Spaces-Theorie: So verbessern die Berge deine Gesundheit
Verschiedene Farbwelten haben unterschiedliche Wirkungen auf den menschlichen Körper. Die Green, Blue und White Spaces in den Bergen verbessern nachweislich die Gesundheit.
Für die einen sind es die frische Luft und die Stille, für die anderen der tolle Ausblick und der Kaiserschmarrn auf der Hütte. Und für manche gehört neben der intensiven Bewegung noch das wohlige Kribbeln dazu, wenn es links oder rechts richtig steil hinuntergeht. Einig sind sich hingegen alle: Die Berge tun uns gut.
Dieses positive Bauchgefühl, das wir dort oben haben, lässt sich auch wissenschaftlich beweisen – kann also in biochemischen Prozessen und mit belastbaren Zahlen nachvollzogen werden. An der Paracelsus Universität in Salzburg gibt es mittlerweile sogar ein eigenes Institut der Ökomedizin, das erforscht, wie die Natur auf die Immunologie, Physiologie und Psychologie des Menschen wirkt. Die Ökomedizin denkt und forscht in Räumen, in sogenannten „Spaces“. Diese haben teils ähnliche, teils unterschiedliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit und werden nach Farben unterschieden.
Green Spaces: Wald, Wiesen und Almen
Den Green Space erleben wir als dreidimensionalen Raum. Um auf den Gipfel zu kommen, steigen wir über Wurzeln, Steine oder bewegen uns in rutschigem Terrain. Durch stets neue, ungeplante Bewegungsabläufe werden unsere Koordination und unser Gleichgewichtssinn geschult. Zudem beanspruchen wir das Herz-Kreislauf-System und bauen Muskeln auf.
Der Wald, durch den wir beim Zustieg in einem Gebirge gehen oder der unser eigentliches Ziel ist, filtert die Luft und lässt uns in Kontakt mit Terpenen kommen: Das sind etwa hundert bei weitem noch nicht vollständig erforschte Duftstoffe, durch die Bäume miteinander kommunizieren – und die auch auf unseren Körper wirken. Sie helfen, den Blutdruck, den Puls und damit den Stresspegel zu senken, und stimulieren die natürliche Immunabwehr des Körpers. Schon der Anblick von Bäumen ist messbar positiv für uns. Zudem mildern Grünräume den Lärm der Umgebung und packen uns in eine beruhigende Geräuschkulisse – vom Vogelgezwitscher bis zum Blätterrauschen. Die natürliche Kühlung ist ein weiterer Grund, die aufgeheizten Städte für einige Zeit zu verlassen. Je tausend Höhenmeter sinkt die Temperatur um durchschnittlich sechs Grad. Das schattenspendende Dach der Bäume hilft zusätzlich.
Touren zu Green Spaces
Blue Spaces: Bergseen, Gebirgsbäche und Wasserfälle
Mit ihren rhythmisch wechselnden Licht- und Bewegungsmustern sowie den charakteristischen Geräuschen wirken die Blue Spaces sehr beruhigend auf uns. In der Nähe von Gewässern sinkt nachweislich die Herzfrequenz. Auch die Tendenz zum Grübeln nimmt ab. Ähnlich wie in den Grünräumen sind die sanften Reize offenbar ein wohltuender Kontrast zum permanenten Lärm, den starken visuellen Reizen und der Stimulierung durch Handys, die unser modernes Leben prägen.
Die Faszination am Blau, das uns als Farbe messbar guttut, könnte mit unserer Evolutionsgeschichte zu tun haben. „Gewässer haben eine immense biologische Vielfalt, die schon unseren Vorfahren reiche Nahrungsquellen bot. Das scheint eine tiefe Erinnerung in uns auszulösen“, so Mathew White, der an der Uni Wien im Bereich Umweltpsychologie forscht.
Ein veritabler Medizinschrank unter den Blue Spaces sind Wasserfälle: Untersuchungen haben gezeigt, dass jeder sein eigenes Mikroklima und eine spezifische Heilwirkung hat. Asthmakranke Kinder, die über drei Wochen mit dem feinen Sprühnebel aus Nano-Aerosolen der Krimmler Wasserfälle in Kontakt waren, hatten danach für mindestens zwei Monate eine verbesserte Lungenfunktion. Der Gartlwasserfall im Kärntner Teil des Nationalparks Hohe Tauern wiederum vermag chronischen Stress zu reduzieren. Bei Probanden ließ sich nach der Zeit bei den stürzenden Wassern zudem eine deutliche Stärkung des Immunsystems feststellen.
Touren zu Blue Spaces
White Spaces: Schneebedeckte Gipfel und Gletscher
Die winterlichen Berge – sogenannte White Spaces – haben eine Reihe von positiven Wirkungen auf unseren Körper: Je höher wir am Berg steigen, desto geringer wird die Feinstaubbelastung und desto weniger Allergene sind in der Luft zu finden: Das freut vor allem jene, die im Tal von Pollen geplagt werden. Bei allen wirkt sich das Unterwegssein in der Höhe zudem positiv auf das Blutbild sowie den Fett- und Zuckerstoffwechsel aus.
Außerdem produziert der Körper am Berg mehr Vitamin D, da die UV-Strahlung in dieser Höhe größer ist und auch noch vom Schnee reflektiert wird. Vitamin D kann unser Körper nämlich nur durch den Kontakt mit Sonnenlicht in der Haut bilden. Für eine gute Dosis sollten Gesicht, Hände und Beine unbedeckt sein und die Exposition gut zwanzig Minuten pro Tag dauern. Vor allem im Winter, wenn die Städte unter einer Nebeldecke verschwinden, fehlt uns diese natürliche Vitaminkur oft. Dann ist es Zeit in die Welt aus Eis und Schnee vorzudringen. Wir trennen uns von der Couch, schnallen Tourenski oder Schneeschuhe an, setzen die Sonnenbrille auf und starten, gut mit Sonnenschutz eingecremt, in die Höhe. Dort profitieren wir von den thermischen Wechselreizen, dem Sauna-Effekt der Berge: Das Hinaus aus der warmen Wohnung in die Kälte stimuliert etwa das vegetative Nervensystem und fördert die Durchblutung der Atemwege.
Der Schnee ist dabei der Trigger, der uns zur Bewegung motiviert. „Schnee ist eine tiefe Erinnerung an den Winter von damals und ein starker Kontrast zum Urbanen. Er löst bei uns eine Hinwendung zum Tun aus“, so Arnulf Hartl, Leiter des Instituts für Ökomedizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg.