(8) Granatspitzgruppe: Versteckt in Einsamkeit
Ein Tag am Berg in hochalpiner Kulisse – und ohne einer Menschenseele. Teil 8 des Skitouren-Tagebuchs: Von einer etwas unorthodoxen Tour im Stubachtal im Salzburger Pinzgau.
Ich habe ja eine recht ausgeprägte Vorliebe für Orte, die ab vom Schuss liegen – versteckt in langgezogenen Tälern und umringt von Bergen. So verwundert es nicht weiter, dass ich im Rahmen des Skitouren-Tagebuchs wieder einmal im Stubachtal gelandet bin. Der Kunstmaler Rudolf Ferbus aus Zell am See hat diesem Tal einst eine „beinahe gewalttätige Schönheit“ zugeschrieben. Zurecht: Gut verborgen liegt es zwischen Zell am See und Krimml im tiefsten Pinzgau, umringt von den Dreitausendern der Hohen Tauern. Fraglos ist es eines der landschaftlich schönsten Tauerntäler.
Komplette Einsamkeit
Die Zahlen sprechen für sich: Das 17 Kilometer lange Stubachtal ist Heimat von 18 Seen, unglaublichen 25 Gletschern und genauso vielen Almen. Hoch über Uttendorf befindet sich die Weißsee Gletscherwelt, ein kleines Skigebiet und Touren-Eldorado, das mit Klassikern wie den Dreitausendern Sonnblick und Granatspitze verlässlich Tourengeher bis weit ins Frühjahr hinein anzieht. Während es auch in dieser hochalpinen Welt noch vergleichsweise beschaulich zugeht, findet man abseits von der Gletscherwelt auch noch andere lohnende Ziele – in kompletter Einsamkeit.
Und wer könnte einen besser durch die hiesige Einsamkeit lotsen als ein Einheimischer? Eben. Und so schnalle ich die Ski einmal mehr in Begleitung des gebürtigen Uttendorfers Stefan Altenberger an. Der Bergführer nennt die Dreitausender der Granatspitz- und Glocknergruppe ebenso seine Hausberge wie die sanften Grashügel der nahen Kitzbüheler Alpen. Als Nationalpark-Ranger ist er auch dann draußen unterwegs, wenn er gerade nicht führt.
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Kurzum: Wenn einer die Region kennt, dann Stefan. Und weil uns der Sinn nach einer unorthodoxen Tour steht, entscheiden wir uns für eine Skitour ohne Gipfel. Unser Ausgangspunkt liegt direkt hinter dem Gasthof Wiesen an der Straße. Wir starten bei frühlingshaften Bedingungen, immer wieder einmal gilt es die Skier abzuschnallen und zu schultern – bis wir endlich in die Weite der winterlichen Schneelandschaft dringen.
Mahnung zur Besinnung
Fichten- und Lärchenwald, freie Almflächen, kupiertes Gelände, Gipfel soweit das Auge reicht und keine Menschenseele. Es sind jene Momente, die einen immer wieder zur Besinnung mahnen: Vermeintlich Wichtiges scheint plötzlich banal. Größenverhältnisse rücken so einiges ins rechte Licht. Ein letzter Aufschwung führt uns auf ein großes Plateau am Fuße des Grüneckkogels: Das Hoferkar auf 2.315 Metern ist nach 1.446 Höhenmetern unser vorläufiges Ziel.
Aber das Schönste steht ja auch noch bevor: Die Abfahrt durch das nordostseitige Kar in erstaunlich feinem Pulver. Wir düsen in traumhafter Kulisse und bei Kaiserwetter zu Tale, wo uns bald schon wieder der Frühling Willkommen heißt – und wir die letzten Höhenmeter mit geschulterten Skiern hinter uns bringen.
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So richtig bereit sind wir noch nicht für die Rückkehr in die Zivilisation und so entscheiden wir uns noch einmal für einen Vorstoß in verlassene Welten. Von 800 Metern Seehöhe fahren wir steil über die legendären 13 Kehren von Uttendorf bergan zum Eingang in die Gletscherwelt. Unser Ziel ist der Alpengasthof Enzingerboden auf 1.480 Metern.
Wir sehen zum ersten Mal an diesem Tag andere Menschen, fühlen uns aber nach wie vor gut versteckt hier oben. So schnell findet einen auch hier noch keiner. Mit Sonne im Gesicht belohnen wir uns bei einem kalten Bier und Pinzgauer Kasnockn für die Aufstiegsmühen – und spüren noch einmal nach. Tief hinein in die einsame Bergwelt dieses wirklich besonderen Tauerntals.