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„Innovation durch Reduktion“ – moderner Hüttenbau

Aktuelles

6 Min.

29.01.2019

Foto: Christina Schwann

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von Christina Schwann

Am 25. Jänner 2019 lud der Alpenverein Austria zur offiziellen Eröffnung der Neuen Seethalerhütte auf 2.740 m am Dachstein ein. Dabei ist die Hütte weit mehr als ein Prestigeobjekt der Sektion Austria, sie ist vielmehr ein Symbol für einen modernen, innovativen Hüttenbau, der auf hohe Funktionalität bei gleichzeitiger Reduktion auf das Wesentliche setzt.

Der Alpenverein Austria ist gleich alt wie der Alpenverein selbst – nämlich 157 Jahre. „Die Austria“ ist ein Traditionsverein und hat nicht nur hier am Dachstein fünf Hütten, sondern auch mehrere Hütten in den für den Alpinismus immer schon höchst interessanten Gesäusebergen und am Karnischen Kamm. „Als quasi Gründersektion des Alpenvereins sind wir uns unserer Verantwortung durchaus bewusst“, betont Friedrich Macher, 1. Vorsitzender der Sektion. „Alle unsere Hütten tragen das Umweltgütesiegel und erst kürzlich haben wir kleine Sektionen aufgefangen, die ihre Hütten sonst hätten aufgeben müssen.“ Schutzhütten aufzugeben, bedeute immer auch, das bestehende Netz zu schwächen und die Instandhaltung der Wege zu gefährden. Um die alpine Infrastruktur am Berg aufrecht zu erhalten, setzt der Alpenverein auf Professionalität und nimmt jedes Jahr jede Menge Geld in die Hand.

Der Ersatzbau der Seethalerhütte kam allerdings auch für den Alpenverein Austria überraschend – über die Hintergründe haben wir berichtet. Gleichzeitig wurde mit der Seethalerhütte aber auch ein richtungsweisender Diskussionsprozess in Gang gesetzt. Fragen wie „Braucht es diese Hütte in der Nähe der Seilbahnbergstation überhaupt?“ oder „Welchen Ansprüchen muss eine moderne Hütte in der heutigen Zeit gerecht werden?“ mussten im Vorfeld geklärt werden – und zwar für den gesamten Alpenverein.

Aus einem professionell angelegten Architektenwettbewerb wurde ziemlich einstimmig das Siegerprojekt des Büros „dreiplus“ von Stephan Hoinkes und Thomas Heil gewählt.

In gesamt nur 9 Monaten Bauzeit – allerdings aufgrund der kurzen Sommersaison am Dachstein aufgeteilt auf zwei Jahre – wurde die neue Hütte aufgestellt. Richard Goldeband – Hüttenreferent des Alpenverein Austria – ist sich sicher: „Diese Hütte in so kurzer Zeit unter so extremen Bedingungen zu bauen, war nur durch den grandiosen Einsatz aller Beteiligten möglich. Neben den Architekten und dem Energietechniker Heimo Modre, gebührt vor allem der Baufirma Steger aus dem Pinzgau größtes Lob. Sie punktete durch alpine Kompetenz, die sie sich schon auf anderen hochalpinen Baustellen wie der Adlersruhe oder der Salmhütte erworben hat, und durch das perfekte Zusammenspiel mit ihren Subunternehmen.“


Innovative Architektur

Der Dachsteinkalk ist geologisch gesehen kein besonders guter Baugrund. Nicht umsonst öffnete sich unter der alten Hütte eine Doline. Auf dem nur wenige Meter von der alten Hütten entfernten neuen Baugrund, wollte man unbedingt auf Nummer sicher gehen und ließ den Felsen von einem Geologen genauestens untersuchen.

Weil durch die klimatischen Veränderungen aber auch hier mit Verschiebungen im Gestein zu rechnen ist, griffen die Architekten gemeinsam mit den Statikern zu einem genialen Schachzug: das Fundament der Hütte ist nur 6 x 6 m groß. Damit soll gewährleistet werden, dass Setzungen an einer Ecke nur geringen bzw. keinen Einfluss auf die gesamte Hütte haben. Die Obergeschosse kragen entsprechend aus, die Wände der zwei Untergeschosse sind schräg ausladend.

Der obere Teil der Hütte besteht komplett aus Massivholz. Die fertigen Module wurden per Hubschrauber geliefert und vor Ort versetzt. Eine ökologische Dämmung aus Holzwolle und Fenster in Dreifachverglasung ermöglichen den Winterbetrieb.

Auf einer Wandseite ist die gesamte Photovoltaik angebracht. „Daraus ergibt sich immer ein bestimmter Winkel, der auch im Winter eine optimale Ausbeute der Panele erlaubt. Aus diesem Grund sehen viele der modernen Hütten ähnlich aus,“ so Stephan Hoinkes, der es nicht so gerne hört, wenn seine Hütte pauschal mit der Monte Rosa Hütte verglichen wird. Auch die Seitenwände sind geneigt und imitieren einen Felsen, um die Hütte optimal in die Landschaft zu passen. Die Metallplatten im Steindesign auf der Außenfassade unterstützen diesen Eindruck.

Innen besticht die Hütte durch die durchgängige Ausstattung mit warmem Fichtenholz, klaren Linien und vor allem durch die großen Fenster, die nach allen Seiten den Blick auf die sensationelle Bergwelt öffnen.


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Technik auf dem neusten Stand

Die Seethalerhütte verfügt über ein durchdachtes technisches System, das Wärme, Strom und Wasser zur Verfügung stellt. „Die Photovoltaik ist so ausgelegt, dass wir damit 80% solaren Deckungsgrad erzielen. Aktuell ist die Hälfte der Panele von Schnee bedeckt und das Wetter nicht optimal. Trotzdem haben wir zur Zeit etwas mehr als 50% Leistung,“ wie Techniker Heimo Modre anhand des Schaltpults in der Hütte erklärt. Im Untergeschoss der Hütte befinden sich ausgereifte Lithiumionenbatterien, die wesentlich weniger Platz brauchen als die alten Batterien und vor allem auch in Teilzyklen gefahren werden können.  

Fällt die Photovoltaik unter einen Leistungs-Wert von 20%, schaltet sich vollautomatisch ein mit Rapsöl betriebenes Blockheizkraftwerk dazu, dessen Abwärme in Pufferspeicher geführt wird. Als redundantes System dient zusätzlich eine moderne Pelletsheizung. Somit kann die Hütte praktisch nie einfrieren. Per Fernwartung kann die gesamte Energieversorgung außerdem vom Tal aus gesteuert und gewartet werden, was sich in den ersten beiden Jännerwochen 2019 mit einer Unmenge an Schnee schon sehr bewährt hat.

Die einzige „Schwachstelle“ – wenn man so will – ist die Wasserverfügbarkeit. In der Umgebung der Hütte gibt es keine Quelle, einen Kanal ins Tal sowieso nicht. Das Dach und die Wände sind so konzipiert, dass sie das Regen- bzw. Schmelzwasser zur Gänze auffangen. Es fließt in große Behälter im Keller und wird über eine UV-Anlage gefiltert. Damit dient das Wasser nicht nur als Brauchwasser, sondern kann auch getrunken werden.

Ist es extrem kalt oder im Sommer über mehrere Wochen trocken, muss Wasser von der Seilbahnstation mittels Kanister über den Gletscher gefahren werden.

Das Abwasser wird ebenfalls in einem großen Tank gesammelt, bei Bedarf in einen mobilen Behälter gepumpt und zur Bergstation gebracht. Dort muss wieder umgepumpt werden, denn auch die Bergstation verfügt über keinen Kanalanschluss. Mittels Seilbahn werden die Tanks – die unterhalb der Gondeln angebracht werden – ins Tal befördert und dort erst ins Kanalsystem eingespeist.

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Funktion einer Schutzhütte

Tatsächlich hat der Alpenverein Austria von den Planai-Bergbahnen das Angebot bekommen, die alte Hütte zu kaufen und an ihrer Stelle eine Jausenstation zu errichten. Die Austria hat abgelehnt und zwar aus folgenden Gründen:

  • Netzwerk Hütten und Wege: Das Netzwerk an Hütten am Dachstein soll nicht unterbrochen werden. Eine Überschreitung des Massives mit Nächtigung auf den Hütten muss gewährleistet bleiben.
  • Sicherheitsaspekt: Der Standort der Seethalerhütte wurde schon beim Bau der ersten Hütte bewusst nach dem Sicherheitsgedanken und der Schutzfunktion einer Hütte erreichtet – als „Aufpasser für die Südwandkletterer“, wie Hüttenwirt Wilfried Schrempf es bezeichnet und als Stützpunkt für die Bergrettung. „Pro Sommer habe ich 10 bis 15 Bergrettungseinsätze. Meistens sind es Spaltenstürze, wo eine schnelle Hilfe oftmals entscheidend ist,“ so Wilfried weiter, der selbst Bergretter ist. Alleine am 25. Jänner 2019, wo zwei Handvoll Journalisten bei -18°C und starkem Wind von der Bergstation der Seilbahn den Weg zur Hütte in Angriff nehmen, stellt die Hütte einmal mehr ihre Daseinsberechtigung unter Beweis.
  • Symbol für Wertehaltung des Alpenvereins: Außerdem beweist die Hütte, worum es im modernen Hüttenbau geht: technisch ausgereift, aber auf das wesentliche reduziert. Damit will der Alpenverein ein deutliches Zeichen für seine Verantwortung den Bergen gegenüber und für die Rückkehr zur Einfachheit setzen.

Reduktion auf das Wesentliche

Die Neue Seethalerhütte verfügt – wie die alte Hütte – über 22 Schlafplätze in Bettenlagern und Lagern – die Benützung eines Hüttenschlafsacks ist Pflicht. WC und Waschmöglichkeiten werden gemeinsam genutzt. Die einzige Dusche steht nur Gästen mit längeren Aufenthalten – etwa bei Kursen – zur Verfügung. „Wasser sparen“ lautet das oberste Gebot.

Die Reduktion auf das Wesentliche zeigt sich auch in der Küche: Fritteuse gibt es keine. Das Fett würde alle Filter nach kürzester Zeit verstopfen und zu großen Problemen führen. Gekocht wird einfach aber schmackhaft – z.B. Linseneintopf mit Nudeln. Auf Einzelverpackungen von Zucker, Marmelade, Butter, etc. wird verzichtet und damit eine Unmenge an Müll gespart.  Auch energiefressenden Gastrogeräte findet man nicht. Einfache Haushaltsgeräte, dafür in der effizientesten Energieklasse, müssen reichen.

Wenn du dir selbst ein Bild von der Neuen Seethalerhütte machen möchtest, dann besuche Wilfried Schrempf mit seiner Frau Carmen und Tochter Vanessa auf der Hütte. Für Übernachtungen aber unbedingt vorher reservieren!