Schlierseer Dreierlei: Wandern, Biken und SUP
Rund um den Schliersee kann man natürlich gut wandern. Aber vor den Toren Münchens gibt es so schöne Radrouten und so klares Bergseenwasser, dass man noch besser zu einem Triathlon der entspannten Art antreten sollte.
Anke Eberhardt für das Bergwelten-Magazin Juni/Juli 2020
Die Problematik beim Triathlon ist ja, dass er a) saumäßig anstrengend ist, dass b) die meisten Menschen in mindestens einer Disziplin grottenschlecht sind und c) deshalb kein Normalsterblicher auf die Idee kommen würde, zum Spaß einen Triathlon zu machen. Es sei denn, man fährt an den Schliersee in Bayern und geht es einmal ganz anders an.
„Kommt, wir treffen uns gemütlich um neun an der Stümpflingbahn und fahren das erste Stück mit dem Lift“, schlägt Maxi Wagner vor und erfüllt damit schon das wichtigste Kriterium für einen entspannten Bergtriathlon: nur kein Stress. Normalerweise ist der drahtige Mittzwanziger aus Miesbach ja eher schneller unterwegs. Als Trailrunner läuft er seine Hausrunde zur Bodenschneid in anderthalb Stunden, unser Plan sieht hingegen eher fünf Stunden vor, inklusive immens wichtiger Regenerierungsphasen zum Blick-durch-den-blauen-Himmel-schweifen-Lassen. Dass wir dafür den Abstecher zur Brecherspitz machen, steht für Maxi völlig außer Frage, schließlich kann man von dort, auf 1.685 Metern, sowohl den Schliersee als auch den Spitzingsee sehen.
Während sich Ersterer zu Füßen des Mangfallgebirges gebettet und in Sachen Größe, Strandbad und Bootsverleih die Nase vorn hat, liegt sein kleinerer, naturbelassenerer Bruder eine Passstraße höher. Von der Brecherspitz aus gesehen, kann man sich nicht recht entscheiden, welcher nun kitschiger in der Sommersonne blitzt.
Als wir auf dem Weiterweg in der kleinen St.-Leonhard-Kapelle noch ein kurzes Stoßgebet gegen drohenden Muskelkater losschicken, meldet sich der Magen. Für sportliche Höchstleistungen ist die richtige Ernährung freilich essenziell, deswegen holt Thomas Müller, der neue Wirt vom Bodenschneidhaus, wenig später die XXL-Gusseisenpfanne aus dem Schrank und serviert eine Kasspatzen-Schupfnudel-Kaiserschmarrn-Trilogie, die für eine Kompanie Marathonläufer reichen würde.
Da heißt es schlau portionieren, damit zwar der Hunger gestillt, der noch folgende Anstieg aber nicht durch zu viele Kohlenhydrate im Gepäck zur Qual wird. Schließlich wartet auf der Bodenschneid das zweite Gipfelkreuz – dieses Mal mit Blick auf den Tegernsee – und später im Tal mit Maxis Freund Christian auch die zweite Disziplin: eine der schönsten Rennradrunden des Voralpenlandes. Bei einem Blick auf Christian Grasmanns Stahlwaden kommen kurz Zweifel auf, ob er die richtige Begleitung ist, wenn es einem eher um den Genuss als um die Bestzeit geht. Christian war über fünfzehn Jahre Rennradprofi und ist als Teammanager des Maloja Pushbikers Profiradteams immer noch aktiv.
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„Wer sich am Ende traut, den Spitzingpass ohne zu bremsen runterzufahren, gewinnt!“, meint er noch, als wir losrollen – zum Glück nur im Spaß.
Tour de Fun
Und Spaß macht die Valepp-Runde, die vom Schliersee über den Tegernsee zum Spitzingsee führt und von idyllischen Waldpassagen entlang der plätschernden Roten Valepp über schnelle Abfahrten auf perfektem Asphalt bis hin zur gemütlichen Einkehr in der Moni-Alm wirklich alles bietet. „Das Tolle an der Strecke ist, dass man sie ganz nach Lust und Laune fahren kann“, erzählt Christian, während wir die Abzweigung zu einer zapfigen Steigung links liegen lassen.
„Wer will, kann reintreten wie ein Verrückter und noch zig umliegende Anstiege mitnehmen. Aber man kann es auch ganz gemütlich angehen.“ Also rollen wir in der Abendsonne fast allein über die Mautstraße, halten hier an einem Brückchen an oder schauen dort über satte Wiesen auf bayerische Holzhäuschen, für die man sofort einen Umzugswagen bestellen würde. Und gerade als die Oberschenkel anmelden, dass es jetzt langsam einmal gut sei, taucht der Spitzingsattel hinter der Kurve auf, und nach der angekündigten Abfahrt (mit Bremsen!) springen wir noch ins kühle Schlierseer Nass.
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Aber ganz bestimmt nicht, um noch kilometerweit zu schwimmen, sondern nur, um frisch gebadet am Ufer den Abend ausklingen zu lassen – die Wasseretappe steht erst für morgen an.„Ich gehe ja vor der Arbeit oft schnell zum Sonnenaufgang auf den Berg“, erzählt Elisabeth Schwojer am nächsten Tag, als wir auf der Valeppstraße ein Stück der gestrigen Radrunde zu Fuß laufen. Seit acht Jahren betreibt sie ihr Tagescafé „Elisabeths Platzerl“ in Miesbach und ist mit ihrem Freund Vitus in jeder freien Minute draußen. Für die Wasserwertung empfehlen die beiden aber einstimmig die Zeit vor dem Sonnenuntergang.
Deswegen sind wir zum Aufwärmen erst einmal auf dem Weg zum Rotwandhaus, einer der beliebtesten Berghütten des Münchner Umlands. Allerdings wählen die meisten Besucher den kurzen Weg direkt vom Spitzingsee oder steigen in die Taubensteinbahn. Bei aller Liebe zur Faulheit empfiehlt sich aber der etwas größere Schlenker über besagten Pfanngraben.
Denn hier wandert man mit wesentlich weniger Gesellschaft an Wasserfällen und Gumpen entlang, die an heißen Tagen wie heute Abkühlung bieten. Und gerade wenn man meint, es wäre jetzt schon eine lohnende Laufetappe gewesen, öffnen sich die Almwiesen, und ringsum drapieren sich die Berge wie ein Kolosseum in der Landschaft.
Auf der Sonnenterrasse des Rotwandhauses wird dann nicht nur knackfrischer Salat mit Kaspressknödel und selbst gebackenem Brot, sondern auch ein Rundblick vom Großglockner bis zur Zugspitze serviert. Mit neuer Kraft in den Beinen nehmen wir die Rotwand, den mit 1.885 Metern höchsten Gipfel der Region, noch mit.
Zwischen Schafen und Kühen bahnen wir uns unseren Weg, doch die starten freilich außer Konkurrenz. Zum Schluss entscheiden wir uns für die knieschonende Fahrt mit der Taubensteinbahn. Schließlich wartet auf uns ja noch die letzte Disziplin des bayerischen Dreierlei.
Wasser marsch
Den ganzen Sommer hat Elisabeth auf ihrem knallpinken VW-Bus nämlich auch ein paar knallpinke Stand-up-Paddle-Boards aufs Dach geschnallt. Für den Endspurt lassen wir die SUP-Boards am Schliersee zu Wasser und überqueren den See. Beim Kiosk der Schliersee-Schifffahrt legen Elisabeth und Vitus an, merken beim Bestellen – Hollerschorle für ihn, alkoholfreies Weißbier für sie – jedoch, dass der Geldbeutel im Auto liegt. Kein Problem, man kennt sich, also wird angeschrieben.
Und schon stellt Elisabeth das Bierglas vorn aufs SUP-Board und setzt zum Bootssteg über, wo die Beine hochgelegt werden. Die sind nach zwei Wanderungen, einer Rennradtour und einer Wasseretappe doch ein bisschen müde – aber mehr als zufrieden am Ziel. Und bei den letzten Schlucken Weißbier-Elektrolyten im Sonnenuntergang hat sich der Schliersee nicht nur als Stützpunkt für die Kaderschmiede des Alternativtriathlons bewährt, sondern auch als Sieger der Herzen.