Eine Reise ins Ungewisse
Foto: Akela
Gerade, als die Camper-Weltreisenden Leander, Maria und Lennox in ihr großes USA-Abenteuer aufbrechen, holt sie die Pandemie ein. Nicht die einzige Prüfung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zwischen epischen Weiten und einem fehlenden Stempel führen sie ihren Kampf um Freiheit fort.
Es ist Boarding Time für unseren Flug von Bali nach Los Angeles. Kurz zuvor erfahren wir durch Social-Media-Kanäle vom Covid-19-Virus.
In der kalifornischen Metropole angekommen, geht alles seinen gewohnten Gang. Im Gegensatz zu Asien hat die sich anbahnende Pandemie hier noch nicht Fuß gefasst. In einem geliehenen Van übernachten wir auf einem Parkplatz, um am nächsten Morgen unseren Truck vom Hafen abzuholen. Spät nachts wecken uns lautes Hämmern und Lichtstrahlen im Gesicht. Angst überkommt mich. Wir sind in Amerika, viele tragen eine Waffe und die Gewaltbereitschaft ist hoch.
Ja, wir sind mit Vorurteilen eingereist, und ja, sie bestätigen sich teilweise. Doch unabhängig davon ist Amerika ein abwechslungsreicher Kontinent und meint es richtig gut mit uns. Wir haben großes Glück und lernen viele tolle Menschen kennen, die uns an atemberaubende Plätze bringen.
Wir toben uns im Joshua-Tree-Nationalpark beim Klettern aus und genießen gigantische Sternenhimmel in der Mojave-Wüste. Bei Dunkelheit heißt es allerdings noch wachsamer zu sein, der nachtaktive Puma lauert überall.
Geheimnisvolle Wüste
Auf den ersten Blick wirkt die Wüste grau und fahl. Doch mit der Sonne kommen die Farben. Sie verzaubern die Sandlandschaft in ein surreal wirkendes Mondgebirge.
Nach Nevada und Arizona verschlägt es uns entlang der Route 66 ins Monument Valley. Auf den Spuren des „Marlboro Man“ der 80er-Jahre bemerken wir, dass seit Tagen niemand unsere Wege kreuzt. Wir halten an einem Spot mit rarem Internet, um uns schlau zu machen: Corona ist auch in Amerika angekommen. Die Regierung empfiehlt der Bevölkerung, die Häuser nicht zu verlassen. Deshalb ist es so menschenleer. Zeitgleich erreicht mich eine Nachricht aus der Heimat. Ein Video eines leer geräumten Supermarktes. Ich zeige es Leander und lache.
Zwei Tage später vergeht mir das Lachen. Ich stehe im Supermarkt vor leeren Nudel- und Klopapier Regalen.
Wir setzen unsere Reise zum Grand Canyon dennoch fort. Social Distancing betreiben wir ohnehin seit Jahren.
Der Weg zum spektakulärsten Canyon der Welt führt durchs Land der Navajo, dem größten noch existierenden Indianer Stamm in den USA. Von Siedlern in unfruchtbare Reservate vertrieben, konnten die Indianer nach beinahe 200 Jahren der Unterdrückung zumindest eine Schadensersatzzahlung erzwingen. 2014 gewährte die Obama-Regierung eine Zahlung von 554 Millionen US Dollar. Somit ist das leidige Thema der Rassendiskriminierung vom Tisch. Zumindest für die Weißen.
Es gibt keine einheitlichen Corona Regelungen in den Bundesstaaten. Jeder ist eigenverantwortlich. So geschieht es, dass wir manche Ziele nicht erreichen können, da sie gesperrt sind. An anderen Orten glauben wir wiederum in ein Volksfest zu platzen, so groß ist der Menschenauflauf.
Das Reisen wird mühsam für uns. Kanada schließt die Grenzen, was unsere Pläne ins Wanken bringt. Unsere Visa und die Zollpapiere des Lastwagens laufen in wenigen Wochen ab. Mit der Einreise nach Kanada wollten wir dieses Problem lösen. Funktioniert jetzt nicht mehr.
Genau im richtigen Moment lernen wir eine Familie aus Utah kennen. Sie haben keine Berührungsängste und laden uns in ihr Haus in Salt Lake City ein.
Dort haben wir die Gelegenheit, alles in einen Topf zu werfen und gründlich zu überlegen, was am vernünftigsten ist. Allerdings verlassen wir nach vier Wochen Salt Lake City unverrichteter Dinge. Amerika ist in eine Schockstarre verfallen, in der nichts mehr funktioniert.
Plötzlich illegal
Die Schönheit Montanas nehmen wir wahr, können sie aber nicht genießen. Wir sind gestresst. Hopp oder Drop! An einem kleinen Grenzübergang fordern wir das Glück heraus. Ein US- Zollgebäude gibt es nicht, ein kanadisches schon. Freundlich, aber bestimmt lehnt der kanadische Beamte die Einreise ab und schickt uns zurück nach Amerika.
Auf dem Rückweg gibt es natürlich ein US-Zollgebäude. Hier ist man nicht freundlich. Wir werden beschimpft und anhand der abgelaufenen Dokumente steht plötzlich illegale Einreise im Raum. Jedes Wort macht es nur schlimmer. Mit dem Vermerk, das Land binnen 30 Tage zu verlassen, bekommen wir die Pässe zurück. Wie begossene Pudel stehen wir da und verstehen die Welt nicht mehr. Tief durchatmen, zweiter Versuch. Vergeblich, wir werden des Landes verwiesen.
Ist dies das Ende? Der Wink mit dem Zaunpfahl? Wir befinden uns auf einer Achterbahn der Gefühle. Nach vier Jahren Nomaden-Leben würde eine Pause guttun, aber nicht gezwungenermaßen. Diesen Moment wollten wir selbst entscheiden.
Nächste Frage. Wohin? Die Pandemie sorgt weltweit für einen Reise-Stillstand. Österreich scheint die einzige Alternative zu sein. Dort muss man uns rein lassen.
Wir haben 30 Tage, um unseren Oldtimer quer durch Amerika von West nach Ost zu bringen, eine Verschiffung, Flüge und eine Unterkunft zu organisieren.
Wir lassen Wyoming, Süd-Dakota, Illinois und Indiana hinter uns. Flüge und eine Wohnung in Österreich sind organisiert. Leider hat unser Truck noch immer ungültige Zollpapiere. Daher trauen wir uns nicht, die Verschiffung zu buchen – aus Angst, dass wir den Lastwagen zurücklassen müssen. Selbst ein Bundesagent, den wir kennenlernen, kann nicht helfen. Es ist fast zum Lachen, doch eigentlich könnte man weinen: ein fehlender Stempel wird uns zum Verhängnis.
Alles oder nichts
Wir erreichen Baltimore, unseren Verschiffungshafen. Wir setzen auf volles Risiko. Trotz abgelaufener Papiere buchen wir die Verschiffung und bringen den Truck zum Hafen. Anstatt Leander, erledige diesmal ich die Zollformalitäten – ich kann das Spiel besser spielen. Nach 30 Minuten ist alles erledigt. Niemand hat sich für die abgelaufenen Dokumente interessiert, unser Truck Akela steht im Hafen. Der Monate andauernde Nervenkrieg war umsonst und endlich beendet.
Während sich Lennox im Flieger einen Film nach dem anderen ansieht, sitzen Leander und ich stumm nebeneinander. Worte sind nicht nötig, wir wissen, was der andere denkt.
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