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Mit dem Gravelbike rund um Leogang, Saalbach und Fieberbrunn

Aktuelles

6 Min.

26.07.2023

Foto: @andrea.noesel/@jenniferraab

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In zwei Tagen rund um Österreichs größte Bike-Region: MTB-Pro Andrea Nösel war mit dem Gravelbike auf Radwegen, Waldpfaden und schottrigen Bergstraßen unterwegs. Uns schildert sie dieses unvergessliche Erlebnis zwischen Puls am Anschlag und prächtigen Panoramen.

Ein paar Infos vorweg: Insgesamt habe ich rund 90 Kilometer und 2.662 Höhenmeter im Auf- und Abstieg bewältigt, dabei gab es viele Einkehrmöglichkeiten. Das wirklich Besondere an dieser Tour, die ambitionierte Fahrer*innen auch an einem Tag schaffen können: Sie lässt einen die beeindruckende Bike-Region Leogang, Saalbach und Fieberbrunn aus allen Blickwinkeln kennenlernen und führt am Ende zum Ausgangspunkt zurück. Eine unglaublich schöne, wenn auch sehr fordernde Runde – wie geschaffen für Gravel-Enthusiasten mit Vorliebe für kräftige Anstiege, flowige Abfahrten und sagenhafte Ausblicke.


Step 1: Packen – Eng oder lose?

Saalbach, Leogang, Fieberbrunn: Bekannt für – „Home of Downhill Weltmeisterin Vali Höll“, „Home of feinste Singletrails” und „Home of Lässig”. Für gewöhnlich bin ich in diesem Gebiet mit breitem Lenker und viel Federweg unterwegs. Aber zum Graveln nach Saalbach? Ganz ehrlich – so richtig kann ich mir das nicht vorstellen.

Gespannt darauf, was die nächsten zwei Tage für mich bereithalten, stelle ich mir auch schon die nächste Frage: „Was ziehe ich eigentlich an?“ Ich komme aus dem Enduro/MTB- Bereich. Weite Hosen und loose Shirts gehören hier zur Grundausstattung. Je mehr ich mich mit dem Thema auseinandersetze desto klarer wird es: Graveln ist die goldene Mitte. Die eierlegende Wollmilchsau und nein, es gibt kein richtig oder falsch. Die Rennradsportler, bei uns auch Roadies genannt, tendieren zu enganliegenden High Performance-Klamotten. Die Biker, die sich erstmalig vom Enduro- und MTB-Bereich auf das Gravelbike wagen, mögen es auch weiterhin meist ein bisschen lockerer. Jeder nach seinem Gusto oder nach seinem Geldbeutel. Schließlich ist es wohl das einfachste erstmal das zu nehmen was schon zuhause im Kleiderschrank hängt.

Meine Packliste für eine 2-tägige Graveltour:

Ich trage:

  • Eine gut gepolsterte Innenhose

  • die „engste“ Bikeshorts die ich besitze

  • atmungsaktives Shirt

  • Windbreaker (Weste/ Jacke)

  • Socken

  • Schuhe

In den Rucksack kommen:

  • Regenjacke

  • Erste-Hilfe-Set

  • Zahnbürste + Zahnpasta

  • Riegel

  • Bikini

  • Langarm-Merinoshirt

  • Ersatzshirt

  • Tool + Pannenset

  • Sonnencreme

Wer es nicht so minimalistisch mag, kann zusätzliche Gepäcktaschen am Bike befestigen.

Ans Bike kommt:

  • Wasser, Wasser, Wasser


Tag 1: Zwischen Schmankerln, Fluchen und Postkarten-Idyll

Freundin einpacken und los geht das Dropbar-Offroad-Abenteuer. Wir starten an der Steinbergbahn in Leogang und rollen entlang der Leoganger Ache bis nach Lenzing. Dort überqueren wir die Saalach und fahren Richtung Saalfelder Marktplatz. Neben dem überaus charmanten Rathaus findet man dort Freitagvormittags den Wochenmarkt mit regionalen Spezialitäten, selbstgemachten Handwerkstücken und allerlei Souvenirs.

Nach diesem kleinen, feinen Abstecher, der sich allemal lohnt, fahren wir weiter, überqueren die Bahngleise und folgen der Straße Richtung Biberg. Wir passieren den Kasbichlgraben und genießen ein kurzes Schiebestück durch eine Blumenwiese Richtung Berggasthof Huggenberg. Um die Örgenbauernalm – unser erstes Tagesziel – zu erreichen, treten wir die kieselige Forststraße hinauf und merken recht flott, dass hier ein paar Fahrtechnik-Skills nicht verkehrt sind. Denn Graveln im „Home of Lässig“ bedeutet alpines Graveln. Erst die Arbeit, dann die Abfahrt. Wir kämpfen uns also den ersten langen Uphill hinauf, als der lose, steinige Untergrund in einen etwas verwilderten, aber gut befahrbaren Wollgraspfad übergeht. Im Schatten der Baumkronen tritt es sich ein wenig leichter.

Geschätzte 600 Höhenmeter und 23 Kilometer später finden wir eine, in den Wiesenhang geschmiegte, und überaus charmante Hütte samt kleiner Terrasse vor. Wir sind die einzigen. Mutterseelenallein genießen wir den Ausblick auf das königlich blaue Wasser in der Ferne – den Zeller See. Vor uns die höchsten Berge Österreichs. Ein ganzes Meer an versteinerter Erdgeschichte blickt uns entgegen. Neben uns die saftigsten Wiesen und Waldhügel.

Warum wir diese Fernsicht mit niemand anderen teilen müssen, wird klar, als wir einen Blick auf die Tafel mit den Öffnungszeiten werfen. Heute Ruhetag. Zu gerne hätten wir uns eine frische Schorle gegönnt, geben uns aber auch mit dem kühlen Nass aus dem Brunnen zufrieden. Wir lernen: Vor Start, Öffnungszeiten der Einkehrmöglichkeiten beachten. Übrigens: Dank des noch gar nicht so langen existierenden Anschlusses ans Stromnetz der über zweihundert Jahre alten Hütte, können dort bei Betrieb auch E-Bikes geladen werden.

Ein kleines Stück rollen wir bergab, um uns beim nächsten Abzweig rechts zu halten. Der Schotter knirscht unter den Reifen, während wir unseren Blick kaum vom sagenhaften Panorama abwenden können. Zielstrebig kurbeln wir uns zum nächsten epischen Ausblick. In einer markanten 90°-Kurve thront sie über uns – die Gstallneralm. Beim Blick ins Tal gesellt sich, zum Örgenbauernalmen-Panorama auch noch der Großglockner samt Pasterze ins Postkarten-Idyll.

Doch bevor wir uns noch weiter in Tagträumereien verirren, erinnert uns mein knurrender Magen, dass wir noch ein paar Längenmeter vor uns haben, bevor wir etwas zwischen die Zähne bekommen. Es ist der Schönleitenweg, eine breite Schotterstraße, der uns mit welligem auf- und ab, den Bergbahnen und damit auch unserem Nachtlager näherbringt. Auf den letzten Metern, einem S1 Trail, queren wir die Bikeparkstrecken und fordern unsere Gravelbikes noch einmal heraus. Über Wurzeln, Steine und Waldboden rumpeln wir zur Endstation des heutigen Tages – dem Spielberghaus.


Übernachtung: Vollmond, Kasspatzn und Karo-Kissen

Die Wirtin – Mama von Vali Höll, der DH-Worldcup-Weltmeisterin und Jonas Höll, dem charmantesten Junghüttenwirt – empfängt uns herzlichst mit allerhand Schmankerl, zubereitet von Papa Walter.  Im sanften Schein des Vollmonds lassen wir bei Sauna und Hot Pot den Abend ausklingen, bevor unsere müden und geschafften Körper umgeben von Holz und Filz in den kuschligsten Hüttenkissen versinken.

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Tag 2: Böhmischer Traum im „Home of Lässig“

Nach einem ausgiebigen Frühstück rollt es sich bergab deutlich besser als bergauf. Wir flitzen die Forststraße hinab, am Eingang des „Höllentrails“ vorbei, um nach ein paar Metern scharf rechts abzuzweigen. Gemeinsam mit ein paar anderen Tages-Tourern strampeln wir uns Höhenmeter für Höhenmeter Richtung Bernerkogel hoch und weiter. Fieberhaft suchen wir nach dem leichtesten Gang und stellen uns dabei die Frage, ob wir noch ein Ass in Form eines Reserveganges im Ärmel haben, um mit zittrigen Fingern am Schalthebel die bittere Antwort finden zu müssen… Nope.

500 Höhenmeter später: Die Sonne sticht herunter und der Speichersee, der sich vor unseren Lenkerhörnchen auftut, glitzert verlockend. Wir wollen aber den „Schneileitfaden“ (bitte googlen) nicht missachten, und erfrischen uns nur in Gedanken.

Ab jetzt geht es erstmal bergab. Tiefenmeter auf dem Schotter. Statt Schweißperlen auf der Stirn, flattert uns der Fahrtwind um die Ohren. Die breiten MTB-ähnlichen Reifen des Gravelbikes machen es möglich.

Bei Live-Musik – uns wird „der böhmische Traum“ am Akkordeon gespielt – gönnen wir uns eine Stärkung auf der Pulvermacher Scherm. Unter diesen äußerst widrigen Umständen könnten wir unsere Pause beliebig ausdehnen, wissen aber, dass noch ein ganzes Stückchen vor uns liegt, sodass wir uns also doch wieder auf unsere Bikes schwingen, um am Schwarzbach entlang Richtung Fieberbrunn zu rollen.

Im Hörndlingergraben stoßen wir auf ein Naturschauspiel: den „schreienden Brunnen“ – das ist ein bildschöner Schleierwasserfall, der vom Wildseelodersee gespeist wird und so klar und rein ist, dass man das Wasser einfach trinken kann. Wir füllen unsere Flaschen und setzen unsere Route fort in Richtung Gasthaus „Eiserne Hand“, das trotz seines abschreckenden Namens unbedingt zur Rast einlädt.

Das schattig kühle, saftig grüne Tal ist eine willkommene Erfrischung. Denn auch heute steht das Thermostat mehr auf „Bikini & See“, als auf die vor uns liegenden weiteren Höhen- und Kilometer. Der Blick auf die Loferer Steinberge lässt uns die hohen Temperaturen schnell vergessen, während jeder erstrampelte Meter uns eine Höhenlinie weiter und damit wieder in kühlere Gefilde bringt.

Am Alpengasthof Lärchfilzhochalm nehmen wir die Route über das Wildalpgatter. Das große Gehege lädt zum Innehalten ein, um das Damwild zu beobachten. Umgeben von malerischen Gebirgszügen und Almwiesen rollen wir am Lauchsee vorbei und genießen die letzten, verdienten Tiefenmeter Richtung Fieberbrunn.

Je milder sich die Abendsonne über die Wiesenhänge der Grasberge legt, umso näher kommen wir unserem Ziel. Überwiegend auf dem Radweg unterwegs, zumeist direkt am Ufer der Saalach über Hochfilzen und den für sein Bergbau- und Gotikmuseum bekannten Ortsteil Hütten, finden wir uns 90 Kilometer und 2.662 Höhenmeter später an unserem Startpunkt wieder: Der Steinbergbahn in Leogang.

Von unserer 2-tägigen Graveltour nehmen wir eine gehörige Portion Almfrieden mit nach Hause und lassen unser erstes und bestimmt nicht letztes Gravel-Erlebnis bei einem Bier noch ein bisschen nachklingen. Denn eines ist sicher: Sich auf das nächste Gravel-Abenteuer zu freuen, fällt bei der atemberaubenden Naturkulisse verdammt leicht. Panoramen dieser Sorte, Schotter und Trails – das alles gibt’s in Saalbach im Überfluss.

Zur Person

Andrea Noesel ist gebürtige Tegernseerin und seit Kindestagen auf dem Bike unterwegs. Als Teamfahrerin für das Scott Contessa MTB-Team teilt sie ihre Leidenschaft für Enduro mit anderen Frauen. Sie liebt die Berge und Sport in all seinen Facetten – Hauptsache draußen.