Aller Anfang ist schwer!
Foto: Akela
Eine Familie, ein Lastwagen, ein Abenteuer. Ehrlich erzählen Leander Nardin (37), Maria Zehentner (49) und Lennox (10) aus Salzburg, wie es sich anfühlt, aus der Komfortzone auszubrechen und eine Weltreise im Camper zu wagen. Eine Bedingungsanleitung für das neue Leben, für das sie sich entschieden haben, gab ihnen niemand mit. Sie mussten zu Beginn ihre eigenen Erfahrungen machen – und daraus lernen.
Unsere Reise ging zu Weihnachten 2016 los. Und zwar mit einigen Zweifeln und auch Traurigkeit – beides erstickten wir während der Fahrt mit lauter Musik. Nicht nachdenken! Noch vor der italienischen Grenze legten wir Lennox schlafen. Leander und ich waren zu aufgedreht zum Rasten und fuhren die Nacht durch. Wir wollten einfach nur raus aus Österreich, koste es, was es wolle.
Mit dem ersten Grenzübertritt löste sich der Knoten im Hals. Wir redeten über Träume, Ängste und Erwartungen – so lange, bis wir den Motor bei Morgengrauen in Zadar (Dalmatien) endlich völlig erschöpft abstellten.
Die kalte Jahreszeit rang der kroatischen Küste nichts an Schönheit ab. Wir übernachteten an zauberhaften Buchten, besuchten schöne Städte und genossen die Gastfreundschaft.
Fast wie Urlaub! Allerdings mussten wir erst in das neue Leben reinwachsen. Wohin fahren wir? Wo können wir Wäsche waschen? Ein Schlafplatz für die Nacht? Eine Sim-Karte fürs Handy! Erledigungen, die zu Hause automatisch funktionierten, kosteten im Lastwagen viel Zeit und Energie.
Je südlicher wir kamen, desto mehr veränderte sich die Landschaft. Schmucke Dörfer und Städte wichen verfallenen Häusern und zurückgelassenen Kriegsrelikten. Es war erschreckend, wie sehr die Folgen des Kosovo-Krieges im ehemaligen Jugoslawien noch zu spüren sind. Die Jungen flüchteten in der Hoffnung auf ein besseres Leben, die Alten blieben und versuchten aufrecht zu erhalten, was übrig war.
Licht und Schatten
In Albanien schwächelte Akela, wie wir unseren Camper tauften, erstmals. Mitgeschleppte Altlasten wie ein verschmutzter Tank sorgten für verstopfte Leitungen. Auch die Standheizung funktionierte nur, wann es ihr gefiel. Die Probleme wurden nicht weniger. Die Erfahrungen der ersten Wochen lehrten uns ein kleines Reise-Einmaleins, dem wir bis heute treu blieben. Niemals bei Nacht fahren – das ist zu gefährlich. Auch die Stellplätze sollten noch tagsüber gesucht werden, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Silvester feierten wir gemeinsam mit Freunden in Mazedonien. Wir waren froh über die Einladung. Sie lenkte von der ein oder anderen Träne ab, die uns beim Gedanken an Freunde und Familie kam.
Mazedonien verließen wir dann relativ zügig wieder und hofften auf wärmere Temperaturen in Griechenland. Wer denkt bei Hellas nicht automatisch an Sonne, Strand und Meer… Weit gefehlt! Unser erstes Ziel, die hängenden Klöster von Meteora, war mit einer ordentlichen Schneedecke bedeckt. Doch die ließ die alten Gemäuer noch imposanter erscheinen und erzeugte eine Magie, die irgendwo zwischen Himmel und Erde verortet war. Die Tatsache, dass wir dort oben völlig alleine waren, machte den Aufenthalt nur noch unvergesslicher.
Allein an weltberühmten Orten
Trotz seiner jungen Jahre interessiert sich Lennox für griechische Mythologie. Zeus, Poseidon oder Hera waren keine Unbekannte für ihn. Neugierig lauschte er der Geschichte Leonidas`, der sich an der Meeresenge der Thermopylen mit 300 Mann dem persischen König entgegenstellte. Dabei am Schauplatz der Geschichte zu stehen, sorgte für Gänsehaut. Entspannung fanden wir in den heißen Schwefelquellen der Thermopylen. Dass sich der Geruch von faulen Eiern über Tage im Truck hielt, muss als etwas unangenehmes Nachspiel des Besuchs verbucht werden.
Zu guter Letzt: Was wäre Athen ohne die Akropolis. Erhaben vom Stadtberg herab wacht sie über ihre Bürger. Im Sommer wäre unser Stellplatz im Herzen der Altstadt undenkbar gewesen. Jetzt im Winter störten wir niemanden. Schon toll, wenn man sein Haus vor jedes Hotel in die erste Reihe stellen kann.
Per Nachtfähre ging es nach Kreta weiter, wo uns endlich die Sonne entgegenstrahlte. Wir genossen Strände, die weltweit unter den Top 10 gereiht sind, malerische Landschaft, Berge, köstliches Essen und außergewöhnliche Menschen. Die Zeit schien innezuhalten. Gab es irgendwo einen besseren Ort, um Lennoxs 5. Geburtstag zu feiern?
Zurück am Festland lag immer noch Schnee (siehe Titelbild). Nur wenige wissen, dass Griechenland ausgezeichnete Skigebiete hat. Als Österreicher musste man uns da nicht zweimal bitten.
Fremde neue Welt
Die Stimmung in der Türkei war sprichwörtlich bombastisch. Tagtäglich geisterten Schreckensmeldungen durch die Medien. Unser Eindruck war, dass der Demokratieabbau im Land weiter voranschritt. Die Leute litten unter der schlechten wirtschaftlichen Lage und machten aus ihrem Unmut darüber keinen Hehl.
Erste Anlaufstelle war Istanbul. Nicht nur wegen der zahlreichen berühmten Bauten, auch Visa-bedingt. Wenige Kilometer trennten uns vom anvisierten Parkplatz, doch auf der sechsspurigen Autobahn streikte unser Navigationssystem – Totalausfall! Stunden später angekommen, ertönte wie auf Knopfdruck aus jedem Lautsprecher der über 3.000 Moscheen der Aufruf zum Gebet. Erschrocken fuhren wir hoch. Willkommen neue Welt!
Über die Hauptstadt Ankara führte die Reise weiter nach Anatolien, in das Gebiet Kappadokiens, wo wir die berühmten Lavagesteinsformationen besuchten. Für uns das wahre Highlight der Türkei. Die Morgensonne pinselte ein gigantisches Farbenspektakel auf die surreal wirkenden Felsen. Unzählige bunte Heißluftballons rundeten das malerische Bild perfekt ab. Den morgendlichen Kaffee über den Dächern Kappadokiens werden wir zweifelsohne niemals mehr vergessen.
Hosgeldiniz, zu Deutsch: Herzlich willkommen, ist nicht nur eine Redewendung, es ist eine Lebenseinstellung für die Türken. Tausend Dank!
Der Iran war jetzt nicht mehr weit. Kurz vor der Grenzstadt Dogubayazid erweckte ein Bauwerk unsere Aufmerksamkeit. Wir besichtigten den Ishak Pasa-Palast und kamen dabei durch Zufall mit einem kurdischen Bauern ins Gespräch. Er lud uns zum Abendessen ein, und obwohl die Verständigung schwierig war, kam klar zum Ausdruck, dass das kurdische Volk seit Jahren unter den Praktiken des türkischen Militärs leidet.
Die letzte Nacht in der Türkei verbrachten wir auf einer Grasebene mit freiem Blick auf den ruhenden Vulkan Ararat. Als die Sonne gemächlich hinter dem verschneiten Gipfel versank, kuschelten auch wir uns in die Betten, bis uns früh morgens ein unsanftes Hämmern gegen die Türe weckte. Mehrere Soldaten, bewaffnet mit Maschinengewehren, standen vor der Türe. Sie wollten uns vor kurdischen Übergriffen warnen, wie sie meinten. Allerdings waren wir unschlüssig, ob wir uns vor den Soldaten nicht mehr fürchten sollten, doch das behielten wir für uns. Sie zogen sich zurück, behielten uns aber so lange im Auge, bis wir die Zelte abbrachen. Wir waren leicht irritiert! Allerdings ließen wir den Schrecken schnell wieder hinter uns und freuten uns schon sehr auf den Iran. Dazu mehr im nächsten Beitrag.
In den nächsten Wochen erzählen uns Leander, Maria und Lennox (Akela) auf bergwelten.com regelmäßig von den einzelnen Etappen ihres Weltreise-Abenteuers im Truck – bleibt also dran!
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