch sehr langweilig werden kann, wenn man nichts zu tun hat. Aus Geldmangel gibt es auch nur wenige Freizeitangebote für die Männer dort. Wir wollten das ein wenig ändern.
Bekommst du finanzielle Unterstützung?
Die Kletterhalle Salzburg hat uns ein spezielles Angebot gemacht und verlangt nur 4 Euro Eintritt pro Teilnehmer. Das wiederum bezahlt das Landesjugendteam Salzburg. Das Klettermaterial stellt meine zweite Schwester, Eva, bereit, die Bergführerin ist. Und meine Mama, Johanna, zahlt die Bustickets aus eigener Tasche, wenn das Wetter zum Radfahren zu schlecht ist.
Woher stammen die Teilnehmer eurer Kletterausflüge?
Zunächst waren es vorwiegend Iraker und Syrer, mittlerweile sind auch viele Somalier fleißig am klettern. Wir teilen die insgesamt 20 Leute meistens in gleichsprachige Gruppen, einfach damit die Verständigung leichter geht. Einmal haben wir sie aber bunt durchgemischt – was auch gut geklappt hat. Manche versuchen sich auf Englisch zu verständigen, andere mit ein paar Brocken Deutsch – und wenn alles nicht geht, dann eben mit „Händen und Füßen“ (lacht).
Sind das alles Kletteranfänger?
Ja, es sind alles komplette Anfänger – was den Spaß natürlich steigert. Auf der Müllner Schanze habe ich mal die schwierigste Route eingehängt, worauf einer von ihnen es nicht einmal bis zur ersten Expressschlinge geschafft hat. Fünf andere haben ihn dann am Hintern hochgeschoben (lacht). Aber es gibt auch richtige Talente, die beeindruckend viel Kraft mitbringen und auch die Technik schnell lernen. Der ein oder andere hat sicher schon ein Niveau von circa 6B erreicht. Aber in allererster Linie geht es um den Spaß an der Sache.
Welche Erfahrungen hast du mit deinen Kletter-Neulingen gemacht?
Ausschließlich super Erfahrungen. Beim ersten Mal waren wir uns völlig fremd – trotzdem haben sie mir und meiner Familie sofort vertraut und wir haben immer engere Beziehungen aufgebaut. Ich denke, das hat viel mit dem Klettern an sich zu tun, wo es ja darum geht, sich gegenseitig abzusichern, zu vertrauen. Mittlerweile haben sich echte Freundschaften entwickelt – einige umarmen mich zur Begrüßung, einige sagen „Mama“ zu meiner Mama (lacht). Auch untereinander hat das Klettern die Männer zusammengeschweißt – sie haben einfach eine Gaudi und ziehen sich auch gerne gegenseitig auf, wenn mal ein Hindernis nicht geschafft wird.
Haben dir deine neuen Kletterfreunde auch von ihrer Vorgeschichte erzählt?
Ja, man hört da die schlimmsten Geschichten. Erschossene Familienmitglieder, Bombensplitter, Bedrohungen... Trotzdem schaffen sie es, beim Klettern Spaß zu haben. Wenn man all diese Schicksale hört, wird einem bewusst, was für eine schöne und unbeschwerte Kindheit man selbst hatte.
Sollten sich andere Alpenvereins-Mitglieder ein Vorbild an euch nehmen?
Ich will niemanden zu etwas überreden, aber ich kann es aus vollster Überzeugung empfehlen. Ich verstehe alle, die Angst vor „Fremden“ haben, aber Angst kann man nur abbauen, wenn man das Gegenüber kennenlernt. Beim Klettern, Wandern oder Laufen geht das besonders gut, und es macht besonders viel Spaß.
Danke für das Gespräch!
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