Rocky Mountains To Go: Wandern auf Amerikanisch
Foto: Christina Geyer
von Christina Geyer
Wenn es zur Jause am Berg statt Käsebrot und Müsliriegel überlebensgroße Burritos gibt, ja, dann weiß man, dass man mit beiden Beinen in Amerika angekommen ist. Ein Reisebericht aus den Rocky Mountains in Colorado.
Man trifft in Colorado im Wesentlichen auf zwei Sorten von Mensch. Die eine hat ihr Herz an die Berge, die andere an die liberale Gesetzeslage verloren. Schon am Flughafen kann man sie schnell voneinander unterscheiden: Die einen tragen Funktions-Shirt und Trekkinghose, die anderen Bob Marley-Hoodie und Rasta-Zöpfe. Colorado ist gleichermaßen Land der Berge wie Land der Kiffer. Ach ja – und Land der Hunde. Wirklich jeder hier hat zumindest einen Hund.
So auch in Breckenridge, einem 3.500-Seelen-Örtchen in den Rocky Mountains. Hier sind beim Barbecue regelmäßig mehr Hunde als Menschen anwesend. Breckenridge ist überhaupt eine kleine Welt für sich, eine „Bubble“ auf 3.000 m, wie Rachel erzählt. So sieht es hier auch aus. Wilder Westen trifft Disneyland. Unwirklich anmutende Häuser in grellen Farben, deren hölzerne Schwingtüren einzig noch daran erinnern, dass es sich hier um ehemalige Saloons handelt. Flankiert wird diese filmreife Kitsch-Kulisse von den beeindruckenden Rocky Mountains, die im Sommer übrigens viel grüner und lieblicher sind als erwartet.
Goldrausch: Schnaps, Sex und Spiele
Es ist eine wirklich spezielle Mischung, die manch einen hier in ihren Bann schlägt. Rachel zum Beispiel. Sie ist vor Jahren hier hängen geblieben – wie so viele andere auch. Das war nicht immer so. Bis ins 19. Jahrhundert hinein lebten hier ausschließlich amerikanische Ureinwohner. Erst mit der Entdeckung des Goldvorkommens wurde Breckenridge zum Mekka für Goldgräber, Tänzerinnen, Saloon-Besitzer und Prostituierte. Mit dem Goldrausch zogen Schnaps, Sex und Spiele in das kleine Örtchen ein, gleich zwei Rotlichtviertel und über 30 Saloons reagierten auf den Bedarf der Goldgräber. Das große Los zogen freilich nur die wenigsten. Bis heute hat jedes Haus seinen Hausgeist: Mal spukt darin eine misshandelte Prostituierte, mal ein bestohlener Goldgräber.
Dieser Tage ist „Breck“ vor allem als Wintersport-Paradies bekannt. 137 Abfahrten und den höchstgelegenen Sessellift der Vereinigten Staaten kann das Örtchen sein eigen nennen. Da macht es auch weiter nichts, dass die Hausberge von Breckenridge keine Namen tragen, sondern nur Ziffern. 1-10 heißen sie und wer entweder sehr fit oder sehr irre ist, überschreitet alle 10 Gipfel an einem Tag.
Abe von CBST Adventures ist so ein Irrer. Auch er ist zugezogen, hat einen Hund und Breckenridge zu seiner Wahlheimat gemacht. Kein Wunder: Er braucht das Tiefschnee-Skifahren wie die Luft zum Atmen. Sogar den Schaltknüppel in seinem Auto hat er gegen das obere Ende eines Skistocks getauscht. Da trifft es sich gut, dass der Sommer hier kaum länger als vier Monate dauert. Das Leben kann hart sein an einem Ort wie Breckenridge, erzählt Abe. Manch einer hat während der Saison vier Jobs gleichzeitig, dafür kann man im Winter aber auch jeden Tag direkt von Zuhause mit den Brettern an den Füßen durch feinsten Powder in die Berge starten.
Und das macht dann auch jeder. Wirklich jeder. Auch die, die eigentlich keine Ahnung haben. Das ist der größte Unterschied zwischen Amerika und Europa, sagt Abe – die „Do It Yourself“-Mentalität ist tief verankert in der amerikanischen Kultur. Die wenigsten nehmen sich einen Bergführer, wenn sie in die Berge gehen. Hauptsache man schafft es aus eigener Kraft, alleine. Abe muss es wissen. Er hat in Frankreich studiert und einige Jahre als Guide für eine französische Trekkingagentur gearbeitet. Die Europäer sind sich der Risiken und Gefahren im freien Gelände viel bewusster als die Amerikaner, erzählt er.
Hauptsache „Fourteener“?
Regelmäßig trifft er in den Bergen auf Wanderer, die nur mit Schlapfen und ohne einen Schluck Wasser unterwegs sind. Und die meisten wollen ganz hoch hinaus – auf die „Fourteeners“, jene Berge mit einer Höhe von über 4.000 m. Abe kann das nicht ganz verstehen. Er geht nicht der Höhe oder Namen wegen auf die Berge, sondern weil er sie liebt. Für ihn ist eine noch unentdeckte Traverse spannender als ein Gipfel über 4.000 m und das gemeinsame Aushecken von Zustiegen mit Freunden bereichernder als das Führen eines Tourenbuchs, das sich wie der Katalog eines populären Expeditionsveranstalters liest.
Unterm Strich zählt aber eigentlich nur, dass man überhaupt raus geht. Hätte Breckenridge ein Motto, es wäre: Hauptsacke aktiv. „Wir freuen uns alle, wenn es hier einmal regnet“, sagt Rachel. Dann muss man endlich einmal kein schlechtes Gewissen haben, wenn man nur daheim auf dem Sofa liegt. Bei Sonnenschein gibt es nämlich keine Entschuldigung: Man geht mountainbiken, wandern, Fliegenfischen, Skifahren. Mit Burritos im Gepäck und Hund an der Seite. Colorado-Style eben.
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