Der 10-Schritte-Plan zum Lebenstraum
Lucy Schmidl ist gerade dabei, sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Mit einem Campervan möchte sie die Welt bereisen und nebenbei arbeiten. Bergwelten verrät sie ihren Plan im Detail.
Wer träumt nicht davon, im Bus zu leben und die Welt zu bereisen? Auch mir ist es so gegangen, bis ich den Entschluss fasste, an der Realisierung dieses Traums zu arbeiten. Mein Name ist Lucy, ich bin gelernte Reitsportsattlerin und möchte mit meinem umgebauten Wohnmobil auf die Walz gehen.
Traditionell reist man nach Abschluss der Lehrzeit – in der sogenannten Walz bzw. den Wanderjahren – zu Fuß von Betrieb zu Betrieb, um sich so auf das spätere Gesellen- oder Meisterleben vorzubereiten. Diesen Brauch möchte ich aufrechterhalten, ihn jedoch mit dem Vanlifestyle vereinen, da Sattlerbetriebe meist weit auseinanderliegen.
Wer mich kennt, der weiß: Ich habe oft Ideen und die Gabe, mir Dinge einfach zu reden. Mittlerweile bin ich am Ende meines Umbaus – und zeitweise meiner Nerven – angelangt und muss gestehen, dass die Realität ohne rosarote Brille anders aussieht, als gedacht. Folgt mir auf meinen 10 Schritten zum Lebenstraum.
1. Die guten alten W-Fragen
Wer kennt sie nicht? Die W-Fragen! Sie haben mir begnadeter Vollzeit-Chaotin geholfen, den Überblick zu bewahren. Besonders bei so einem großen Projekt, wie in einem Camper leben zu wollen, sollte man sich über vieles klar werden. Mein Tipp: eine Mind-Map hilft.
- Wer fährt aller mit?
- Wie lange möchte man fahren?
- Wohin soll es gehen?
- Was ist mein Budget? Für Anschaffung, Ausbau und Reise?
- Wie finanziere ich meinen Lebensunterhalt unterwegs?
- Muss ich mich versichern?
- Will ich arbeiten unterwegs? Wenn ja, was?
2. Der Absprung
Der Schritt, loszulassen und in eine unsichere Zukunft aufzubrechen, fiel mir besonders schwer. Ein Text, den ich für einen Freund schrieb, gab mir schließlich den nötigen Schubs. Ich erzählte von Träumen, Leidenschaft und Freiheit. Danach konnte ich mich selbst nicht mehr im Spiegel betrachten, denn ohne Taten waren das nur leere Worte. Ich kündigte also alles und gab mein geordnetes Leben auf – ein Schritt, den sicherlich viele nicht guthießen.
3. Die Suche
Wer meint, die große Liebe zu finden sei schwierig, der hat noch nicht versucht, mit einem überschaubaren Budget einen halbwegs anständigen Bus aufzutreiben.
Die Monate vergingen und mein Computer kannte nur noch einen Suchbefehl: „gebrauchten Bus kaufen“. Unzählige Anwärter wurden unter die Lupe genommen – von verrosteten Oldtimer-Mercedes-Bussen über interessant riechende Hippie-Mobile bis hin zu wilden Bastlerexperimenten kam mir so einiges unter! Ich war nicht nur einmal am Rande der Verzweiflung, Geduld ist nicht gerade meine Stärke. Aber auf das perfekte Wohnmobil musste ich einfach warten und heute weiß ich: Es hat sich gelohnt!
4. Der Check
Anfang 2022 war es dann soweit. Ich stieß auf ein 32 Jahre altes Wohnmobil – ein Fiat Ducato Traveller 210. Es war Liebe auf den ersten Blick und auf einmal ging es ganz schnell: Am Samstag war die Besichtigung, am Sonntag wurde es geliefert und am Montag unterschrieb ich den Vertrag. Und dann stand sie da: Elsa, das Oldtimer-Wohnmobil mit den blau-roten Rennstreifen. Bereit für neue Abenteuer. Mein Tipp an alle, die auch ein Wohnmobil suchen: Legt euch eine Art Checkliste an und recherchiert nach häufigen Mängeln. So seid ihr gut vorbereitet und bewahrt den Überblick.
5. Der Start
Loszulegen, war nicht einfach. Ich hatte monatelang auf diesen Moment hingefiebert und als er da war, fühlte es sich an, als hätte jemand meine Handbremse angezogen. Es war schwierig, einen Anfang zu finden – wie bei einer Tixorolle, die man genervt in die Ecke wirft, nachdem man den Anriss nicht gefunden hat. Gemeinsam mit meinem Bruder begann ich schließlich einen Plan zu entwerfen. Einmal den Stein ins Rollen gebracht, war er nicht mehr zu stoppen.
6. Die Recherche
Bei einem Aus- oder Umbau bemerkt man schnell, dass man noch viel lernen muss. Besonders, wenn man so viel wie möglich selbst machen möchte. Internet sei Dank, kann jeder ein Bastler werden – wenn man genug Zeit hat, sich einzulesen. Im Physikunterricht als unnötig empfunden, studierte ich nächtelang Artikel zu Themen wie Stromkreisläufen oder dem Unterschied zwischen Parallel- und Reihenschaltung.
7. Die Renovierung
Schließlich ging das große Basteln los. Elsa sollte modern und gemütlich werden, also strich ich sie komplett weiß. Dafür musste ich sie so gut wie möglich leerräumen. Ich entfernte beispielsweise Vorhänge, die Polster sowie alle Bad- und Schranktüren. Mit der Zeit mussten auch die Spüle und der Gasherd ihren altgewohnten Platz verlassen, damit die Arbeitsfläche modernisiert werden konnte.
Alles, was ich nicht mehr brauchte, wurde aussortiert. Meine anfängliche Schüchternheit verwandelte sich in einen Rausch. „Ach, wenn ich da schon dabei bin, kann ich das auch noch schnell machen”, sagte ich zu mir, während sich meine Jausenbox mit – feinsäuberlich beschrifteten – Schrauben und Kleinteilen füllte, die sich mir in den Weg stellten.
Die Sitzgarnitur wurde neu bezogen und passend dazu der Tisch besprüht und mit einer neuen Platte versehen. Ein undichtes Fenster wurde ausgebaut und verschlossen, gedämmt und eine neue Innenverkleidung montiert. Sogar die Rollos wurden abmontiert, gereinigt und bekamen einen neuen Anstrich. Zwischendurch kam Elsa in die Werkstatt, wo auch ihr technisches Innenleben auf Vordermann gebracht wurde.
Unterm Strich waren es viele Kleinigkeiten, die insgesamt sehr viel Zeit in Anspruch nahmen.
8. Die Technik
Einer der letzten Schritte war, das Wohnmobil autark zu machen. Mit Hilfe eines Spezialisten wurden zwei Solarpanels verbaut, die Batterie durch eine stärkere ersetzt und das ganze mit ein paar Geräten verkabelt. Gegen Ende musste Elsa noch einmal für eine Kontrolle in die Werkstatt. Dort wurden ihre Geräte gecheckt und eine Gasüberprüfung durchgeführt. Letztere war zwar noch nicht fällig, beruhigte aber mein Gewissen. Am Schluss mussten nur noch die Wassertanks und die Zu- und Ableitungen gereinigt werden.
9. Die Rückschläge
Nicht immer funktioniert alles auf Anhieb. Dafür sind die Hindernisse meist für etwas gut. Denn mit jedem Problem wurde mir Elsa vertrauter. Heute kenne ich jeden Zentimeter von ihr. Ich weiß, wo die Stromkabel verlaufen und wie man – zumindest im Innenbereich – die meisten Teile repariert.
10. Das Loskommen
Der letzte und eindeutig schwierigste Schritt des Ganzen ist das Loskommen. Meine Reise sollte Ende März beginnen, musste jedoch bis heute aufgrund einiger Zwischenfälle immer wieder verschoben werden ... und glaubt mir, es kann so einiges passieren. Aber ich kann euch sagen, dass es mir unter den Fingernägeln brennt und ich es kaum erwarten kann, loszufahren. Die Vorfreude ist riesig!
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Bergwelten Vanlife