Saalbacher Talumrundung: Zwei Tage abseits der Pisten
Foto: Saalbach/Moritz Ablinger
Mit Freunden die Saalbacher Bergwelt erkunden: Eine aussichtsreiche Skitour in zwei Tagen – jede Menge Tiefschnee, eine Hüttenübernachtung und eine große Überraschung inklusive.
von Moritz Ablinger
Der Schnee knirscht unter den Schuhen, das Thermometer an der Talstation zeigt minus 13 Grad Celsius. „Den gemütlichsten Tag des Jahres haben wir uns nicht unbedingt ausgesucht“, meint Max, als er seine Ski in die Halterungen der Gondel steckt. Auf dem Papier sieht unsere geplante Route ja durchaus machbar aus. Die Idee ist eine Saalbacher Talumrundung, also zwei Tage Touring abseits der Pisten. Die vergangenen Tage hat es nochmal ordentlich geschneit, nach einem trockenen Frühwinter hat die Skisaison inzwischen Fahrt aufgenommen. Dass wir aber mit minimalem Gehaufwand doch noch unverspurte Powderhänge finden werden, hatten selbst wir nicht erwartet.
Mit am Start: Mehl und jede Menge Motivation
Acht Kilometer und 1500 Höhenmeter am ersten Tag, das sollte machbar sein. Was ein wenig dagegen spricht sind die doch etwas schweren Rucksäcke mit Proviant, Schlafsäcken und Lawinenausrüstung. Heute Abend wollen wir in einer kleinen Hütte auf unserer Route übernachten. Unser Freund Leo ist schon vor ein paar Tagen zur Hütte aufgestiegen. „Aber wenn ihr Käsespätzle wollt, müsst ihr noch Mehl mitbringen. Am besten so 13 bis 14 Kilogramm, ich habe schon fast nichts mehr hier oben“, meinte er am Vorabend.
Die Morgensonne blitzt über die Gipfel und taucht das Panorama in einen fast surreal wirkenden Violett-Ton. Anita aus Tübingen wünscht uns beim Aussteigen aus der Gondel noch einen schönen Tag. „So ganz verstehe ich das nicht“, murmelt sie, in die Bindung steigend, während wir unsere Felle aufziehen und Richtung Westen marschieren. Dank Liftunterstützung sind es nur knapp 150 Höhenmeter bis zum ersten Gipfel, dem Spieleckkogel.
Der erste Tag: Aufstieg über den Südhang
Eine gute Stunde, ein Jausenbrot und eine unerwartet gute Powder-Abfahrt später ziehen wir die Felle wieder auf. Es ist halb 10, die Sonne leuchtet inzwischen auch den letzten Winkel der Südhänge aus, und wir bleiben gleich nochmal stehen, um die Daunenjacken auszuziehen und die Sonnencreme auszupacken. Dann folgen wir stundenlang den Aufstiegsspuren, die sich vom Talkessel im Zickzack nach oben schrauben, bevor wir eine halbe Ewigkeit einen Südhang traversieren, ohne auch nur einen einzigen Richtungswechsel zu machen – Sonnenbrand auf der linken Gesichtshälfte inklusive.
Grenzgänger: letzte Abfahrt in der Abendsonne
Irgendwo zwischen unserem Start- und Endpunkt stehen wir schließlich an der Grenze zwischen Tirol und Salzburg, der Blick reicht vom Hochkönig bis zum Kaisergebirge. Uns fallen in der Abendsonne kurz die Augen zu, als wir an einen Felsen gelehnt eine kurze Pause einlegen. Unglaublich, dass wir scheinbar die Einzigen sind, die es seit dem Schneefall hier hoch verschlagen hat.
Kaum ist die Sonne im Westen hinter den Gipfeln verschwunden, ist auch die Kälte wieder zur Stelle und ein eisiger Wind zieht uns entgegen. Wir stehen auf einem namenlosen Joch, irgendwo auf der Tal-Südseite, und ziehen ein letztes Mal die Felle ab. „Da unten sollte die Hütte stehen“, meint Max sichtlich müde, während er die Stirnlampe anknipst. Höhenmeter-intensive Touren sind für uns absolut nichts Neues. Aber dass die Kombination aus Strecke und schweren Rucksäcken das Ganze nicht leichter macht, ist uns allen ein wenig anzusehen. Nach fast 11 Stunden ohne nennenswerte Pause brennt uns die letzte Abfahrt in den Oberschenkeln, während die Tauern noch im letzten warmen Licht leuchten.
Endlich angekommen: Käsespätzle auf der Hütte
Der Kamin ist schon angeheizt, Leo empfängt uns mit Tee. „Wir haben 7 Kilogramm griffiges und 7 Kilogramm glattes Mehl mitgenommen“. Leo fällt bei der Aussage von Max fast die Teetasse aus der Hand. „Sag mir, dass du das nicht ernst genommen hast“, entgegnet Leo, während er in unsere starren Gesichter blickt. „Das war doch ein Witz mit dem Mehl“. Wir wissen nicht, ob wir jetzt weinen oder lachen sollen, entscheiden uns dann für zweiteres und können uns mit Tränen in den Augen kaum halten. Tatsächlich hat er noch genug Mehl im Keller, bei unserem Hunger war es aber vielleicht doch kein Fehler, mehr mitzubringen. Die beiden Spätzlepfannen sind innerhalb kürzester Zeit aufgegessen, ehe wir müde in die Betten fallen.
Guten Morgen: einheizen und Kaffee kochen
Am nächsten Morgen zieht sich Markus den Schlafsack über den Kopf, als würde ihn das vor dem Aufstehen bewahren. Ob das am Schlafmangel oder Leos Obstbrand liegt, ist schwer zu sagen. Müde klettern wir über die Leiter aus dem Matratzenlager nach unten und spulen die Hütten-Morgenroutine ab. Also Ofen einheizen, Schnee schmelzen und Teewasser aufkochen. Felle aufziehen, sich über die nicht getrockneten Innenschuhe und deren Räßkäse-Aroma ärgern, die Sonnenbrille von Sonnencreme-Flecken befreien und das trockene Marmeladenbrot mit einer Tasse Kaffee hinunterspülen.
Der zweite Tag: Start vor Sonnenaufgang
Der Schnee ist so kalt, dass es unter den Brettern knirscht, als wir die Hüttentür verriegeln und die Bindungen in den Gehmodus stellen. Wir wollen bei Sonnenaufgang oben am Grat sein und lassen die Hütte hinter uns. Dummerweise habe ich aus Gewichtsgründen die Alu-Flasche der Thermoskanne vorgezogen, sodass der Tee nach einer guten Stunde Gehzeit inzwischen mit knusprigen Eisstücken durchzogen ist. Nordseitig, wo die Sonne um diese Jahreszeit kaum hinkommt, hat sich der Schnee noch pulvrig gehalten. Nach Süden hin hat die Sonne einen doch merklichen Harschdeckel hinterlassen. Begleitet von drei Gämsen stapfen wir ostwärts. Der Skicircus beginnt sich wieder zu drehen, die ersten Skifahrer ziehen bereits ihre Bahnen über die Pisten.
Müde und glücklich: Die Tour hat Spuren hinterlassen
Ein paar Abfahrten und Aufstiege später sitzen wir wieder im beheizten Sessellift. Uns fallen vor Müdigkeit die Augen zu, sodass wir fast eine zweite, unfreiwillige Runde mit dem Lift drehen. „Die gehen sicher Paragleiten“, kommentiert jemand neben mir unsere großen Rucksäcke. Nach zwei Tagen abseits des Trubels sehen wir ein wenig wie das verkörperte Abenteuer aus, die weißen Ränder auf meinem Merino-Shirt erzählen eine eigene Geschichte. Und die Idee, ein kleines Abenteuer inmitten des Skigebietes zu erleben, ist definitiv geglückt. „Das können wir gerne wieder mal machen!“, meint Max. „Aber nur ohne Mehl“, ergänzt Marin den Satz, und wir alle müssen grinsen.
Mehr zur abenteurlichen Tour sowie weiteren Ideen unter: saalbach.com
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