ELTERNSICHT
Was wird es denn? Ein Berg-Baby!
Lisi Steurer ist Bergführerin und seit ihrer Jugend leidenschaftliche Kletterin und Reisende. Seit zwei Jahren ist sie auch Mama. Das hat so manches in ihrem Leben verändert und anderes gar nicht. Sie erzählt, wie es ihr seit dem Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft ergangen ist und was das Elternsein für ihr Leben am und mit dem Berg bedeutet.
Text: Lisi Steurer, Illustration: Jochen Schievink
Eines schon vorab: Das wird kein „How to“ -Text, in dem ich Ratschläge geben möchte. Ich erzähle hier lediglich einen Teil der Geschichte, die sich seit der Geburt unserer Tochter Heidi im Jahr 2020 abgespielt hat. Und da komme ich in eine mentale Zwickmühle. Zum einen finde ich es toll, Beiträge von Kletterprofis wie Beth Rodden, Lynn Hill und vielen anderen tollen Müttern zu lesen, wie sie das Leben zwischen Kind und Klettern meistern konnten. Zum anderen ist der Grat zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit ziemlich schmal. Ich versuche in den folgenden Zeilen diesen Grat bewusst zu gehen, da ich auch von den genannten Frauen Tipps und Ratschläge zum Mamasein mitgenommen habe, die ich ohne ihre Bereitschaft, sie mit der Öffentlichkeit zu teilen, nicht gemacht hätte.
Der Wunsch nach Veränderung
Für uns als Bergführer, leidenschaftliche Kletterer und Reisende war es natürlich eine große Entscheidung, die wir – mein Partner Felix und ich – bewusst getroffen haben. Wir wollten nach vielen Jahren als Paar, unzähligen Kletterreisen und Arbeitsaufträgen in Kanada, Japan, Marokko, dem Oman und den ganzen Alpen unser Leben verändern. Und zwar insofern, als es noch etwas anderes als Rucksackpacken, Verhältnisse-Checken und Bergsteigen in unserem Leben geben sollte.
Wir haben uns zwar mental darauf vorbereitet, als ich dann aber wirklich schwanger war, war es doch eine große Herausforderung. Zu Beginn meiner Schwangerschaft wurde mir rasch klar, dass ich mit meinen Entscheidungen – am Berg und mit meinem Körper – noch bewusster umgehen sollte. Gleichzeitig war mir auch klar: Nur wenn es mir gut geht, geht’s dem Baby gut. Dies war der Spagat, den es zu machen galt. Ich ging also nach wie vor meinen Aktivitäten nach, solange ich mich wohl fühlte, und war noch bis zum 8. Monat aktiv in den Bergen unterwegs. Zuerst beim Klettern und dann, jahreszeitlich bedingt, beim Skitourengehen. Ich fühlte mich auf einer leichten Skitour im Pulverschnee einfach wesentlich wohler als auf einem eisigen Spazierweg im Tal.
Heidi ist da
Nach der Geburt unserer Tochter Heidi war plötzlich dieser wunderbare Zauber vorhanden, den wohl alle Eltern erleben. Ein neues Wesen ist da, und es braucht erst mal Zeit zum Kennenlernen. Für uns als Eltern war aber auch von Anfang an klar: Unser Zuhause ist nicht nur drinnen, sondern eben auch draußen. Nachdem es uns allen nach der Geburt gut ging, sind wir schon nach zehn Tagen zum ersten Mal zum Klettern an den Fels. Ein wunderbarer Tag, an den ich mich noch lange erinnern werde. Die Kleine hat in ihrer Wippe geschlafen, und ich bin zum ersten Mal wieder zwei, drei Seillängen geklettert. Und es hat sich wunderbar angefühlt. Dieser Balanceakt zwischen für das Baby da sein und auch auf die eigenen Bedürfnisse hören, ist wohl die größte Aufgabe für uns als Eltern und bestimmt nach wie vor den Tagesablauf.
Je älter unsere Tochter wird, desto wichtiger wird es auch, dass wir bewusst planen, wie viele Tage die Woche wir beim Arbeiten und/oder Klettern/Bergsteigen sind. Das erfordert natürlich viel mehr Organisationsaufwand als vorher. Wenn eine/r von uns über Nacht oder sogar mehrere Tage in den Bergen unterwegs ist, dann ist die/der andere zu Hause oder gemeinsam mit Heidi irgendwo unterwegs. Die Kleine soll natürlich die Geborgenheit der Eltern spüren! Das ist ganz wichtig. Sie soll aber auch unsere Leidenschaft zum Bergsport spüren. Das gehört einfach zu unserem Lebensstil dazu, und es wäre für Heidi wohl ein trauriges Aufwachsen, wenn wir ihretwegen nicht mehr in die Berge gingen. Das bekommt unsere Tochter von Anfang an mit, und sie wird dann natürlich eines Tages selber entscheiden, ob sie das gut findet oder nicht.
Was sich geändert hat
Rückblickend kann ich sagen, dass sich unser Leben in den letzten zwei Jahren gar nicht so stark verändert hat. Es wäre zwar vermessen, zu sagen, dass es keine schlaflosen Nächte oder stinkenden Windeln gegeben hätte. Ich denke, unsere Passion, draußen und in den Bergen zu sein, hat sich dahingehend entwickelt, dass wir sie nun noch bewusster leben und weitergeben möchten. Und wir denken noch gewissenhafter an die Konsequenzen und Gefahren, die wir nicht zur Gänze vermeiden können. Die Anzahl der Tage am Berg zählt nun weniger als deren bewusstes Erleben. Gerne auch gemeinsam mit unserer Heidi.
Dankbare Anmerkung: All diese Dinge kann ich nur so von mir geben, weil wir ein flexibles und hilfsbereites Umfeld um uns haben, das unsere kleine Heidi mit offenen Armen aufgenommen hat. Dazu gehören natürlich die liebevollen Großeltern, aber auch Freundinnen und Freunde, bei denen unsere Kleine schon sehr früh übernachten durfte und die sie mir, wenn nötig, sogar zu den Stillzeiten in den Klettergarten nachgetragen haben! Ohne diese Menschen wäre das Abenteuer Elternsein wohl in dieser Form nicht möglich!
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