Christian Schiester: „Jede Insel ist auch ein Berg“
Foto: Christian Schiester
von Martin Foszczynski
Christian Schiester gilt als einer der besten Extremläufer der Welt. Das Wettkampflaufen hat er aber an den Nagel gehängt – und sich stattdessen ein neues Ziel gesetzt: Gemeinsam mit seiner Freundin Daniela will er in 7 Jahren um die Welt segeln und die abgeschiedensten Inseln der Meere zu Fuß erkunden. Von Griechenland zu den Seychellen und weiter. Mit uns sprach er über das Leben als Aussteiger und wo auf der Welt es sich am schönsten laufen lässt.
Bergwelten: Christian, es ist sehr ungewöhnlich dich in deinem Büro vorzufinden. Du bist ein paar Tage auf „Heimaturlaub“ – wo kommst du gerade her?
Christian Schiester: Stimmt, ich bin jetzt schon eine ganze Weile raus aus dem „System“. Daniela und ich kommen gerade von den Seychellen im Indischen Ozean, wo wir fast ein bisschen picken geblieben sind. Denn was wir vorher nicht gewusst haben: die Seychellen bestehen aus 115 Inseln! Davon sind mehr als die Hälfte Koralleninseln. Bis jetzt haben wir mal die wunderschönen Inner Islands abgesegelt. Aber die Outer Islands sind erst der absolute Hammer! Natur-Paradiese mit Schildkröten und Walen an der Küste. Die wollen wir nächstes Jahr erkunden.
Du warst früher Bergläufer – gehen dir die Berge inmitten der Ozeane gar nicht ab?
Im Grunde ist jede Insel auch ein Berg! Eine Insel, die aus dem Wasser ragt, ist auch nur der Gipfel eines Berges – bis zu 7,5 Tausend Meter hohe Berge, denn so tief liegt es hier in den Seychellen teilweise der Meeresgrund. Ich wohne in der Obersteiermark, dort bin ich in meinem früheren Leben insgesamt 160.000 km gelaufen, größtenteils in den Bergen. Dabei habe ich die Berge zu lieben, aber auch zu hassen gelernt. Jetzt steuere ich eben Inseln statt Berggipfeln an – es ist eine andere Art des Wanderns von Gipfel zu Gipfel.
Du bist mit deiner Lebensgefährtin unterwegs – war es nicht schwer, sie zu so einer mehrjährigen Auszeit zu überreden?
Ich habe die Daniela mit meinem Abenteuervirus infiziert, wir sind ein Team. Darüber bin ich sehr froh, denn zu zweit kann man seine Eindrücke teilen. Es ist wie am Berg bei einer Seilschaft. Alleine zu reisen wäre mir ehrlich gesagt zu langweilig. Wir lieben Österreich, und wir lieben natürlich unsere Verwandten und Freunde – aber das ganze System, in dem wir uns bewegen, ist schon zu hinterfragen. Hier draußen am Meer haben wir alles zum Leben. Und wir leben bewusst bescheiden. Wir fahren nicht von Restaurant zu Restaurant.
Wie kann man sich so ein Leben am Segelschiff von Insel zu Insel eigentlich vorstellen? Wie ernährt ihr euch?
Wir versuchen mit den Leuten vor Ort in Kontakt zu treten und mit ihnen Geschäfte zu machen. Wir kaufen frische Fische bei Fischern, auf vielen Inseln wird aber auch Gemüse und Obst angebaut. Das kann auch eine Art Tauschgeschäft sein. Ich habe auf meinem Segelboot eine Seewasserentsalzungsanlage, die aus Meerwasser Trinkwasser macht. Einmal habe ich einem Mango-Anbauer 100 Liter Süßwasser aufbereitet und dafür wunderbare Mangos bekommen.
Das hört sich nach dem perfekten Klischee vom Aussteiger-Leben an. Einfach auf ein Boot steigen, davonfahren und vor Anker gehen wo es einem gefällt. Gibt es auch einen Haken an der Sache?
Viele Leute glauben, wir sind einfach abgehauen und machen jetzt Dauerurlaub – doch so ist es nicht. Unser Segel-Projekt ist eine Riesenaufgabe, denn es geht uns darum, diese Geschichte auch zu erzählen. Und zwar die Geschichte, dass diese Welt lebenswert ist und nicht nur aus negativen Nachrichten besteht. Wir filmen, fotografieren, halten Vorträge – im November erscheint auch ein Buch (Anm.: „Sail and Run. Vom Mittelmeer zum Indischen Ozean“). Wir sind bisher 5,5 Tausend Seemeilen, von Griechenland bis zu den Seychellen, gesegelt. Da gibt es viel zu tun – wir legen uns nicht in die Sonne und warten, bis sie untergeht. Außerdem ist die Reise auch nicht immer ungefährlich – wir sind im Piratengebiet bei Oman auch schon mal von Bewaffneten vom Schiff geführt worden.
Stichwort Sail & Run: Segeln ist ja nur ein Teil eures Abenteuers – ihr verbindet die Inselbesuche stets mit Wanderungen und Läufen. Was ist das besondere an dieser Kombination?
Ich war 25 Jahre Wettkämpfer, Laufen ist meine Lebensphilosophie. Wenn ich einen Berg raufrenne, erfahre ich ihn ganz anders, als wenn ich ihn raufgehe oder mit der Seilbahn hochfahre. So ist es auch auf den Inseln, die wir besuchen. Auf den Seychellen gibt es sowieso kein Taxi. Laufend kannst du die Natur ganz anders erleben. Ich werde immer ein Läufer bleiben.
Laufen als Lebensphilosophie, aber wohl nicht mehr als Lebensmittelpunkt. Du warst einer der besten Extremläufer der Welt. Hast du dich bewusst vom Wettkampf-Laufen abgewendet?
Die Entwicklung im Laufsport finde ich nicht gut: Man muss immer schneller und schneller sein. Seitdem ich die Uhr und den Pulsgurt abgelegt habe, macht mir das Laufen unglaublich viel Spaß. Das schätze ich auch so sehr an der Idee des Wings for Life World Runs, dessen Botschafter ich bin. Da läuft man nicht um eine Bestzeit, sondern gegen ein sich näherndes Auto. Jeder läuft sein Tempo, jeder schaut wie weit er kommt. Ich laufe übrigens bei jedem Wings for Life World Run, die ja weltweit ausgetragen werden, mit – und sei es per App, wenn ich zu der Zeit gerade auf einer Insel gestrandet bin. So war es zuletzt auch auf den Seychellen – da bin ich zwar nur auf lächerliche 7 Kilometer gekommen, aber eben kerzengerade durch den Urwald!
Du bist in den letzten Jahren wirklich viel herumgekommen – hast du für unsere Leser spezielle Reise-Tipps? Wo auf der Welt lässt es sich besonders gut Segeln und Wandern bzw. Traillaufen?
Berge gibt es überall und die müssen auch nicht immer hoch sein. Ich bin kein Anhänger der Meinung: die Alpen oder die großen Namen wie Everest und Co. sind das einzig Wahre. Jeder erlebt einen Berg anders – für manche mag schon der Aufstieg auf einen Aussichtsturm ein Gipfelsieg sein. Und es geht auch immer um den Weg, den man wählt. Die höchste Erhebung der Seychellen, der Mt. Morne, ist z.B. gerade mal 904 m hoch, und trotzdem war das Besteigen eine irrsinnige Herausforderung. Ich bin auch schon mal rund um den Mt. Blanc gelaufen – hart, keine Frage. Aber versuche Mal den Morne quer durch den Urwald hochzugehen – danach bist du komplett zerstochen. Ein irres Erlebnis!
Was sind die nächsten Ziele auf deiner Weltumsegelungs-Tour? Worauf freust du dich besonders?
Viele Weltumsegler sagen, dass französisch Polynesien das Nonplusultra sein soll. Die Inseln dort könnten sogar noch die Seychellen toppen. Dann Fidschi, Bora Bora, unbekannte Eilande... Wir suchen die entlegensten Plätze der Welt. Der Pazifik wird noch eine jahrelange Aufgabe für uns sein. Vielleicht kommen wir ja auch mal gar nicht mehr zurück und bleiben irgendwo auf einer Insel picken. Das Lied von S.T.S: „Irgendwann bleib i dann dort“ habe ich auch in der Südsee gelegentlich im Ohr.
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